Der große Umbruch im deutschen FußballKönnen DFB und DFL wieder zueinanderfinden?

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Christian Seifert gibt seinen Posten an der DFL-Spitze ab.

Frankfurt – Der Termin war längst vorgemerkt, die Einladungen vorbereitet: Eigentlich hätte am 18. Januar nächsten Jahres wieder der traditionelle Neujahrsempfang der Deutschen Fußball-Liga (DFL) stattfinden sollen. Ein Stelldichein der Fußball-Prominenz mit ausgewählten Repräsentanten aus Wirtschaft, Politik und Medien. Ein Termin, den auch die Führungsspitze des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) jedes Jahr gerne wahrgenommen hat, doch die Veranstaltung musste wegen der Corona-Pandemie erneut abgesagt werden.

„Das Verhältnis ist auf dem absoluten Tiefpunkt“,

Dabei wären persönliche Begegnungen und vertrauensbildende Gespräche zwischen den Topfunktionären nie so dringend nötig gewesen. DFL und DFB müssten eigentlich eine gemeinsame Strategie verfolgen, um revolutionäre Umtriebe von Fifa oder Uefa zu verhindern oder die Folgen der Corona-Pandemie zu lindern. Doch das Gegenteil ist passiert. „Das Verhältnis ist auf dem absoluten Tiefpunkt“, stellte DFL-Chef Christian Seifert zu seinem Abschied fest.

Donata Hopfen beerbt Christian Seifert

Seine Nachfolgerin Donata Hopfen übernimmt am 1. Januar zwar eine funktionierende Liga-Organisation, die den krisengeplagten DFB aber mit größtem Argwohn betrachtet. Erklärte Reizfigur für die Liga ist DFB-Interimspräsident Rainer Koch, der kaum eine Gelegenheit auslässt, um die Gegensätze zwischen Profis und Amateuren herauszustellen. Als Seifert sagte, es könne nicht darum gehen, „Feindbilder aufzubauen, Neid zu schüren und Gräben auszuheben“, war das die letzte Spitze in Richtung des bayrischen Strippenziehers, der als deutscher Vertreter im Uefa-Exekutivkomitee kurioserweise für zahlreiche Themen des Profifußballs verantwortlich ist.

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Mit Kochs Billigung soll nun Bernd Neuendorf – und nicht der Liga-Mann und zweite DFB-Interimschef Peter Peters – am 11. März beim Bundestag zum neuen DFB-Chef gekürt werden. Mit dem Vorab-Votum der Regional- und Landesverbände ist der Präsident des Fußball-Verbandes Mittelrhein klarer Favorit auf die Nachfolge des über eine Nazi-Entgleisung gestürzten Präsidenten Fritz Keller. Inwieweit der frühere SPD-Politiker Neuendorf wirklich Brücken bauen kann, bleibt abzuwarten. Er sehe aber durchaus gemeinsame Interessen, sagte der 60-Jährige dem „Kicker“: „Wir sind alle der Auffassung, dass man den Fußball in Deutschland nicht zum kapitalgetriebenen Event und Spielball von Investoren machen darf. Der frühere Journalist bezeichnete das Erscheinungsbild des größten deutschen Sportverbandes als verheerend. „In einer für viele Vereine existenziellen Lage erlebten wir den Höhepunkt der Auseinandersetzungen an der Spitze des Verbandes.“

Bernd Neuendorf wird wohl neuer DFB-Chef

Neuendorf möchte unter anderem eine Vizepräsidentin für Diversität und Gleichstellung installieren und fordert ein Mitspracherecht bei der Ernennung bei Generalsekretär oder Generalsekretärin ein – und dieser Aspekt könnte spannend werden. Denn diesen wichtigen Posten im operativen Geschäft besetzt nach der Trennung von Friedrich Curtius mit Heike Ullrich eine schon lange dem DFB dienende Funktionärin, die nicht annähernd vom Machthunger und Geltungsstreben der meisten männlichen Kollegen beseelt ist. Die allürenfreie 51-Jährige kann sich eine Fortsetzung ihrer Tätigkeit vorstellen. Zusammen mit den Alphatieren Koch und Peters hat sie die Grußbotschaft über die Festtage unterschrieben, in der vor allem vor einem neuerlichen Lockdown für den Amateurfußball in der Pandemie gewarnt wird, vor dem angeblich die meisten Vereine „mehrheitlich kein Verständnis“ hätten.

Im Profifußball wird hingegen der Ball trotz Omikron-Variante vorerst weiterrollen, wenn auch weitgehend vor leeren Rängen. Angeblich wird innerhalb der DFL genau abgewogen,  welche Bundesligaspiele Liga-Chefin Hopfen zur Bundesliga-Rückrunde besucht. Noch weiß die Öffentlichkeit wenig über die 44 Jahre alte Hamburger Medienmanagerin, die sich bislang nur im Hintergrund bewegt.

Welche Rolle wird Hans-Joachim Watzke spielen?

Die „gut vernetzte, extrem engagierte Managerin“ (Seifert über Hopfen) wird als Quereinsteigerin sicher auch früh einen unbelasteten Neuanfang mit dem DFB versuchen. Unterstützung muss der künftige DFL-Aufsichtsratschef Hans-Joachim Watzke leisten, bei dem spannend wird, wie er sein Jobprofil begreift, wenn er am 11. Februar offiziell auf Peters folgt. Der Vorstandschef von Borussia Dortmund wird zu fußballspezifischen Themen seine Meinung kaum für sich behalten. Hopfen aber soll ohnehin Unterstützung erhalten – eine zweite Geschäftsführerstelle bei der DFL hat der Aufsichtsrat bereits genehmigt. Auch der 62-jährige Watzke erklärte bereits, dass es seine schwierigste Aufgabe werde, mit dem DFB „wieder etwas konstruktiver und harmonischer zusammenzuarbeiten“.

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Wohl bald DFB-Chef: FVM-Präsident Bernd Neuendorf

Zum Lackmustest werden die Verhandlungen über den neuen Grundlagenvertrag, der die Geldflüsse zwischen DFL und DFB regelt. Klar ist bereits, dass sich der Mutterverband mehr monetäre Anerkennung für seine Basisarbeit wünscht. Neuendorf macht in diesem Vertragswerk („das Fundament der Einheit des Fußballs in Deutschland“) einigen Verbesserungsbedarf aus: „Ich denke schon, „dass die Zuwendungen an die Amateure anpassungsbedürftig sind.“  Seifert hat übrigens geraten, bei den Basics anzusetzen: „Was braucht die Liga vom DFB?  Die Nachwuchsarbeit muss stimmen. Das Schiedsrichterwesen muss funktionieren. Dann hat man die Abstellung der Nationalspieler und den DFB-Pokal.“

Der unbefriedigende Ist-Zustand, das Nicht-Verhältnis der beiden Institutionen, merkte der verabschiedete Liga-Boss noch zynisch an, habe auch etwas Positives: „Das Verhältnis kann sich nicht weiter verschlechtern.“

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