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Fußball-EMKuss-Skandal und die Folgen: Spaniens knifflige Titelmission

Lesezeit 3 Minuten
Die spanische Außenstürmerin Olga Carmona will mit ihrem Team bei der EM weit kommen.

Die spanische Außenstürmerin Olga Carmona will mit ihrem Team bei der EM weit kommen.

Spaniens Fußball-Nationalteam ist der große EM-Favorit. Doch der Fokus liegt nicht nur auf dem Sportlichen. Eine Spielerin, die gar nicht dabei ist, spielt dabei eine Hauptrolle.

Jennifer Hermoso ist gar nicht dabei - und doch begleitet der Kuss-Skandal die spanischen Fußballerinnen bei ihrer EM-Titelmission in der Schweiz. Beim ersten großen Turnier seit dem WM-Eklat sind die Folgen noch immer zu spüren, die Aufarbeitung ist noch immer nicht komplett abgeschlossen. Dass die aus dem Nationalteam ausgebootete Hermoso verbal gegen Trainerin Montserrat Tomé nachtritt, sorgt für zusätzliche Unruhe. Rein sportlich gesehen ist Weltmeister Spanien aber der große Favorit auf den Titel.

Tomé solle sich „darauf konzentrieren, Spanien zum Europameister zu machen“, schrieb Hermoso bei der Plattform X, auch wenn die Spielerinnen „das alleine schaffen können, wahrscheinlich sogar noch besser“. Die spanische Rekordtorschützin hat es offensichtlich noch nicht verkraftet, für die EM nicht nominiert worden zu sein.

Die 35 Jahre alte Hermoso steht aktuell in Mexiko bei Club Tigres unter Vertrag und gilt seit dem Vorfall bei der WM 2023 in Australien als eine der bekanntesten Fußballerinnen der Welt. Bei der Siegerehrung nach dem Finale hatte ihr der damalige spanische Verbandspräsident Luis Rubiales auf den Mund geküsst. Hermoso stellte Strafanzeige gegen den Funktionär, der Kuss sei ihr ohne Einverständnis aufgezwungen worden.

Nationaltrainerin: Gegen Hermoso sprechen rein sportliche Gründe

Im Februar sprach ein spanisches Gericht Rubiales der sexuellen Aggression schuldig. Mit einer Berufung ist er nun gescheitert, doch auch gegen diese zweite Entscheidung will der 47-Jährige Rechtsmittel einlegen. Rubiales verlor seinen Posten, wurde vom Fußball-Weltverband FIFA für drei Jahre gesperrt und zu einer Geldstrafe verurteilt. Der Fall wurde international zum Symbol für den Kampf gegen Sexismus im Sport.

Eine Hermoso im EM-Kader hätte den Fokus noch stärker auf dieses Thema gelenkt. Nationaltrainerin Tomé erklärte die Nicht-Nominierung der langjährigen Führungsspielerin aber mit sportlichen Gründen. „Wir haben - genau wie bei anderen Spielerinnen - ihre Leistungen bei ihrem Verein ausgewertet und wir haben mit ihrem Trainer gesprochen“, sagte Tomé.

Starke spanische Achse

Die Qualität im Kader ist auch ohne Hermoso enorm hoch. Der wiedererstarkte Mittelfeldstar Alexia Putellas und die Innenverteidigerin Irene Paredes verkörpern Weltklasse. Die Offensive gehört sowieso zum Besten in Europa. Der Teamgeist gilt nach den Turbulenzen der vergangenen Jahre als gestärkt. 

Ein Fragezeichen steht hinter Weltfußballerin Aitana Bonmati. Die 27-Jährige kam erst am späten Montagabend im Teamhotel an, nachdem sie wegen einer viralen Meningitis zwischenzeitlich im Krankenhaus behandelt wurde. „Aitana ist eine sehr wichtige Spielerin für uns und wir werden auf sie warten“, hatte Trainerin Tomé über die Mittelfeldspielerin gesagt.

Spanien liegt in der FIFA-Rangliste knapp hinter Primus USA und vor Deutschland. Doch mit der Favoriten-Rolle kamen die Weltmeisterinnen bei Olympia in Paris nicht gut zurecht, im Halbfinale gegen Brasilien und im Spiel um Bronze gegen das deutsche Team setzte es Niederlagen.

Der Euphorie in Spanien tat es aber keinen Abbruch. Der Frauenfußball hat dort enorm an Bedeutung gewonnen und bricht Zuschauer- und Besucherrekorde. In der Woche vor der EM wurde die Nationalelf sogar von Königin Letizia in den Zarzuela-Palast eingeladen. 

Vor der EM in der Schweiz empfing Königin Letizia die spanische Nationalelf.

Vor der EM in der Schweiz empfing Königin Letizia die spanische Nationalelf.

Auftakt gegen Portugal: Richtungsweisender Gradmesser

Portugal gilt am Donnerstag (21.00 Uhr/ZDF) im Auftaktspiel Spaniens in der Gruppe B, in der auch Belgien und Italien sind, als machbarer Gegner. In der Nations League hatte „La Roja“ die Portugiesinnen im April mit 7:1 deklassiert. Das klare Ziel der Selección lautet: mindestens Halbfinale – und hoffentlich viel mehr. (dpa)