Kommentar zur DFB-AuswahlHansi Flick war viel zu lange Bundestrainer

Ein Kommentar von
Lesezeit 3 Minuten
Bundestrainer Hansi Flick beim 1:4 der deutschen Elf gegen Japan in Wolfsburg

Bundestrainer Hansi Flick beim 1:4 der deutschen Elf gegen Japan in Wolfsburg

Hansi Flick ist nicht mehr Bundestrainer – eine überfällige und mit Blick auf die EM im kommenden Sommer womöglich zu späte Entscheidung. 

Der Deutsche Fußball-Bund hat seinem Scheitern bei der WM in Katar ein Denkmal für die Ewigkeit gesetzt. Die vier Folgen der schon jetzt legendären Dokumentation bei „Amazon“ sind ein Festival der Fremdscham und schwierig zu ertragen für jeden, der die Nationalelf ungern als Comedy-Veranstaltung erlebt.

Das Wüstenepos hat exakt eine Hauptperson: Hansi Flick. Der Bundestrainer und Meister des Desasters wird ausschließlich in prekären Situationen gezeigt. Die Spieler respektieren ihn nicht, er offenbart eine vollständige Unfähigkeit, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Er ist unsicher im Umgang mit der Öffentlichkeit und taktisch planlos. Am Ende ist der nette Hansi Flick nicht einmal mehr nett. Dabei galt das im jüngsten Sturm der Kritik als eine der letzten Qualifikationen, die dem erfolglosen Bundestrainer noch geblieben waren.

Causa Flick: Amazon-Programmchefs bewiesen mehr Weitblick als der DFB

Die Dokumentation erschien pünktlich zu den Länderspielen gegen Japan und Frankreich, in denen nach der Experimentierphase der vergangenen Monate nun die volle Kraft der deutschen Elf präsentiert werden sollte, zumindest in der Fantasie der DFB-Verantwortlichen. Doch die Programmchefs bei Amazon schienen zu wissen, dass der deutsche Fußball das Gegenteil einer Auferstehung erleben würde. Und bewiesen damit deutlich mehr Weitblick als der DFB, dessen Führung am Samstagabend in Wolfsburg ein Bild des Jammers abgab.

Nach Stunden der Schockstarre erfolgte am Sonntagnachmittag die Freistellung des Bundestrainers, der am Morgen noch ein öffentliches Training abgehalten und freundlich Autogramme geschrieben hatte. Besonders elegant war das nicht, wie auch die Interimslösung mit den Herren Völler, Wolf und Wagner vor allem die Not spiegelt, in der sich der deutsche Fußball befindet.

Nach dem 1:4 in Wolfsburg und angesichts der von Amazon so vorbildlich dokumentierten Einblicke in die Zustände bei der WM stellt sich mehr denn je die Frage: Wie konnte es sein, dass Flick neun Monate nach dem WM-Debakel gegen Japan überhaupt die Chance erhielt, noch ein Debakel gegen Japan nachzulegen? Flicks Team hätte am Samstag deutlich höher verlieren können. Allerdings hätte das für Flick wohl keine Rolle gespielt. „Ich finde, wir machen das gut“, befand er nach der Demütigung. Die Mannschaft sei eben nicht mehr gut genug. Eine Einschätzung, die zu denken gab.

Flick liefert absurde Auftritte in Serie

Tatsächlich mag die DFB-Auswahl derzeit nicht in allen Mannschaftsteilen überragend besetzt sein. Doch taugt das nicht zur Erklärung dafür, dass sie im Jahr 2023 nur eines von sechs Spielen gewonnen hat. Das Problem liegt in der Struktur, deren Kopf Hansi Flick viel zu lange war. Dass er einfach weitermachen durfte, mutete zuletzt mit jedem seiner Auftritte absurder an. Noch absurder wäre nur gewesen, wenn er auch bei der EM in neun Monaten noch amtiert hätte. Das hat der DFB nun verhindert. Spät, mit Blick auf die EM im kommenden Sommer womöglich zu spät.

KStA abonnieren