PSG mit Thomas Tuchel beim BVBDie Rückkehr des Ungeliebten

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Der Schein trügt: Richtig gut leiden konnten sich Hans-Joachim Watzke (l.) und Thomas Tuchel nie.

Köln – Aus der Abneigung dem alten Angestellten gegenüber macht Hans-Joachim Watzke keinen großen Hehl. „Es kommt ja nicht Jürgen Klopp zurück“, sagte der Geschäftsführer von Borussia Dortmund, angesprochen auf das Wiedersehen mit Thomas Tuchel, dem ungeliebten Nachfolger seines Kumpels Klopp. „Wir werden sicherlich keine großen Freunde mehr werden“, sagte Watzke vor dem Treffen der Alphatiere. Am Dienstag (21 Uhr/Dazn) tritt Paris Saint-Germain im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League beim BVB an.

Der Anschlag als Knackpunkt

Tuchel hatte Dortmund zwischen 2015 und 2017 trainiert, mit Champions-League-Qualifikation und Pokalsieg durchaus erfolgreich. Ein richtig gutes Verhältnis hatten der zwischenmenschlich komplizierte Fußballlehrer und Klub-Vater Watzke jedoch nie. Es zerbrach letztlich an der Aufarbeitung des Sprengstoffanschlags auf den BVB-Mannschaftsbus am Abend des 11. April 2017 vor dem Champions-League-Heimspiel gegen Monaco. Das Drängen der Uefa, die Partie am folgenden Abend auszutragen, bezeichnete Tuchel als „unmenschlich“. Er sagte, er sei nur per SMS über die Entscheidung in Kenntnis gesetzt worden. Watzke widersprach – es folgte ein langer und teils öffentlich ausgetragener Streit und die vorzeitige Trennung. „Ohne den Anschlag wäre ich heute noch BVB-Trainer“, behauptete Tuchel während des Prozesses im März 2018.

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Paris-Trainer Thomas Tuchel

So legte der Trainer ein Sabbatjahr ein, nahm einige Kilogramm ab, erteilte dem FC Bayern eine Absage, lernte Französisch und unterschrieb im Sommer 2018 letztlich einen Vertrag beim französisch-katarischen Milliarden-Projekt Paris Saint-Germain. Dort übernahm Tuchel einen mit herausragenden Individualisten gespickten Kader. 222-Millionen-Diva Neymar, 180-Millionen-Supertalent Kylian Mbappé. Klarer Auftrag der Investorengruppe Qatar Sports Investments an den Perfektionisten Tuchel: Ein funktionierendes Team formen und die Champions League gewinnen. An der Ausführung der Ansage aus Katar hapert es aber noch.

Achtelfinale als Trauma für Paris

Zwar wurde Tuchel 2019 Meister und wird diesen Titel 2020 erfolgreich verteidigen, zudem gab es zwei Supercup-Siege – doch diese Trophäen sind den schwerreichen Klubeignern gänzlich egal. Ebenso, dass PSG seit 23 Spielen ungeschlagen ist, 20 Partien gewann. Der Henkelpott muss her. Kein anderer Titel verfügt über ein annähernd gleichwertiges Ansehen, was den Geldgebern aus Katar gerecht werden könnte. Dafür muss das Achtelfinale überwunden werden. Doch in den vergangenen Jahren entwickelte sich die Runde der letzten 16 zu einer Art Trauma für Paris.

Tuchel dünnhäutig nach 4:4 in der Liga

Gleich dreimal in Serie scheiterte PSG. 2017 reichte ein 4:0-Heimsieg gegen Barcelona nicht, die Spanier antworteten mit einem 6:1. 2018 war Real Madrid der Stolperstein. 2019, in der ersten Saison unter Tuchel, warf Manchester United die Franzosen raus. In England hatte PSG souverän 2:0 gewonnen – zuhause gab es allerdings ein bitteres 1:3 in der Nachspielzeit. Ein Schock, von dem sich Tuchel bis heute nicht richtig erholt hat. 2020 ist Dortmund der Achtelfinal-Gegner. Wieder ein Team mit angsteinflößender Offensive: Erling Haaland, Jadon Sancho. Die Sorge vor einem erneuten Ausscheiden ist groß, für Tuchel wäre es wohl gleichbedeutend mit dem Rauswurf in Paris.

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PSG-Superstar Neymar

Entsprechend dünnhäutig reagierte der 46-Jährige nach dem jüngsten 4:4 in der Liga gegen Amiens, bei dem sich seine Mannschaft ohne die geschonten Neymar und Mbappé immerhin noch nach einem 0:3 zurückgekämpft hatte. In einer feurigen Rede wechselte Tuchel vom Französischen ins Englische und wieder zurück. „Die ganze Welt denkt jetzt: Oh, sie werden unruhig, unruhig, unruhig, sie haben viele Probleme“, sagte Tuchel mit Zynismus in der Stimme, „aber nein. Das ist das Leben! Das ist Fußball!“ Er habe viel Vertrauen in seine Mannschaft, der allerdings die Mentalität gefehlt habe.

In Dortmund wird es ein ganz anderes Spiel werden, meinte der Deutsche. Nach zweieinhalb Jahren Eiszeit biete es aber „keine Bühne, um irgendetwas aufzuarbeiten. Die Dinge sind aufgearbeitet für mich“, sagte Tuchel. Das Problem mit einem latent unzufriedenen Geldgeber aus Katar im Nacken ist eben größer als das frostige Wiedersehen mit dem Ex-Chef.

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