Riesenwellen vor Hawaii27-jähriger Rettungsschwimmer gewinnt legendären „Eddie Big Wave“

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Sieger Luke Shepardson reitet eine Risenwelle beim Eddie Aikau Big Wave Contest auf Hawaii.

Sieger Luke Shepardson reitet eine Risenwelle beim Eddie Aikau Big Wave Contest auf Hawaii.

Nach sechs Jahren waren die Wellen vor Hawaii groß genug für den legendären Wettbewerb „Eddie Big Wave“. Passend zur Legende hat ihn ein Rettungsschwimmer gewonnen.

Seit 2016 waren die Wellen stets zu niedrig, um auf Hawaii den Surf-Wettbewerb „Eddie Big Wave“ auszurufen. Doch genau das macht den Mythos um dieses legendäre Turnier aus: Das Warten auf die richtigen Wellen. Und manchmal dauert es eben Jahre. Für eine Ausrichtung müssen es schon Wasser-Giganten sein, die konstant mit Höhen von über 12 Metern (40 Feet) auf die Küste in der Waimea Bay an der Nordküste von Oahu zurollen. Auch das Wetter muss an jenem Tag mitspielen. Bläst ein zu starker Wind, können auch Riesenwellen durcheinandergewirbelt werden und einen wilden Ritt unmöglich machen. Die Gezeiten und die Richtung der Strömung müssen ebenfalls stimmen.

Das entscheidende Zeitfenster öffnet sich zwischen November und März. Nur in diesen Wintermonaten kann es zum extremen Wellengang vor der Inselgruppe im pazifischen Ozean kommen. Dann sind die Bedingungen am besten. In seiner 38-jährigen Geschichte konnte „Eddie“ in diesem Jahr erst zum zehnten Mal stattfinden. Am Sonntag, den 22. Januar 2023, war es also wieder so weit. Es hieß: „Eddie would go“ (Deutsch: Eddie würde gehen) – der Spruch, der unter Surfern und Fans eilig über Social Media und jeden sonst bekannten Kommunikationsweg ausgerufen wird, sobald der waghalsige wie prestigeträchtige Kult-Contest tatsächlich stattfinden kann. Der Nervenkitzel ist für die beteiligten Sportler dann kaum noch zu bremsen. Jetzt, oder vielleicht nie?

Surf-Superstar Kelly Slater gibt Startplatz weiter

Auch Surf-Superstar Kelly Slater fragte sich an jenem Morgen, ob er an den Start gehen sollte. Einen Platz im 40-köpfigen Teilnehmerfeld hatte der heute 50-Jährige natürlich sicher. Doch auch diesen Traum hat sich Slater längst erfüllt. Im Jahr 2002 gewann der elffache Weltmeister im Surfen den „Eddie“-Contest, der noch nie von einem Sportler zweimal dominiert werden konnte. Und an diesem Tag habe er nicht das richtige Bauchgefühl gehabt. Mehr sei es nicht, aber es reiche, um nicht mit rauszugehen. „Dein Ego steht dir vor so einer Entscheidung natürlich etwas im Weg. Die Leute fragen sich, warum ich nicht dabei bin. Aber es ist mir egal. Wenn du nicht das richtige Gefühl hast, dann ist es eben so“, erklärte der Sportler gegenüber US-Medien. Eine Entscheidung, die in den sozialen Netzwerken auf große Anerkennung stieß. Schließlich überließ Slater seinen Platz einem anderen Surfer, Chris Owens, der so zu seiner ersten „Eddie“-Teilnahme kam. Und Beweisen muss Kelly Slater niemandem mehr irgendwas.

Vielleicht aber bereiteten Slater auch die Vorhersagen der Organisatoren ein wenig Bauchschmerzen. Wellen mit einer Höhe von 15 bis 18 Metern bei besten Bedingungen kündigten sich an diesem Sonntagmorgen. Die Zuschauer kamen in Scharen. Das US-Magazin „Surfer Today“ berichtete von über 60.000 Schaulustigen, Fans und Surfern rund um den Event. Auch sie mussten sich am Strand vorsehen. Eine riesige Welle etwa traf eine Familie und trieb ein Baby bis unter ein Haus, berichtete Hawaii News Now. Glücklicherweise wurde weder das Neugeborene noch sonst jemand verletzt.

Die vielen Menschen kamen an diesem Tag, um zu staunen. Über die Kraft des Meeres und über jene, die es mit ihr aufnehmen wollten; um ihre Helden anzufeuern und in gewisser Weise auch Beistand zu leisten. Denn wer sich in derartige Fluten stürzt, braucht nicht nur pures Können, sondern auch eine gesunde Portion Glück, nicht plötzlich im falschen Moment einen Giganten anzupaddeln und von ihm - manchmal länger als eine Minute –verschluckt und durcheinandergewirbelt zu werden.

Rettungsschwimmer aus Honolulu wird zum Helden

Jeder im Teilnehmerfeld ist sich des Risikos bewusst. Doch es überwiegt die Leidenschaft für den Surfsport – und der Traum, genau dann auf dem Board liegend im Meer zu treiben, wenn es auch der berühmte hawaiianische Surfer und Rettungsschwimmer Eddie Aikau getan hätte, nach dem das hawaiianische Spektakel benannt ist. Eddie soll mehr als 500 Menschen das Leben gerettet haben und hatte in den 60er und 70er Jahren den Ruf, auch vor besonders großen Wellen nicht zurückzuschrecken. War Eddie im Einsatz, gab es keine Verschollenen Schwimmer und keine toten Surfer, so heißt es noch heute. Keine Wellen waren ihm zu groß und keine Fluten zu stark, um sich nicht auf das übermächtige Meer hinaus zu wagen. Sei es für eine Rettung, oder für einen tollkühnen Wellenritt.

Da passt es zur Geschichte, dass beim zehnten Turnier-Jubiläum ebenfalls ein Rettungsschwimmer aus Honolulu zum Helden wurde. Der 27-jährige Luke Shepardson sammelte 89.1 von 90 möglichen Punkten über mehrere Runden, während John Florence – der Gewinner von 2016 – zum Zweitplatzierten ernannt wurde. Mark Healey belegte den dritten Rang, Billy Kemper wurde Vierter. Shepardson habe für dieses Event extra um Erlaubnis fragen müssen, weil er und seine Kollegen am gleichen Tag zu über 60 Rettungen gerufen wurden, berichten US-Medien. „Ich habe mir gesagt, ich bin hier, um zu gewinnen. Es war super beängstigend da draußen. Die Wellen waren riesig. Aber ein Traum wurde für mich wahr, einmal Teil von „Eddie “zu sein. Ich kann es gar nicht glauben. Es ist verrückt“, sagte der sichtlich erleichterte Sieger am Strand von Weimea, der sich außerdem über ein Preisgeld von 10.000 Dollar freuen durfte.

Erstmals surfen Frauen und Männer gemeinsam

Justine Dupont und Keala Kennelly reiten gemeinsam eine große Welle während des Eddie Aikau Big Wave Invitational in der Waimea Bay.

Justine Dupont (l) und Keala Kennelly reiten eine große Welle während des Eddie Aikau Big Wave Invitational in der Waimea Bay.

Ein besonderes Highlight im Vorfeld des Events bot zudem die Erlaubnis der Organisatoren, dass erstmals in der 39 jährigen Turnier-Geschichte auch Frauen dabei sein durften. Sechs Surferinnen standen mit 34 Männern also in einem gemeinsamen Wettbewerb – teilweise sogar Seite an Seite auf derselben Welle, wie spektakuläre Bilder zeigen. So wurde Andrea Moller zur ersten weiblichen Teilnehmerin, die eine Riesenwelle hinabsurfte. Zuvor galt das Turnier für Frauen als „zu gefährlich“. Doch Sportlerinnen wie Keala Kennelly von der hawaiianischen Insel Kauai, die als Champion der Frauen im Riesenwellen-Reiten antreten durfte, konnten in den vergangenen Jahren zusammen mit anderen Surferinnen bei Events in der ganzen Welt eindrucksvoll unter Beweis stellen, dass Frauen ebenfalls jede Wellen-Kategorie surfen können - und sich ab sofort vor kommenden Wintern die gleiche Frage stellen dürfen: „Would Eddie go?“

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