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Hürdenläuferin im InterviewWarum Pamela Dutkiewicz „im Hamsterrad“ war

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Pamela Dutkiewicz

  1. Pamela Dutkiewicz ist Hürdensprinterin beim TV Wattenscheid. Ihre Erfolge unter anderem: WM-Dritte 2017, EM-Zweite 2018, Hallen-EM-Dritte 2017
  2. Im Interview spricht die Leichtathletin über ihr Befinden vor Corona und die Deutschen Meisterschaften.
  3. Und sie erklärt, was sie damit meint, „im Hamsterrad“ gewesen zu sein.

Frau Dutkiewicz, im Mai haben Sie über sich gesagt, nur noch „eine halbe Leistungssportlerin“ zu sein. Wie sieht es jetzt aus, kurz vor den Corona-bedingt verlegten Deutschen Meisterschaften in Braunschweig?Das ist eigentlich so geblieben. Ohne ein internationales Highlight, für das ich als Leistungssportler trainieren kann, fehlt ein großes Stück. Es gibt international nichts zu gewinnen. Jetzt finden Deutsche Meisterschaften statt, da ist es wichtig, sich zu präsentieren. Das Konzept hat viel Arbeit gekostet, der Deutsche Leichtathletik-Verband hat es hingekriegt und wir haben unsere Fernsehzeit. Aber eine supertolle Leistung wird es in der jetzigen Phase nicht geben.

Sie werden am Wochenende also keine Hammer-Hürdenzeit raushauen?

Nein, da muss ich realistisch bleiben. Nach der Olympiaabsage habe ich gemerkt, dass ich überhaupt nicht wettkampfhungrig bin. Mir tut es so gut gerade, Distanz zu bekommen. Ich war in den letzten beiden Jahren sehr viel verletzt. Danach war ich immer bemüht, schnell wieder fit zu werden. Hier ein Wettkampf, da eine Top-Leistung. Ich war im Hamsterrad des Funktionierens. Jetzt setze ich natürlich weiter wichtige Trainingsreize, aber ich kann emotional und mental regenerieren. 

Das heißt, Sie könnten in diesem Jahr auch ganz auf Wettkämpfe verzichten?

Ja. Genau. Aber im Gespräch mit dem Bundestrainer und meinem Vereinsvorstand wurde ich ein bisschen dafür sensibilisiert, dass man im Verband natürlich stolz ist, das Wettkampfkonzept für die Titelkämpfe hin bekommen zu haben. Und dass es wichtig ist, dass wir Athleten uns dort zeigen. Es geht nicht vorrangig um Leistung in diesem Jahr. Also probiere ich, meinen Wettkampfhunger zu wecken. Die Meisterschaft wird total Corona-eingefärbt sein. Wie  alles im Moment. Ich hoffe, es ist die einzige und bleibt die letzte  Corona-DM. Die zu erleben schadet ja nicht. 

Viele andere fiebern der späten Saison entgegen, sie können es kaum erwarten, wieder auf die Bühne zu dürfen.

Ich kann es total nachempfinden, dass Athleten, die gerade maximal in ihrem Saft standen, die im März so heiß waren und so gesund, die sich nur noch den Feinschliff für Olympia holen mussten, dass die sagen: Hey, ich möchte meine Topform zeigen. Ich war gerade erst wieder auf dem Weg nach oben.

Was ist passiert nach Ihren grandiosen Leistungen in den Jahren 2017/18?

Ich wollte nach Verletzungen immer ganz schnell wieder fit sein, deshalb musste ich sehr rigoros zu meinem Körper sein.  Beim Wiedereinstieg gab es immer schnell neue Probleme... 

...dabei sind Sie doch mit Ihrem Physiotherapeuten liiert.

Ja, der hat auch wirklich alles gegeben. Das Training war das Problem. Wir wollten auf einem sehr hohen Niveau einsteigen. Da haben wir uns völlig überschätzt. Ich habe mich mit diversen Wehwehchen durchgekämpft und Anfang 2020 festgestellt: Hui, da ist noch ganz schön viel, was du bis zu den Spielen hinkriegen musst.  

Die Verschiebung ist also ein Segen für Sie?

Ja, ich gehöre wohl zu den Athleten, die wahnsinnig davon profitieren. Olympische Spiele in diesem Jahr wären ein Drahtseilakt für mich gewesen. Ich bin mir sehr, sehr sicher, dass ich 2021 in einer besseren Version dastehen werde als ich es in diesem Jahr hätte können.  

Sie sind schon einmal fulminant aus einer schweren Verletzung heraus gekommen. 2015 haben sie sich in beiden Füßen die Bänder gerissen. In der Zwangspause haben Sie eine Ernährungsumstellung vorgenommen und zehn Kilo abgenommen. Weitergerechnet müsste Olympia 2021 ja jetzt ganz gut passen für Sie.

Ja, diese Rechnung hat mein Freund auch schon aufgestellt. Das klingt ja auch plausibel. Das Training für eine gute Saison beginnt eben nicht ein paar Monate, sondern mindestens ein Jahr vorher. Minimum. 

Ihren Freund Maik Emmrich, in Wattenscheid Vereins-Physiotherapeut, haben Sie auch in 2015 kennengelernt.

Ja, Wahnsinn, nicht wahr? Das war für mich so ein Jahr der Veränderungen. Viele denken, Leistungssport ist Training und Ernährung. Aber es ist so viel mehr. Es zählt die Tagesform, das Wohlbefinden, ob du gut trainiert hast, aber auch, ob du gut regeneriert hast. Es ist so ein hochkomplexes Ding. 2015 konnte ich viel ändern. Und dieser Punkt Wohlfühlen, Glücklichsein war sicher auch ganz entscheidend.   

Seit April kann man viel über Sie beide erfahren, denn Sie haben zusammen den wöchentlichen Podcast „Sprechstunde Uncut“ gestartet, in dem Sie über sich, den Sport, das Leben sprechen. Warum? Hat Corona Kontaktbedarf zur Außenwelt geschaffen?

Kontaktbedarf klingt ziemlich gut. Mit Beginn der Corona-Krise sind plötzlich viele bei Instagram live gegangen und haben mit der Außenwelt gesprochen. Wir dachten uns, dass unsere Konstellation ja ziemlich einmalig ist. Ich als Leistungssportlerin und er als Sport-Physiotherapeut. Und weil unsere Gespräche nicht nach der Session verloren sein sollten, haben wir das Podcast-Format gewählt. 

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Wie ist die Resonanz? Wie viele Zuhörer haben Sie?

Viele. Wir sind ganz happy. Das ist für junge Athleten offenbar total spannend. Wir zeigen uns sonst ja nicht sonderlich nahbar. Man sieht nicht, dass auch ich mal zweifele, dass auch mein Weg total steinig war. Ich hätte mir als junge Athletin so jemanden gewünscht, der mir sagt: Hey, du musst keine Maschine sein, um da oben zu landen.