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Kati Witt im InterviewFlüchtlinge, Doping und Männer-Kungelei

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Die ehemalige Eiskunstläuferin Katarina Witt wird am 3. Dezember 50 Jahre alt.

Die ehemalige Eiskunstläuferin Katarina Witt wird am 3. Dezember 50 Jahre alt.

Berlin – Das Schicksal der Flüchtlinge bewegt Katarina Witt vor ihrem 50. Geburtstag an diesem Donnerstag. „Das letzte halbe Jahr hat Deutschland vor eine epochale Herausforderung gestellt, und wir müssen diesen leidgeplagten Menschen die Chance der Integration geben“, sagte die zweimalige Eiskunstlauf-Olympiasiegerin (1984 und 1988) im Interview der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. „Wie groß muss die Not sein, dass man alles zurücklässt, alle Bindungen, um mit Nichts neu anzufangen?“, fragte die Weltenbummlerin, die jahrelang in Eisshows durch Amerika tourte.

Für Verunglimpfungen von Politikern und Gewalt gegen Flüchtlinge hat sie kein Verständnis. Es gehöre nun große Besonnenheit dazu, die grausamen Terroranschläge von Paris und die Flüchtlingssituation nicht miteinander auf falsche Weise zu verbinden. „Wenn es Deutschland und Europa schaffen, diese Menschen zu integrieren, kann es eine Bereicherung sein“, betonte Witt. Eine wichtige Voraussetzung für ein gutes Miteinander sei die Gleichstellung der Frau.

Sie selbst sei eigentlich ihr ganzes Leben lang unterwegs und oft auf Hilfe angewiesen gewesen. Vor dem Hintergrund ihrer eigenen Erfahrungen mischt sie sich nun ein: „Ich war immer schon politisch und im Freundes- und Familienkreis wurde viel diskutiert. Wir stehen ja auch vor völlig neuen Herausforderungen. Da möchte ich mich schon einbringen.“

Auch zu den Schlagzeilen über die großen Sportverbände hat sie eine klare Meinung: „Heutzutage muss sich mehr Transparenz durchsetzen - die männliche Kumpanei-Politik ist einfach von Gestern.“ Als Kuratoriumsvorsitzende der Münchner Olympia-Bewerbung 2018 bekam sie Einblicke in die Sportpolitik und empfand sie glatter als die gewohnten Eisflächen.

Die jüngsten Enthüllungen zur Doping-Problematik in Russland habe sie mit Interesse verfolgt, sei selbst aber in jungen Jahren nie mit dem Thema konfrontiert worden: „Nein, ich habe gedacht, dass wir ehrlichen Sport betreiben. Aber ich habe mich gewundert, dass manche Athletin so eine tiefe Stimme hatte.“ Später habe sie sich erschrocken, wie flächendeckend in der DDR gedopt wurde. „Ich habe nichts bekommen und wäre auch ehrlich erbost gewesen, schon wegen des Angebotes. Ich wäre mir wie eine Betrügerin vorgekommen“, behauptet die Kufen-Königin. Die aktuelle Diskussion sei ganz wichtig, besonders für die Athleten, die wirklich versuchten, ohne Doping Leistung zu bringen.

Sie lebt mitten in Berlin und hat niemals erwogen, wie andere Sportgrößen aus steuerlichen Gründen ins Ausland zu ziehen. Nach den Profi-Jahren in Amerika habe sie einen Anker gebraucht, den ihr die Hauptstadt und besonders ihre Eltern gaben. Zum Geburtstag wird es keine große Party geben, ein Essen mit Freunden und Familie reicht der viermaligen Weltmeisterin.

Nach dem Projekt des Bildbandes „So viel Leben“, das im November erschien, und einer ARD-Dokumentation, die im Frühjahr gesendet werden soll, will sich Witt in den nächsten Wochen etwas zurücklehnen. Die Arbeit für das Buch, als sie ihre Karriere Revue passieren ließ, habe sie schon „stolz gemacht und ich habe mir gesagt: Jetzt kannste ruhiger werden, jetzt lass mal los. Das heißt ja nicht, dass ich Rentnerin werde.“ Die „Carmen on Eis“ wird eine Arbeitsmaus bleiben, aber deutlich entspannter als noch vor Jahren. (dpa)

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