Kölner Athletin berichtet von ihrer VorbereitungBahnrad-Profi Mieke Kröger hat noch 100 Tage bis Olympia

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Das Team Deutschland mit Franziska Brausse, Lisa Klein, Mieke Kröger, Laura Sussemilch bei der Mannschaftsverfolgung Damen auf der Radrennbahn.

Mieke Kröger auf der Radrennbahn mit Franziska Brausse und Lisa Klein. Das Bild entstand während der Mannschaftsverfolgung Damen im Januar in Apeldoorn/Niederlande während der Bahnradsport-Europameisterschaften. Nicht im Bild ist Team-Mitglied Laura Süßemilch.

Wie steht es um Fitness und Selbstbewusstsein in der Olympia-Vorbereitung? Mieke Kröger, die der „Kölner Stadt-Anzeiger“ bis zum Start in Paris begleitet, berichtet.

Noch 100 Tage bis zu den Olympischen Spielen von Paris – und Mieke Kröger ist guter Dinge. Gerade war die Bahnradfahrerin aus Köln beim Nationencup in Kanada, der deutsche Frauen-Vierer kam in der Mannschaftsverfolgung auf Rang fünf. Das ist für die Olympiasiegerinnen von Tokio 2021 zwar keine Platzierung, die vom Sattel reißt, aber darum war es Kröger auch nicht in erster Linie gegangen.

„Ich wollte mir beweisen, dass ich auf dem richtigen Weg bin“, sagt die 30-Jährige, „und ich bin jetzt entspannt, meine Form stimmt.“ Kröger gehörte schon vor drei Jahren zum Vierer, als dieser mit ihr, Franziska Brauße, Lisa Klein und Lisa Brennauer nicht nur Gold holte, sondern auch Weltrekord fuhr. „4:04,242.“ Kröger könnte diese Zahl wohl im Schlaf aufsagen und nennt sie noch heute: „Völlig verrückt!“ Brennauer ist inzwischen Mutter geworden und nicht mehr im Team. Laura Süßemilch und Lena Charlotte Reißner konkurrieren um den freien Platz.

Mieke Kröger mit Medaille auf dem Podest.

Mieke Kröger gehörte schon vor drei Jahren zum Vierer, als dieser mit ihr, Franziska Brauße, Lisa Klein und Lisa Brennauer nicht nur Gold holte, sondern auch Weltrekord fuhr.

Beim Nationencup fuhren die Deutschen 4:15,421 und 4:12,106 Minuten. Für eine Medaille in Paris werde man 4:06 bis 4:07 Minuten auf die Bahn bringen müssen, glaubt Kröger. Können die deutschen Frauen das? „Ich halte es nicht für unmöglich“, sagt sie. Und merkt wenig später an, eine notorische Tiefstaplerin zu sein. Daher diese Ergänzung: „Wir sind im Training richtig gute Rundenzeiten geknattert.“

Zuversicht gibt Kröger eine weitere Erkenntnis: „Ich habe es geschafft, im Rennen nachzudenken.“ Das könne sie üblicherweise nicht so gut. Muss sie meisten auch nicht. Wenn alles glatt läuft, ist ihr Sport pure Kraftausdauer gepaart mit Routine. Vier Radfahrerinnen umkurven Vorderrad an Hinterrad die Radrennbahn, 16 Runden lang. Jede muss mal die Position der Frontfrau einnehmen und die anderen hinter sich herziehen, in der Regel wird alle zwei Runden gewechselt. Auf der anderen Seite der Bahn startet das gegnerische Team, das es zu verfolgen gilt.

In Kanada fehlte eine Zehntelsekunde zum Finale – trotz Krögers taktischer Meisterleistung

Die Abläufe sind einstudiert und automatisiert, damit aller Sauerstoff in die Beinmuskulatur kann und nicht unnötig von den Gehirnzellen verbraucht wird. Bei den Deutschen hat die hoch gewachsene Kröger eine Sonderrolle. Sie führt die Kolleginnen einmal für vier Runden und ein bisschen mehr an, solang sie eben kann. „Dann ist bei mir Zappenduster“, sagt Kröger. Dann steigt sie mit völlig übersäuerter Muskulatur aus, da es reicht, wenn drei Fahrerinnen ins Ziel kommen. Mit ihrer Langzeitführung hat sie den Kolleginnen aber die nötige Verschnaufpause für einen fulminanten Endspurt verschafft.

In Kanada habe eine der deutschen Fahrerinnen in der Qualifikation einen rabenschwarzen Tag gehabt, erzählt Kröger. „Das kann einfach passieren.“ In der ersten Runde traf man daraufhin auf die deutlich unterlegenen Japanerinnen. Es war absehbar, dass die Deutschen ihre Gegnerinnen würden überholen müssen. Das ist immer ärgerlich, da Überholen Zeit kostet. „Das waren die Zehntelsekunden, die uns zum Final-Einzug fehlten“, sagt Kröger.

Passieren sollte das Überholmanöver während Krögers Führung. Doch die Asiatinnen waren schneller als gedacht und die Kölnerin merkte bald, dass sie nicht rechtzeitig auffuhr. Nun war eine Denkleistung gefragt: Sollte sie wie üblich nach vier Runden und etwas mehr rausgehen? Oder lieber weiter durchziehen, um das Team bis an die Japanerinnen heranzufahren, damit bei der nächsten Führung dann ein flüssiger Überholvorgang stattfinden konnte? Aber würde sie das durchhalten? Ja, entschied Kröger, da sie ja in den Sog der Japanerinnen geraten würde, je näher sie denen kamen.

Gedacht, getan: Nach fünf Runden Führung durch Kröger waren die Deutschen direkt hinter den Japanerinnen. Die Kölnerin stieg aus, die Kolleginnen überholten. Es war eine taktische Meisterleistung. Und ein Selbstbewusstseins-Booster für Mieke Kröger. 100 Tage noch.

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