Vom Junghai zum NHL-StarLeon Draisaitl – die perfekte Eishockey-Mischung aus Köln

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Aus Köln in die Welt: Leon Draisaitl ist einer der Top-Stars der NHL.

  • Der gebürtige Kölner Leon Draisaitl ist einer der Top-Stars der NHL. Die Entwicklung verdankt er Talent, Fleiß und mentale Stärke.
  • Von vielen wird er jetzt schon als der beste deutsche Eishockeyspieler gesehen, den es je gab.
  • Eine Reportage über die Anfänge seiner Karriere bei den Kölner Junghaien, seinen kurzzeitigen Ausflug zu den Fußballern von Viktoria Köln und seine Pläne für die Zukunft, die er wieder bei den Kölner Haien sieht.

Köln – Nicht nur in Europa, sondern auch in Nordamerika ruhen die Pucks, am vergangenen Donnerstag entschied die National Hockey League (NHL), ihre Saison wegen der Coronavirus-Krise bis auf weiteres zu unterbrechen. Und so bleibt der 24-jährige Kölner Leon Draisaitl vorläufig der erfolgreichste Stürmer der besten Eishockey-Liga der Welt. In seinen bisher 71 Spielen hat der Profi der Edmonton Oilers 43 Tore geschossen und 67 Vorlagen geleistet. Mit den 110 Punkten liegt er an der Spitze des NHL-Topscorer-Ranking – vor seinem kongenialen Teamkollegen, dem 23-jährigen kanadischen Jungstar Connor McDavid (64 Spiele, 34 Tore, 63 Vorlagen).

Draisaitl, der seit 2014 für das Team aus der Hauptstadt der kanadischen Provinz Alberta spielt, hatte 2018/19 erstmals die 100-Punkte-Marke geknackt. Längst ist er einer der Stars der NHL; ein Ausnahmespieler, den seine Kollegen aus der deutschen Eishockey-Nationalmannschaft neidlos bewundern. „Leon ist unglaublich“, sagt etwa KEC-Kapitän Moritz Müller. „Er wird immer besser, er arbeitet immer weiter an sich. Er ist der beste deutsche Eishockey-Spieler, den es je gab.“

Perfekte Mischung aus Talent, Fleiß und mentaler Stärke

Draisaitls Erfolg basiert auf einer perfekten Mischung aus Talent, Fleiß, Realismus und mentaler Stärke. Die Begabung und Eishockey-Liebe wurden ihm in die Wiege gelegt. Vater Peter Draisaitl (54), in den 1980er und 1990er Jahren einer der besten deutschen offensiven Eishockey-Profis, ist bis heute wichtigster Ratgeber des NHL-Stars. „Es ist großartig, jemanden wie ihn zu haben; jemanden, der das Eishockey so gut kennt“, sagt Leon Draisaitl. Der Vater ging mit seinem großen Talent zu seiner Profizeit eher lässig um, der Sohn ist dagegen ein Arbeitstier und wie alle großen Sportstars stets bereit, sich zu quälen, um immer weiter voran zu kommen. „Letztlich versuche ich, einfach von Jahr zu Jahr immer besser zu werden“, sagt er „Ich denke auch, dass ich immer noch Luft nach oben habe.“

Das ist Leon Draisaitl

Leon Draisaitl, geboren am 27. Oktober 1995 in Köln, spielte von 2003 bis 2009 bei den Kölner Junghaien, von 2009 bis 2012 bei den Mannheimer Adlern, von 2012 bis 2014 bei den Prince Albert Raiders und seit 2014 bei den Edmonton Oilers. 2015 wurde er für sechs Spiele an die Kelowna Rockets verliehen.

Draisaitl ist Center, er misst 1,85 Meter und ist 98 Kilo schwer. 2019 und 2020 nahm Draisaitl am NHL All-Star Game teil, im Februar 2020 wurde er zum Spieler des Monats in der besten Eishockey-Liga der Welt gekürt. (ksta)

Gute Eishockey-Spieler werden bekanntlich im Sommer gemacht, deshalb ackert Leon Draisaitl, 1,88 Meter groß und circa 95 Kilo schwer, in der eishockeyfreien Zeit stets ausgiebig mit einem Fitnesstrainer. In den vergangenen Jahren verbesserte er so zum Beispiel seine Schnelligkeit, die früher einmal die größte seiner wenigen Schwachstellen war. „Leon hat über die Jahre kontinuierlich an seiner körperlichen Verfassung gearbeitet“, sagt Haie-Trainer Uwe Krupp, der 1996 als erster Deutscher den Stanley Cup, die Meisterschaft der NHL gewann. Und: „Momentan ist Leon einfach einer der besten Stürmer der Welt, ohne Wenn und Aber. Seine Leistung muss man respektieren.“

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November 2007: Vater Peter Draisaitl und der kleine Leon bei den Haien.

Und da Draisaitl in den vergangenen Monaten durchgehend überragend spielte, einmal sogar vier Tore in einem Spiel schoss, wird er manchmal schon mit NHL-Superstars wie dem fabelhaften Russen Alexander Owetschkin (34) in einem Atemzug genannt, der seit 15 Jahren die Fans in der NHL begeistert. Übertrieben oder angemessen?

Ruhe, Spielintelligenz und Übersicht auf dem Eis

Wohl ein bisschen von beidem. „Leon ist gerade dabei, ein dominanter Spieler in der NHL zu werden“, urteilt Krupp. „Aber warum sollte er nicht auch so gut wie Owetschkin werden? Die Tür ist offen Wenn er gesund bleibt und weiter an sich arbeitet – wer weiß, wo dann die Reise hingeht.“ Mitspieler McDavid, NHL-Topscorer 2017 und 2018, sieht in Draisaitl „einen ganz besonderen Spieler.“ Draisaitl meint über den Kollegen: „Wir sind sehr, sehr gut befreundet und gönnen uns gegenseitig alles. Wir verstehen uns auch neben dem Eis sehr gut.“ Die beiden ergänzen sich perfekt.

Während der wendige McDavid über eine überragende Stock- und Schlittschuhtechnik verfügt und einer der schnellsten Spieler der Welt ist, ist der große und kräftige Kölner ein Mann, der den Puck mit seinem Körper perfekt abschirmen kann. Die Experten loben unisono seine Ruhe, seine Spielintelligenz und seine Übersicht auf dem Eis. Sowie seine Fähigkeit, auch in unmöglich scheinenden Situationen noch einen brillanten Pass zu spielen. Zudem ist er mental ungemein stark.

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Draisaitl erträgt nicht nur den Leistungsdruck in der NHL, sondern auch die Tatsache, dass er in Edmonton, dem Heimatverein des großen Wayne Gretzky, Vergleiche mit dem heute 58-jährigen kanadischen Idol aushalten muss, dessen Statue vor der Oilers-Arena steht. „Das gehört wohl dazu“, sagt Draisaitl.

Draisaitl ist bis heute Haie-Fan

Peter Draisaitl, der von Ende 2017 bis Anfang 2019 Haie-Trainer war und zurzeit Coach im slowakischen Kosice ist, legt großen Wert darauf, niemals ein ehrgeiziger Hockey-Dad gewesen zu sein. „Der Junge hat sich allein entschieden, Eishockeyprofi zu werden, niemand hat ihn dazu gedrängt“, sagt er. Im Alter von sieben, acht Jahren spielte der kleine Leon sogar ein Jahr lang Fußball bei Viktoria Köln, kehrte dann aber zum Eishockey zurück. „Ich glaube, das war, weil ich einmal einen Freistoß nicht schießen durfte. Da habe ich gesagt: Das ist mir zu blöd hier, ich gehe wieder zum Eishockey“, erzählte er unlängst in einem Interview mit dem Eishockey-Sender „Magentasport“, der ihn in Edmonton besuchte. Und eine schön aufgeräumte Wohnung vorfand, in der zwei „Jungs aus Köln“, Draisaitls beste Freunde, auf dem Sofa vor einem großen Bildschirm fläzten, während der Eishockey-Star über seine Laufbahn plauderte.

Leon Draisaitl ging also damals, um das Jahr 2003 herum, zurück zu den Junghaien, bei deren Bambini er seine ersten Schritte auf dem Eis gemacht hatte. Wo auch sonst? Peter Draisaitl spielte von 1994 bis 1998 für den KEC – und wurde mit ihm 1995, in Leons Geburtsjahr, deutscher Meister. Das Größte für ihn sei es damals gewesen, erinnerte sich der Sohn einmal, wenn sein Vater nach den Spielen mit ihm auf dem Arm bei einer Ehrenrunde über das Eis gefahren sei.

Es ist somit kein Wunder, dass Leon Draisaitl bis heute Haie-Fan und der kölschen Heimat sehr verbunden geblieben ist. Zumal seine Mutter Sandra und seine Schwester Kim in Köln leben, das für Leon Draisaitl, wie er oft betont hat, „die geilste Stadt der Welt“ ist. Der gleichaltrige Haie-Stürmer Freddie Tiffels, mit dem Draisaitl mit dem Eishockey begann, meint: „Ich kenne Leon auch menschlich als besten Freund und kann sagen: Er hat sich nicht verändert.“

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Leon Draisaitl im Spiel gegen die Vegas Golden Knights

In der Jugend wäre Draisaitl dem KEC sicher treu geblieben, hätte der Verein nicht von 2008 bis 2010 eine schwere Finanzkrise durchlaufen. Weil dadurch die Mittel für die Nachwuchsarbeit in Köln sehr begrenzt waren, zog Draisaitl im Alter von 13 Jahren von zu Hause aus und ging nach Mannheim zu den Jungadlern, wo er bald in der Nachwuchsliga mit seinen Toren für Furore sorgte. 2010/2011 kam er auf 192 Punkte und wurde für die nordamerikanischen Talentscouts interessant. 2012, er war knapp 17 Jahre alt, wechselte er in die kanadische Juniorenliga WHL zu den Prince Albert Raiders – und ragte auch dort auf Anhieb heraus. Seit die Edmonton Oilers Draisaitl bei der Talente-Verteilung 2014, dem Draft, in der ersten Runde an dritter Stelle gezogen haben, spielt er fast durchgehend in der NHL. Nur in seiner ersten Saison wurde er für sechs Partien zu einem unterklassigen Farmteam geschickt.

2017 verlängerte er seinen Vertrag mit den Oilers um acht Jahre. Da die Spielergehälter in Nordamerika veröffentlicht werden, ist bekannt, dass sein Gehalt per annum bei 8,5 Millionen US-Dollar liegt, umgerechnet etwa 7,6 Millionen Euro. Das ist viel Geld, es gibt in Kanada jedoch Eishockey-Experten, die darin einen Schnäppchenpreis für Edmonton sehen. Denn McDavid verdient vier Millionen US-Dollar mehr im Jahr.

Nach der Unterbrechung der NHL-Saison weiß nun niemand, ob und wie es weitergehen wird. Die Edmonton Oilers lagen gut im Rennen und hatten nach zwei Jahren ohne Playoff-Teilnahme wieder Chancen, die Endrunde zu erreichen.

NHL-Commissioner Gary Bettman lehnte es ab, eine Mindestdauer für die Pause anzugeben oder eine Frist für den etwaigen Abbruch der Saison festzulegen. Die NHL wolle bei allen Überlegungen die Anordnungen der offiziellen Regierungsstellen berücksichtigen, hieß es von Seiten der Liga, deren Teams aus den USA und Kanada stammen.

Irgendwann will Draisaitl zu den Haien zurückkehren

So wird Leon Draisaitl in diesem Jahr vielleicht keine Chance mehr haben, die Verwirklichung seines größten sportlichen Traums in Angriff zu nehmen, den Gewinn des Stanley Cups, der den Oilers zuletzt 1990 glückte. „Was fehlt, ist eine Meisterschaft. Darum geht’s. Das ist das Wichtigste“, sagt er.

Eines Tages, wenn er die 30 weit überschritten hat, würde Draisaitl seine Karriere gern in der Heimat bei den Kölner Haien ausklingen lassen, das hat er oft schon angedeutet. Bis es soweit ist, dürften aber noch einige Jahren vergehen, in denen Draisaitl, wenn alles gut geht, viele Tore schießen wird.

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