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Kölner Schwimmerin im InterviewJessica Felsner ist die schnellste Frau Deutschlands

Lesezeit 6 Minuten
Jessica Felsner SEIFERT 031219

Die Kölner Schwimerin Jessica Seifert.

  1. Die Kölner Schwimmerin Jessica Felsner über ihren Durchbruch, ihren ersten EM-Start und Ziele.
  2. Im Interview spricht Felsner darüber, wie sie mit 21 Jahren nochmal richtig durchstartete.
  3. Um 5.30 Uhr ins Becken zu springen, war aber nicht von Beginn an ihre Lieblingsbeschäftigung.

KölnFrau Felsner, Sie haben in dieser Saison Ihren Durchbruch als Schwimmerin gefeiert. So kann man es sagen, oder?

Ja, das ist richtig. In den letzten drei Jahren habe ich mich von Saison zu Saison verbessert, und jetzt bin ich da, wo ich bin. Ich konnte in diesem Jahr ein paar Erfolge feiern.

Sie sind die schnellste Frau Deutschlands über 50 Meter Freistil, bei der Universiade waren Sie Zweite, bei ihrem ersten Weltcup-Start haben Sie es ins Finale geschafft und als Zweite zuletzt bei den deutschen Kurzbahn-Meisterschaften haben Sie sich für die Kurzbahn-EM in Glasgow qualifiziert. Das alles mit 24 Jahren – was relativ spät ist für einen Durchbruch als Schwimmerin, oder?

Ja, das ist spät. Ich habe mich erst in den letzten Jahren so verbessert, weil ich erst vor drei Jahren mein Training richtig hochgeschraubt habe. Im Moment trainiere ich an sechs Tagen in der Woche, acht Mal im Wasser plus drei Mal Krafttraining. Es gibt natürlich Schwimmer, die schon mit 16 bei Olympia starten. Aber bis vor drei Jahren habe ich nur halb so viel trainiert.

Und dann haben Sie sich mit 21 Jahren überlegt, noch mal richtig los zu legen. Wieso?

Ich bin von der TPSK zum SC Aqua gewechselt, eigentlich gar nicht mit der Intention, dass ich noch mal angreifen möchte, sondern weil die neue Mannschaft mehr meine Altersgruppe ist. Dann hat mir das Training aber so viel Spaß gemacht, dass ich dachte: Ich probiere jetzt einfach mal mehr. Und seitdem läuft es. Vorher habe ich auch schon an Deutschen Meisterschaften teilgenommen, ich bin im Schwimmverein, seit ich fünf Jahre alt bin. Aber ich habe nie eine Medaille gewonnen, ich war nicht in der nationalen Spitze.

Und Sie haben Ihre Morgen in Ihrer Schulzeit nicht – wie es für Spitzenschwimmer üblich ist – in irgendwelchen Schwimmbecken verbracht?

Nein, Frühtraining mache ich auch erst seit drei Jahren. Um 5.30 Uhr morgens ins kalte Becken zu springen, kostet eine ziemliche Überwindung. Das habe ich mir früher nicht angetan. Inzwischen hat es Klick gemacht. Das bringt halt wirklich viel. Ich habe irgendwann eingesehen, dass ich das brauche, um vorn mit dabei zu sein.

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Wenn Sie jetzt sehen, was Sie in den letzten drei Jahren geschafft haben, fragen Sie sich dann, was Sie hätten erreichen können, wenn Sie Ihr Training schon früher hoch geschraubt hätten?

Natürlich denke ich da mal dran. Aber ich bereue nichts. Wer weiß, wie es dann jetzt wäre. Viele, die früh viel trainiert haben, leiden irgendwann an Schulterschmerzen und müssen früh aufhören. Ich bin froh, dass es jetzt gut läuft. Ich bin auf einem aufsteigenden Ast, das macht Spaß. Ich freue mich auf die kommende Saison.

Die bekannteste deutsche Schwimmerin war zuletzt auf den kurzen Freistil-Strecken Britta Steffen. Ist sie ein Vorbild für Sie?

Britta Steffen war von Anfang an eine Granate, dass ich das jemals aufholen kann, wage ich zu bezweifeln. Für mich ist es schön, einfach mal zu gucken, was ich in meinem Alter noch rausholen kann. Ich vergleiche mich nicht mit Britta Steffen.

50 Meter, eine lange Bahn, Ihre Bestzeit steht bei 24,92 Sekunden – was passiert da im Wasser?

Es ist wichtig, da fokussiert dran zu gehen. Es sind zwar unter 25 Sekunden, aber man muss sehr viel beachten. Am Start muss man hochkonzentriert sein und schnell vom Block weg kommen, dann mache ich fünf Kicks, es kommt die Wasseroberfläche, ich setzte meinen ersten Armzug, natürlich Luft anhalten, möglichst wenig atmen. Letzte Saison habe ich zwei Mal auf den 50 Metern geatmet. In diesem Jahr habe ich es geschafft, das auf ein Mal herunterzukurbeln. Ich atme so nach 30 Metern. Dann weiter Vollgas, bis die Wand kommt, und jetzt nur noch volle Kanne anschlagen.

Das Ziel ist es, irgendwann gar nicht mehr zu atmen auf den 50 Metern Freistil?

Dass schafft nicht jeder. Aber eine Britta Steffen zum Beispiel hat nicht geatmet auf den 50 Metern. Und es ist auch mein Ziel, ohne Luft zu schwimmen. Unter 30 Sekunden, das schafft man, das ist eigentlich kein Problem. Das Problem ist die Bewegung, da hat man irgendwann das Gefühl, so einen Sauerstoffmangel zu haben, dass man unbedingt atmen muss. Dagegen hilft nur Training.

Sind Sie wirklich schneller, wenn Sie ohne Atmung schwimmen?

Die Trainer sagen: ja. Ich kann es nicht sagen. Ich bin auch schon mit zwei, drei Mal atmen die gleiche Zeit geschwommen wie jetzt mit ein Mal atmen. Aber es ist natürlich ein kleiner Widerstand, wenn man den Kopf hebt, um Luft zu holen. Man kommt etwas aus dem Rhythmus.

Sie stecken im Master-Studium Digital Business Management. Wie passt das zum Hochleistungstraining? Wie anders ist Ihr neues Leben als Spitzensportlerin?

Ganz anders. Dass ich Zeit habe für dieses Interview, das ist schon ungewöhnlich. Aber mit einem guten Zeitmanagement ist das machbar. Ich vernachlässige die Uni nicht, ich mache beides parallel und arbeite auch noch zwölf Stunden pro Woche im Vertriebsmarketing. Sonntags habe ich entweder Wettkampf oder mal frei. Es ist weniger Freizeit, aber ich langweile mich nicht, das macht Spaß.

Im nächsten Jahr gibt es Olympische Spiele in Tokio.

Ja klar. Der Qualifikationszeitraum beginnt im Januar. Natürlich trainiere ich darauf hin. Aber ob das nächstes Jahr schon möglich ist, muss man sehen. Ich werde mein Bestes geben. Ich müsste 24,75 Sekunden über 50 Meter schwimmen, meine Bestzeit steht bei 24,92 Sekunden. Über 50 Meter sind auch 1,5 Zehntel Sekunden sehr viel. Mal schauen. Es liegt im machbaren Bereich, aber das wird richtig viel Arbeit.

Zur Person und zur EM

Jessica Felsner, geboren am 12. Juli 1995 in Köln, Schwimmerin beim SC Aqua Köln und Studentin (nach einem Bachelor in Medienwirtschaft im Master-Studiengang Digital Business Management). Erfolge 2019, jeweils über 50 m Freistil: Deutsche Meisterin, Zweite bei der Universiade, Zweite bei den deutschen Kurzbahn-Meisterschaften, dort auch Siegerin mit der Kölner 4 x 50-m-Freistil-Staffel und Zweite mit der Mixed-Staffel. Start bei der Kurzbahn-EM von Mittwoch bis Sonntag in Glasgow über 50 Meter Schmetterling (Donnerstag) und 50 m Freistil (Sonntag), zusätzlich sind vier Staffeleinsätze geplant.

Das deutsche Team bei der Kurzbahn-EM wird von dem früheren Weltmeister Marco Koch und Kurzbahn-Europameister Philip Heintz angeführt. Insgesamt gehen in Glasgow 38 Athleten für den Deutschen Schwimm-Verband (DSV) an den Start. Doppel-Weltmeister Florian Wellbrock und Weltrekordlerin Sarah Köhler verzichten zu Gunsten ihrer Olympiavorbereitung, erkrankt absagen mussten Brustschwimmer Fabian Schwingenschlögl und Rückenschwimmerin Nadine Laemmler. (dpa)

Die deutsche Schwimm-Nationalmannschaft hat mit Doppel-Weltmeister Florian Wellbrock und Vizeweltmeisterin Sarah Köhler mal wieder ein schillerndes Front-Duo und hofft nach dem medaillenlosen Debakel bei Olympia in Rio auf Besserung für Tokio. Wie erleben Sie das? Bekommen Sie als Neuling schon etwas mit von der Stimmung im Team?

Ich bin ja bei der Kurzbahn-EM zum ersten Mal mit der Nationalmannschaft unterwegs. Aber die Stimmung bei den Deutschen Meisterschaften war schon besser als zuletzt, es gab wieder mehr mediale Aufmerksamkeit, es waren mehr Zuschauer da, das konnte ich schon merken.

Und was ist Ihr Ziel für die 50 Meter Kraul bei der Kurzbahn-EM in Glasgow am Sonntag?

Finale wäre toll. Eine persönliche Bestzeit auch. An eine Medaille denke ich überhaupt nicht. Für mich ist es wichtig, die Erfahrung mitzunehmen. Letzter EM-Tag, 50 Meter Kraul, da habe ich Spannung bis zum Ende.