KommentarAlexander Zverevs Ausbruch passt zu den Vorwürfen der Ex-Freundin

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Alexander Zverev

Köln – Alexander Zverev ist 24 Jahre alt, Olympiasieger im Tennis und aktuell Deutschlands Sportler des Jahres. Dank seines überreichen Talentes hat er bereits 19 ATP-Turniere gewonnen und damit allein an Preisgeldern mehr als 30 Millionen Dollar angehäuft. Jeder in der Szene erwartet von ihm umgehend den Gewinn eines ersten Grand-Slam-Titels und den Sprung auf die Weltranglistenposition eins. Er hat alle Voraussetzungen dafür, der strahlende Held zu sein, der er gern wäre. Außer einer: Er hat seine Emotionen nicht unter Kontrolle.

Der tätliche Angriff auf einen Schiedsrichter während eines unbedeutenden Doppelspiels beim Turnier in Acapulco und die darauf folgende Disqualifikation passt ins Bild eines jungen Mannes, der nicht gelernt hat, sich an einfachste Regeln des Miteinanders und der Selbstbeherrschung zu halten.

Schimpfworte in Richtung Umpire haben im Tennis seit den Tagen des legendären Rüpels John McEnroe eine gewisse Tradition, der auch ein Boris Becker während seiner turbulenten Karriere hin und wieder gefolgt ist. Aber nie war eine Attacke eines Top-Spielers in Richtung Unparteiischer physisch bedrohlicher und näher am Tatbestand der Körperverletzung als Zverevs Hiebe auf den Schiedsrichterstuhl in Mexiko.

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Psychologen mögen beurteilen, worin das immer wieder zu beobachtende Verhalten dieses Spielers seine Wurzeln hat. Vielleicht hat er als verwöhnter Spross einer um die Welt ziehenden Tennis-Familie so etwas wie gutes Benehmen nie lernen müssen. Vielleicht ist sein Jähzorn unter der lebenslangen Last der riesigen Erwartung entstanden, seinem unermesslichen Talent gerecht zu werden. Vielleicht ist ein solch unstetes Leben zwischen Steueroasen, Glitzermetropolen und Superstars fernab aller Konstanten, die das Heranwachsen normaler Jugendlicher prägen, einfach nicht gesund.

Was davon genau Alexander Zverev von Berechenbarkeit und Selbstbeherrschung abhält, spielt jedoch keine Rolle. Dass er über eine Mischung aus Charme, Witz und Selbstironie verfügt, die ohne Intelligenz nicht möglich ist, genau so wenig. Kein Mensch, der halbwegs Herr seiner Sinne ist, verhält sich so. Erst recht nicht, wenn er immer noch Teil einer offiziellen Untersuchung des Tennis-Verbandes ATP ist, die klären soll, ob die Vorwürfe seiner Ex-Freundin Olga Sharypova berechtigt sind, die behauptet, während ihrer Zeit mit Alexander Zverev Opfer von Jähzorn und häuslicher Gewalt geworden zu sein.

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Alexander Zverev Hilfe braucht. Nicht nur juristische. Falls er seine Selbstanklage am Tag danach ernst meint, wird er sie suchen.

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