Eisenbichler im Interview„Ich arbeite jetzt auch noch perfektionistisch“

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Markus Eisenbichler

Markus Eisenbichler

  • Im Interview spricht Skispringer Markus Eisenbichler über die anstehende Vierschanzentournee und seine Siegchancen.

Herr Eisenbichler, seit Saisonbeginn präsentieren Sie sich konstant auf einem Top-Niveau, Sie haben zwei der sieben Weltcup-Springen in dieser Saison gewonnen, zweimal wurden Sie Zweiter, dazu Dritter bei der Skiflug-WM am zweiten Dezember-Wochenende. Wie haben Sie diese Form und Sicherheit in Ihren Sprüngen aufgebaut? Markus Eisenbichler: „Das liegt an der sehr guten Arbeit des Sommers. Ich bin nach der Pause gleich wieder gut reingekommen, ich hatte auch große Lust zu trainieren. Ich habe mir zudem Gedanken darüber gemacht, was in der vergangenen Saison schiefgelaufen ist bei mir. Immerhin hatte ich ja im Frühjahr 2019 drei WM-Titel in Innsbruck gewonnen, unter anderem den von der Großschanze am Bergisel. Aber in der Saison danach stagnierte meine Leistung und bin nicht mehr ganz nach vorne gekommen. Ich habe mir die Zeit genommen, darüber nachzudenken, was war, wie es weiter gehen soll, wie ich mich sehe. Meine Erkenntnis war, dass ich mich schlicht zu sehr unter Druck gesetzt habe, ich wollte alles perfekt machen, dabei habe ich verkrampft. Ich arbeite jetzt auch noch perfektionistisch, aber ich bin wesentlich lockerer.“

Hat Ihnen die Ruhephase während des ersten Corona-Lockdowns dabei geholfen, zu sich zu finden?

„Das hat mir tatsächlich in die Karten gespielt. Ich hatte Zeit, mir mehr Gedanken über mich zu machen und darüber, wo mein Weg hinführen soll, wie ich mein Training am besten gestalte. Auf diese Weise habe ich ein Top-Konzept mit den Trainern aufgestellt. Ich habe viel daheim trainiert, ich habe auch mal sportlich was ganz anderes gemacht. Das hat mich abgekühlt. Insgesamt bin ich zu dem Schluss gekommen, dass ich glücklich sein kann, Skispringen auf Top-Niveau machen zu können. Da ist es eben nicht schlimm, mal 15. zu werden.“

Mit welchen anderen Sportarten haben Sie sich neue Reize gesetzt?

„Ich hin und wieder mal zum Bergwandern in Österreich nach dem ersten Corona-Lockdown, da waren ein paar längere Touren dabei. Außerdem bin ich geklettert, bin mit dem Kajak auf dem Chiemsee gefahren, war mit dem Rennrad und dem Mountainbike unterwegs – also alles Outdoor-Sportarten, bei denen man sich austoben und den Kopf freibekommen kann.“

Sie sind jetzt 29 Jahre alt, sind Sie mit den Jahren auch emotional gereift?

„Bei mir war das in der Tat ein langer Prozess. Jeder Mensch ist nie fertig mit seiner Entwicklung, dass man ruhiger wird, erwachsener. Ich versuche, aus jedem Jahr etwas zu lernen und für mein Leben mitzunehmen. Vor allem versuche ich immer, das Positive im Schlechten zu sehen.“

Sie arbeiten seit der vergangenen Saison mit dem damals neu verpflichteten Bundestrainer Stefan Horngacher aus Österreich zusammen. Hat er Ihnen auch geholfen, mental und sportlich stärker zu sich zu finden?

„Stefan Horngacher spielt in der Tat eine große Rolle. Er hat die Fäden in der Hand, er leitet unser Team souverän. Wir trainieren nach seinem Plan, an dessen Inhalten und Funktionalität ich nie gezweifelt habe. Ich war von Anfang an davon überzeugt. Die von ihm vorgetragene Vision für unser Team kann nur gut sein, denn wir haben ja auch gesehen wie erfolgreich Stefan Horngacher zuvor als Trainer der polnischen Skispringer gearbeitet hat. Ich habe leider ein schwaches Jahr gebraucht, um mit Horngachers Hilfe wieder richtig gut zu werden.“

Nach der Skiflug-WM Anfang Dezember steht nun nach Weihnachten mit der Vierschanzentournee der nächste Saisonhöhepunkt an. Das Auftaktspringen ist für den 29. Dezember in Oberstdorf angesetzt. Was für eine Tournee erwarten Sie von sich?

„Wenn ich so weiter springe und mein Niveau vielleicht sogar noch ein Stück hebe, kann ich schon um den Sieg mitspringen. Ich schaue und denke dabei während der Tournee von Wettkampf zu Wettkampf. Alles andere bringt nichts. Ich lasse mich da jetzt auch nicht mehr aus der Ruhe bringen. Ich habe die Tournee schon ein paar Mal mitgemacht, daher weiß ich, was sie bedeutet, was sie für einen Stellenwert in der Gesellschaft und für uns Skispringer hat, und ich weiß auch, was auf mich zukommt. Aber wenn man es mal sachlich herunterbricht, sind es eben auch nur vier Wettkämpfe innerhalb kurzer Zeit hintereinander. Ich muss mich auf das Wesentliche konzentrieren. Wenn mir das gelingt, kann es bei der Tournee schon sehr gut laufen für mich. Ich freue mich einfach, weil ich in einer Form bin, die ich noch nie gehabt habe.“

Sie haben im letzten Wettkampf vor der Tournee in Engelberg auf einer Schanze den zweiten Platz belegt, die Sie gar nicht mögen. Was bedeutet das für die Anlagen der Tournee, die sie erklärtermaßen deutlich mehr schätzen?

„Die Schanze in Engelberg kann ich in der Tat nicht so leiden, die ist brutal schwierig, da muss ich gegen mein Gefühl springen, was ich ungern mache. Ich habe es im letzten Versuch dann einfach mal mit meiner Technik versucht, auch wenn sie nicht so recht zu der Schanze zu passen schien, und tatsächlich ist mir mit dem zweiten Platz ein guter Abschluss im letzten Wettkampf vor der Tournee gelungen. Das bedeutet mir viel, weil ich merke, dass ich auch bei richtig schwierigen Schanzen, die ich eigentlich gar nicht mag, ganz vorne mitspringen kann. Die Schanze in Oberstdorf wiederum mag ich sehr. Ich habe dort schon sehr viele gute Sprünge gemacht, dort bin ich deutscher Meister geworden. Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen liegen für mich und mein Sprunggefühl auf dem gleichem Level, knapp dahinter kommt Bischofshofen. Die Bergisel-Schanze in Innsbruck mag ich grundsätzlich auch ganz gerne, aber sie ist sehr windanfällig, ich hoffe, dass es normal ist. Wenn dort normale Verhältnisse herrschen, ist das eine wunderbare Schanze für mich, das hat man ja bei der WM gesehen.“

Zuletzt brillierte der Norweger Halvor Egner Granerud, der die vergangenen fünf Weltcup-Springen in Serie gewonnen hat. Sind Sie in der Lage, ihn zu schlagen?

„Ich muss schauen, dass ich meine normalen Sprünge abliefere. Dann weiß ich, dass ich vor dem Granerud sein kann und auch vor ihm sein werde. Ich darf nur wenige Fehler machen und muss meinen Fluss, mein Fluggefühl ausspielen. Ich darf halt in keinem Sprung etwas liegen lassen. Ich weiß aber, dass ich genau das derzeit leisten kann. Bei der Tournee sind es vier Stationen. Wenn ich mein Zeug mache, weiß ich, dass ich weit nach vorne komme. Im Endeffekt muss ich entspannt und ruhig bleiben, auf die Trainer und mein Gefühl hören und mich nicht verrückt machen lassen, bloß weil der Granerud jetzt fünf Mal in Folge gewonnen hat. Irgendwann fängt auch der mal an zu überlegen... Ich werde mich bei der Tournee aber nur auf mich konzentrieren, nicht auf andere.“

Bei der Tournee sind in diesem Winter bei keiner Station Zuschauer zugelassen. Wie gehen Sie damit um?

„Ich werde die Zuschauer schon sehr vermissen, denn gerade die verleihen der Tournee ein besonderes Flair, speziell in Oberstdorf. Das pusht dann enorm. Ich springe in Oberstdorf auch wegen der Zuschauer vor Ort meistens gut. Aber wir haben bisher sehr viele Wettkämpfe ohne Zuschauer durchgebracht, das hat ganz gut funktioniert. Und wir wissen ja, dass die Zuschauer vor dem Fernseher sitzen. Das bringt auch Motivation. Insgesamt ist der Ablauf für uns grundsätzlich gar nicht so anders als in Nicht-Corona-Zeiten. Wir sind halt etwas eingeschränkt, aber das ist auch in normalen Jahren so. Denn auch da achten wir sehr darauf, dass wir uns keine Infekte einfangen. Wir versuchen aktuell teamintern alle Vorgaben zu erfüllen, um uns nicht mit Corona anzustecken. Wir haben Einzelzimmer. Tragen bei allen Gelegenheiten auf den Hotelfluren eine Maske, wir halten Abstand im Team. Wir machen unsere Teambesprechungen mittlerweile auch via Zoom, einfach, weil es ein bisschen sicherer ist. Ist mir eh lieber, wenn ich ein bisschen mehr Ruhe habe.“

Ihr Teamkollege Karl Geiger, mit dem Sie sich bisher in Nicht-Corona-Zeiten ein Zimmer geteilt haben, hat es erwischt, er wurde positiv auf Covid-19 getestet. Was bedeutet das für ihn?

„Natürlich hat es ihn und uns geschockt, dass er positiv auf Corona getestet wurde. Aber ich glaube, der Karl steckt das leicht weg. Denn es geht ihm gesundheitlich ja Gott sei Dank gut, er hat keinerlei Symptome. Vor den Weltcup-Springen im russischen Nischni-Tagil Anfang Dezember hat er auch schon eine Pause gemacht. Er kam dann zurück zur Skiflug-WM in Planica und rockte das Ding da, indem er Weltmeister wurde. Er weiß also, dass er sich auf seine Form verlassen kann. Er wird bei der Tournee auch um den Sieg mitspringen.“

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Haben Sie während der Weihnachtstage Ruhe finden können?

„Ja, ich habe es mir mit meiner Freundin und meiner Familie daheim gemütlich gemacht. Ich war froh, dass ich nach vier Wochen mal aus der Skisprung-Blase herausgekommen bin. Zuletzt war die Festplatte schon sehr voll. Es war schön, herunterzukommen und mal an was ganz anderes zu denken. Ich habe mich aber natürlich auch fitgehalten. Aber der Fokus lag auf der Regenration.“

Das Gespräch führte Stephan Klemm

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