Der Europameister von 1996 hat in einem Interview kein Blatt vor den Mund genommen. Eine Rückkehr auf die Trainerbank schließt er aus.
„Nur noch ein Maschinchen“Matthias Sammer rechnet mit dem deutschen Fußball ab

Matthias Sammer schaut gemeinsam mit seiner Ehefrau Karin den Bayern beim Basketball zu. (Archivfoto)
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Deutliche Worte von Matthias Sammer: Der ehemalige Nationalspieler hat die grundsätzliche Entwicklung des deutschen Fußballs scharf kritisiert. Eine Rückkehr auf die Trainerbank schloss der 57-Jährige aber auis.
„Wir Deutschen sind, wie man an unserer Fußballgeschichte sieht, immer mannschaftlich geschlossen, robust und kompakt aufgetreten“, erklärte der Europameister von 1996 im Interview mit dem kicker: „Wir hatten Einzelspieler, die Genies waren; aber als Mannschaft waren wir eine Maschine. Heute sind wir noch maximal ein Maschinchen.“
Matthias Sammer will nicht mehr Trainer werden
Matthias Sammer wird nicht mehr auf großer öffentlicher Bühne im Fußball arbeiten und bleibt im Hintergrund tätig. Der ehemalige Europameister, Trainer, Funktionär und TV-Experte ist weiterhin als Berater der Geschäftsführung von Borussia Dortmund tätig und soll Medienberichten zufolge dieses Engagement beibehalten. „Eine Rückkehr ins operative Geschäft ist für mich keine Option, außer ich wäre unglücklich mit meinem Leben und dem aktuellen Zustand“, sagte er.
Auch als Chefcoach wird man „Europas Fußballer des Jahres“ von 1996 nicht mehr sehen. „Eine Rückkehr als Trainer schließe ich aus. Und alles andere steht derzeit nicht zur Diskussion“, sagte Sammer, der seit 2018 beim BVB in beratender Funktion tätig ist und zuvor auch als Spieler und Trainer in Dortmund gearbeitet hat.
Matthias Sammer spricht von einer ordentlichen Bilanz der deutschen Teams
In der Analyse des deutschen Fußballs herrsche „eine falsche Interpretation vor“, fügte Sammer an und sagte weiter: „Wir haben keine Künstliche Intelligenz auf dem Platz, keine KI, sondern denkende und fühlende Menschen, die Selbstvertrauen und Abläufe brauchen.“
Angesprochen auf das Viertelfinal-Aus deutscher Klubs in den europäischen Wettbewerben und der Klub-WM sowie der deutschen Nationalmannschaft bei der Heim-EM 2024 antwortete Sammer, dass diese Bilanz „in Ordnung“ sei: „Aber wir sollten auf der Grundlage unserer Ansprüche schon noch umfassend sachlich-kritisch analysieren und hinterfragen, warum es nicht weiter ging.“
Matthias Sammer erkennt keine Identität
Für Sammer ist einer der Gründe, dass der deutsche Fußball „seine grundsätzliche Identität und damit wesentliche Stärken verloren“ habe. Sicherlich seien Veränderungen und Innovationen notwendig gewesen, diesen Aspekten sei jedoch in der Wahrnehmung und Argumentation „ein höherer Stellenwert zuerkannt als den traditionellen Stärken“, sagte der 57-Jährige.
„Diese wurden fälschlicherweise als Rumpelfußball, Fußball von gestern oder oldschool abgetan. Die Balance zwischen Innovation und Tradition, um unsere Identität zu bewahren, ist uns nicht geglückt“, sagte Sammer: „Bewusst provokativ stelle ich mir, wenn ich den deutschen Fußball gerade sehe, die Frage: Wofür steht der deutsche Fußball heute eigentlich? Ich kann es nicht erkennen.“
Sammer plädierte zudem dafür, bei Beurteilungen zu „differenzieren und kritisch-konstruktiv“ zu diskutieren. Ergebnisse dürften nicht künstlich beschönigt werden: „Im Schönreden sind wir noch immer stärker als in der kritischen Analyse.“ Der deutsche Fußball müsse „wieder lernen, Durchschnitt nicht als Weltklasse zu verkaufen“, erklärte Sammer. (mbr/sid)