Olympia 2024Das sind die Medaillenjäger aus Köln und der Region

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Mieke Kröger, Nelvie Tiafack, Sophie Weißenberg, Lasse Lührs

Mieke Kröger, Nelvie Tiafack, Sophie Weißenberg und Lasse Lührs wollen zu den Olympischen Spielen nach Paris.

Vier Sportlerinnen und Sportler aus der Region haben die besten Chancen, bei den Olympischen Spielen in Paris dabei zu sein.

Olympia liegt in der Luft. Die Spiele seien bereits „überall präsent, immer ein Thema“, sagt Sophie Weißenberg, Siebenkämpferin vom TSV Bayer 04 Leverkusen: „Alles ist ein bisschen mehr unter Strom, aber auf eine gute Art.“

Weltmeisterschaft, Siebenkampf, Frauen, Hochsprung, im nationalen Leichtathletikzentrum: Sophie Weissenberg aus Deutschland reagiert.

Sophie Weissenberg, Siebenkämpferin vom TSV Bayer 04, hofft auf eine Teilnahme bei den Olympischen Spielen in Paris.

Die 26 Jahre alte Sportsoldatin und Psychologiestudentin ist noch nicht direkt für Paris qualifiziert, kann nach Platz sieben im vergangenen Jahr bei der WM in Budapest und als Neunte der aktuellen Weltrangliste aber fast sicher davon ausgehen, einen der 24 Startplätze im olympischen Siebenkampf zu bekommen. „Es geht für mich ganz klar Richtung Olympia“, sagt sie: „Es ist greifbarer als je zuvor.“ Für die Spiele 2021 in Tokio konnte sie sich verletzungsbedingt nicht qualifizieren. Zwei Jahre zuvor hatte sie zum ersten Mal auf sich aufmerksam gemacht, sie war bei der U-23-EM Zweite geworden.

Drei Fehlversuche und dann auch noch Corona

Anschließend wechselte sie aus Neubrandenburg nach Leverkusen – und hatte zunächst viel Pech. Auf die verpasste Olympiaqualifikation 2021 folgte im Jahr darauf die erste WM-Teilnahme. Doch in Eugene leistete Weißenberg sich drei Fehlversuche im Weitsprung und musste alle Träume von einer guten Platzierung begraben. Kurz darauf bei der Heim-EM in München zwang das Coronavirus sie zur Aufgabe. „Ich wusste, dass mehr in mir steckt, aber ich konnte es nicht zeigen“, sagt Weißenberg. „Ich gehöre in die Weltspitze“

Im vergangenen Jahr in Budapest steigerte sie dann ihre Bestleistung auf 6438 Punkte und war damit nur einen Hauch von der direkten Olympiaqualifikation (6480 Punkte) entfernt. Vorher habe sie immer gedacht, die Konkurrentinnen seien „so krass“, erzählt Weißenberg. Aber bei der WM habe sie realisiert: „Ich bin eine von denen. Ich gehöre in die Weltspitze und kann die ganz oben ärgern.“ Genau das will sie in Paris wieder tun.


Nelvie Tiafack war knapp 16, als er das Boxen für sich entdeckte. Eigentlich wollte er nur abnehmen. Aber inzwischen, mit 25 Jahren, hat der Athlet vom SC Colonia nicht nur Speckpolster verloren und Muskelmasse zugelegt, sondern ist auch mit einem EM-Sieg im Superschwergewicht dekoriert und darf sich Hoffnungen auf eine Olympiateilnahme machen.

„Deutschland hat mir am Anfang nicht so gutgetan“, erzählt Tiafack, der mit seiner Mutter aus Kamerun einwanderte, als er acht Jahre alt war: „Ich habe mir alles gegönnt, Süßigkeiten und vor allem süße Getränke.“ Sein Trainer Lukas Wilaschek muss lachen bei der Erinnerung an Tiafacks Anfänge beim SC Colonia: „Er war stämmig, so ein richtiger Brocken. Bei seinen ersten Kämpfen hat er die Leute mit seiner Kraft besiegt, da war noch wenig mit Boxen. Zum Glück hat er später verstanden, wie das funktioniert.“

Europaspiele 2023, Boxen, Achtelfinale der Männer +92 kg. Tiafack (Deutschland)

Nelvie Tiafack will Ende Februar in Mailand sein Olympiaticket ziehen.

Erfolge stellten sich damals schnell ein: Nach drei Monaten Training nahmen die Coaches ihn mit zu den NRW-Meisterschaften, er holte zwei Siege, qualifizierte sich für die nationalen Titelkämpfe der Jugend, schlug dort den einen Konkurrenten im Superschwergewicht – und war Deutscher Meister. „Das ging schneller, als ich gucken konnte“, erzählt Tiafack. Ähnlich rasant ging es weiter: Bronze bei den Jugend-Weltmeisterschaften, erster nationaler Titel bei den Erwachsenen, Bronze bei den Europaspielen und schließlich sein bislang größter Erfolg: Gold bei den Europameisterschaften 2022. „Nelvie hatte von Anfang an keine Angst, er hat eine enorme Risikobereitschaft, er macht einfach sein Ding, egal gegen wen“, sagt Wilaschek: „Und das ist etwas, das du als Trainer nicht vermitteln kannst. Entweder hat ein Athlet diese Risikobereitschaft – oder eben nicht.“

Probleme in Schulter, Oberschenkel und Knie

Tiafacks Weg ist vorgezeichnet: Auf eine erfolgreiche Amateurkarriere folgt im Boxen das Profitum. Seine Jahre als Amateur sehe er als Zeit der Ausbildung, sagt der Kölner. „Und je besser der Abschluss, desto besser der Job, den ich hinterher bekomme.“ Heißt: Klappt es mit einer Olympiateilnahme, vielleicht sogar mit einer Medaille, steigt sein Marktwert als künftiger Profi. Doch ein Schritt nach dem anderen. Mit Platz drei bei den Europaspielen im vergangenen Sommer verpasste Tiafack die erste Chance auf ein Olympiaticket. Er hätte ins Finale kommen müssen. Anschließend fiel er für zwei Monate aus. Schulter, Oberschenkel, Knie – alles habe Probleme gemacht, erzählt er: „Mein Körper hat aufgegeben, da war dringend mal eine Wartungspause nötig.“

Die nächste Möglichkeit zur Paris-Qualifikation bietet sich Ende Februar bei einem Turnier in Mailand. Ein Platz unter den Top Vier würde reichen. Ansonsten bliebe ein weiteres Qualifikationsturnier im April in Thailand. Aber so weit will der gebürtige Kameruner nicht denken, er will so schnell wie möglich alles klar machen. Und dann? Wäre in Paris eine Medaille drin? Tiafack sagt: „Wofür fahre ich sonst da hin? Ich bin ja kein Trainer oder Physio.“


Die Qualifikation ist abgehakt für Lasse Lührs, jetzt darf der Triathlet von den Schwimm- und Sportfreunden Bonn träumen: vom Gewinn einer Medaille bei den Olympischen Spielen im Sommer in Paris. Der 27-Jährige ist überzeugt: „Das ist ein realistisches Ziel, wenn auch sehr hochgesteckt.“ Mit 19 Jahren siegte Lührs bei den Junioren-Europameisterschaften, und so setzte er nach dem Abitur alles auf die Karte Triathlon. Er ging nach Spanien, schloss sich dort einer internationalen Trainingsgruppe an, hielt sich mit ersten Einnahmen durch Sponsorenverträge und mit Preisgeldern über Wasser. „Mein Leben bestand hauptsächlich aus Triathlon, in Trainingslager musste ich nicht fahren, weil das Wetter in Spanien immer gut war, da hatte ich keine großen Kosten“, erinnert er sich.

Lasse Lührs, Schlussläufer des deutschen Teams, überquert beim Weltmeisterschaftsrennen die Ziellinie. Auf Bermuda schaffte es Lührs nun unter die besten Zehn.

Lasse Lührs setzte schon nach dem Abitur alles auf die Karte Triathlon.

Inzwischen hat Lührs einen Bachelor in BWL und lebt seit zwei Jahren in Bonn, er genießt die Zusammenarbeit mit seinem dortiger Trainer Christoph Großkopf. Die Corona-Jahre waren nicht einfach, wenige bis keine Wettkämpfe bedeuteten auch wenige Einnahmen. „Aber wenn es so läuft wie in den letzten zwei Jahren, kann ich mich absolut nicht beklagen“, sagt Lührs: „Auch wenn ich natürlich nicht reich werde, Triathlon ist kein Fußball.“

2022 schaffte er es in der Gesamtwertung der World Triathlon Series, dem Weltcup im olympischen Kurzdistanz-Triathlon (1,5 km Schwimmen, 40 km Radfahren, 10 km Laufen), als bester Deutscher auf Platz neun. „Das war für ich ein sehr großer Erfolg“, sagt Lührs. Im Winter darauf laborierte er an einer Verletzung, ein Knochenödem an Achillessehnenansatz bremste ihn vor allem beim Laufen aus. „Die Ergebnisse 2023 waren dann nicht ganz so gut wie im Jahr davor“, sagt Lührs. Aber Ende September gelang ihm im spanischen Pontevedra doch noch der Clou: Im Finale der World Series kam er auf Platz fünf – und erfüllte damit die Vorgabe (Top acht) des deutschen Verbandes für eine Olympianominierung. „Ich genieße es sehr, dass ich meine Vorbereitung auf die Saison mit der Gewissheit machen kann, in Paris dabei zu sein“, sagt Lührs.

Höhentraining in Windhoek

Den Februar wird er mit der deutschen Triathlon-Nationalmannschaft im Trainingslager in Namibia verbringen. Die Hauptstadt Windhoek liegt auf knapp 1700 Metern. „Da können wir auch im Winter ein Höhentraining absolvieren“, erklärt Lührs. Am 8. März will er in Abu Dhabi seinen ersten Wettkampf des Olympiajahres bestreiten, die Generalprobe für Paris ist für Mitte Juli beim Triathlon in Hamburg geplant. Besonders in Deutschland bekommen die Langdistanz-Triathleten in aller Regel mehr Aufmerksamkeit und bessere Sponsorenverträge als die Kollegen von der olympischen Distanz. „Aber ich bin glücklich auf der Kurzstrecke, das ist das spannendere Format“, sagt Lührs: „Selbst mir als Triathlon-Fan fällt es schwer, mir einen Ironman anzugucken, bei dem manchmal acht Stunden lang nicht viel passiert.“

Aber natürlich sind Stars wie die Hawaii-Sieger Jan Frodeno oder Patrick Lange eine Inspiration. „Ich will nicht ausschließen, mal einen Ironman auszuprobieren“, sagt Lührs. Irgendwann. Aktuell konzentrieren sich seine Träume ganz auf Paris.


Der große Triumph wurde möglich durch das Eingeständnis von Schwäche. Vor den Tokio-Spielen 2021 sei sie „mental ganz schön am strugglen“ gewesen, erzählt Mieke Kröger. Der Bundestrainer nahm sich Zeit für ein Gespräch – und Kröger fand den Mut, ein Problem auszusprechen. Das Resultat: der deutsche Bahn-Vierer der Frauen änderte seine Taktik, Kröger war wieder glücklich, und bei den Olympischen Spielen in Tokio fuhr das Quartett in der Mannschaftsverfolgung über drei Weltrekorde zu Gold.

Jetzt stehen die Spiele von Paris bevor. Die Bielefelderin Kröger lebt inzwischen in Hürth – und hat wieder eine Änderung vorgenommen: seit dieser Saison gehört die 30-Jährige keinem Straßenteam mehr an, sie konzentriert sich ganz auf die Bahn. Vom Gold-Vierer von Tokio sind neben ihr selbst noch Franziska Brauße und Lisa Klein übrig, Lisa Brennauer hat ihre Karriere beendet. Laura Süßemilch und Lena Reißner haben sich für den vierten Platz im Team in Position gebracht.

Ansprüche von außen sind hoch, das Team aber entspannt

Die Erwartungen an die deutschen Bahnrad-Frauen sind hoch in diesem Olympiajahr. „Es ist schon kurios, dass jetzt noch nicht mal mehr eine Medaille gut genug wäre“, sagt Kröger. So zumindest der gefühlte Anspruch von außen. Innerhalb des Teams hätten sie daher für sich festgelegt: „Wir haben ja schon Gold, wir müssen nichts mehr hinterherlaufen.“ Mieke Kröger ist mit ihren 1,83 Metern eine sehr hoch gewachsene Radrennsportlerin. „Ich bin so riesig und auch noch breit irgendwie, ich sehe auf der Bahn mit den Mädels immer aus wie die Entenmama mit ihren Küken“, sagt sie.

Die Mannschaftsverfolgung im Bahnradsport geht so: zwei Teams mit je vier Fahrerinnen oder Fahrern, genannt Bahn-Vierer, treten direkt gegeneinander an. Sie starten an den gegenüberliegenden Geraden der Radrennbahn und müssen jeweils 4000 Meter absolvieren, das sind 16 Runden. Gewonnen hat, wer die Strecke zuerst geschafft hat – oder die gegnerische Mannschaft einholt. Die Zeit wird nach der dritten Fahrerin gemessen, eine kann somit unterwegs ausscheiden. Ein Turnier, wie etwa das olympische, wird in der Regel über drei Runden (Qualifikation, Zwischenrunde, Finale) ausgetragen.

European Championships, Europameisterschaft, Bahn, Finale, 3000 Meter, Einzelverfolgung, Frauen, in der Messe München. Die deutsche Mieke Kröger jubelt über ihre Goldmedaille.

Mieke Kröger sagt: „Ich bin so riesig und auch noch breit irgendwie, ich sehe auf der Bahn mit den Mädels immer aus wie die Entenmama mit ihren Küken“

Die Taktik eines Bahn-Vierers lautet üblicherweise: jedes Teammitglied führt das Quartett für vier Runden an, im Optimalfall wird alle zwei Runden gewechselt. Jede Fahrerin ist also zweimal damit dran, Vollgas zu geben und die anderen im Windschatten mitzuziehen. Wer hinten fährt, kann sich erholen. „Aber ich konnte mich nach meiner ersten Führung nie richtig erholen“, sagt Kröger: „Ich bin mehr so ein Diesel, Tempowechsel liegen mir nicht so.“ Als sie sich 2021 endlich traute, das im Team zu thematisieren, hatte sie volle Rückendeckung für einen Test: Kröger übernahm als vierte Fahrerin die Führung und gab diese nicht nach zwei, sondern erst nach vier oder etwas mehr Runden wieder ab. Dafür ging sie danach raus und musste kein zweites Mal ran.

„Es hatte niemand damit gerechnet, wie geil das ist“, erzählt sie. Aber die Weltrekorde, olympisches Gold und die anschließenden Siege bei EM und WM zeugen davon. „Das hat mir so viel Sicherheit und Selbstvertrauen gegeben“, sagt Kröger, „seitdem fühle ich mich als starker Teil des Vierers“. Die Olympischen Spiele von Paris können kommen.

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