Realistische Idee?NRW und der Traum von den Olympischen Spielen 2028

Lesezeit 6 Minuten
imago73652958h

Mögliche Olympia-Spielstätte: Die Lanxess-Arena in Köln

Köln – Olympia in Deutschland, diese zuletzt zweimal von der Bevölkerung abgeschmetterte Idee hat in der Politik nichts von ihrer Magie verloren. Das zeigte sich zuletzt, als ein kleiner Funke, entzündet von dem Sportmanager Michael Mronz, eine Diskussion auslöste, die sich wie ein Buschbrand bis in den Landtag ausbreitete. Was ist passiert? Wie ist der Stand der Dinge? Wie könnte es weitergehen? Wir fassen zusammen.

Die Idee

Olympische Spiele 2028 in der Region Rhein/Ruhr, das wäre doch eine schöne Sache, hatte Michael Mronz in einem Interview angeregt. Das müsste auch gar nicht mal so teuer werden, da es in Köln, Düsseldorf, Dortmund und Umgebung ja schon eine Vielzahl an Stadien, Arenen, Sportstätten gebe. Diese vorhandene Infrastruktur berge das Potenzial, „ein Konzept zu entwickeln, das ökologisch und nachhaltig ist“, sagte Mronz jetzt noch einmal dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Er hat ein paar Zahlen schon mal grob überschlagen und kommt zu dem Ergebnis, dass in der Region 70 Prozent der nötigen Sportstätten bereits vorhanden sind (wir haben die Möglichkeiten in unserer nebenstehenden Grafik grob dargestellt). Schon jetzt könnten 600 000 Menschen in den bestehenden Stadien und Arenen begrüßt werden, erklärt Mronz. In Rio de Janeiro seien bei den Spielen in diesem Jahr 7,5 Millionen Tickets in 16 Tagen angeboten worden, also knapp 470 000 pro Tag. Das könne die Region Rhein Ruhr locker leisten, ohne einen einzigen Neubau. „Wir müssen die vorhandene Infrastruktur nur intelligent nutzen“, sagt Mronz. Etwa durch ein temporäres Schwimmbecken in der Düsseldorfer Esprit-Arena. Das olympische Schwimmen könnte dann vor so vielen Zuschauern stattfinden wie nie, nämlich 50 000. Was schön wäre für die Schwimmer und gut für die Zuschauer, da die Tickets so günstig verkauft werden könnten wie selten bei Olympia.

Reaktionen aus der Politik

Der Traum von Olympia vor der eigenen Haustür eint die Parteien, so viel steht fest. Dagegen ist niemand, schon gar nicht, wenn Aufmerksamkeit für die Region, ein globaler Imagegewinn und ein gehörigen Schubser für die Weiterentwicklung der Infrastruktur womöglich so günstig zu bekommen sind, wie Mronz es darstellt. Mitte September war die Idee Thema im Landtag, anschließend befasste sich auch der Sportausschuss damit.

In ungewohnt trauter Einigkeit beschlossen die Fraktionen: Schöne Sache. Würden wir gern weiterdenken. Oder wiederdenken. Denn für die Spiele 2012 hatte man es mit Düsseldorf und der Region ja schon einmal versucht, war aber in der nationalen Vorauswahl an Leipzig gescheitert. Das IOC entschied sich schließlich für London.

Und jetzt also 2028? Im Prinzip ja. Aber mit Bedacht. Sportministerin Christina Kampmann (SPD) will erst mal abwarten, bis der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) entscheidet, ob er sich überhaupt um die Austragung der Spiele 2028 bemühen will. Und der Sportausschuss hat beschlossen, weitere Diskussionen bis zum Herbst 2017 zurückzustellen und abzuwarten, wo die Spiele 2024 stattfinden (siehe Infokasten). „Denn die Chancen für Deutschland würden deutlich sinken, wenn eine europäische Stadt den Zuschlag für 2024 erhält“, sagt Sportexperte Holger Müller (CDU). Sein SPD-Kollege Rainer Bischoff formuliert deutlicher: „Sie wären gleich Null.“ Im Moment gilt aber Los Angeles als Favorit.

Skepsis in der Bevölkerung

Zweimal hat die Bevölkerung der Idee Olympia in Deutschland zuletzt eine Absage erteilt. Die Menschen in München und Garmisch Partenkirchen wollten die Winterspiele 2022 nicht, die Hamburger sagten Nein zu einer Bewerbung um die Sommerspiele 2024. Ist nicht davon auszugehen, dass Politikern und Sportfunktionären eine ähnliche Abfuhr von den in NRW lebenden Menschen droht? Zumal der Sport seinen Ruf in letzter Zeit arg ramponiert hat. Korruption und Doping – in ein solches System will der gemeine Steuerzahler sein Geld nicht investiert sehen.

Olympische Spiele müssten als Chance für die Region wahrgenommen werden, hält Rainer Bischoff dagegen. „Infrastrukturmaßnahmen, die sowieso nötig sind, würden schneller umgesetzt werden können als ohne Olympia“, sagt er. „Und es würden Bundesmittel zur Verfügung stehen, die wir sonst nicht erhalten würden.“ Michael Mronz sagt: „NRW ist ein sportbegeistertes Land.“ Er sei überzeugt, dass die Menschen mit einem „intelligenten Konzept und einer vernünftigen Kosten-Nutzen-Rechnung“ überzeugt werden könnten. Und er gibt zu bedenken: Olympia in Deutschland, das würde eine bessere Förderung des Spitzensports mit sich bringen, was wiederum auch dem Breitensport zugute käme. „Junge Menschen an Bewegung heranführen und ein Klima der Identifikation mit dem Sport schaffen, das ist etwas, das uns als Gesellschaft gut tut“, sagt Mronz.

Zurückhaltung beim DOSB

So richtig scheint man im deutschen Sport-Dachverband die olympischen Rückschläge von München und Hamburg noch nicht verarbeitet zu haben. Zumindest hält sich beim DOSB die Begeisterung für die Begeisterung der NRW-Politiker in Grenzen. Michael Vesper teilte auf Anfrage mit: „Natürlich freuen wir uns über die positive Olympia-Stimmung in NRW.

Allerdings ist es für den DOSB nach dem knapp gescheiterten Referendum vom November 2015 in Hamburg derzeit viel zu früh, um über eine erneute Olympiabewerbung – sei es für Sommer oder für Winter – nachzudenken.“ Und wenn man dann irgendwann nachdenkt, ist längst nicht gesagt, dass NRW den Zuschlag erhält. Denn das Hamburger Konzept war überzeugend und ebenfalls durchaus nachhaltig. „Das muss man bei aller Konkurrenz zugeben“, bestätigt gar SPD-Sportexperte Rainer Bischoff. Dort hätten die damals aktuelle Krise im Fußball-Weltverband Fifa, die Flüchtlingsproblematik und eine nicht gesicherte Finanzierung der Olympiapläne in geballter Wucht die Entscheidung der Bevölkerung beeinflusst.

Kritische Stimmen

Es gibt auch Menschen, die die Idee von Olympischen Spielen in der Region Rhein/Ruhr überhaupt nicht magisch finden. Sie glauben nicht an eine nachhaltige Kosten-Nutzen-Rechnung, nicht an die Chance, dass das Internationale Olympische Komitee sich für eine Region anstatt für eine schillernde Großstadt wie zuletzt Peking, London oder Rio de Janeiro entscheiden könnte und sie ahnen, dass eins der größten Probleme bei der Ausrichtung Olympischer Spiele, der Transport, in NRW ein Desaster würde.

Abgesehen davon, dass bei allen vorhandenen Stadien und Arenen einige kostenintensive Neubauten dennoch nötig wären: Etwa ein Leichtathletikstadion, das Olympische Dorf oder eine Strecke für die Wildwasserkanuten. Ulrike Nasse-Meyfarth, zweimalige Olympiasiegerin im Hochsprung, hält die Idee für „etwas sehr naiv. Das ist alles planlos ins Blaue geredet“, sagt sie. Beim Gedanken an eine Olympic Lane durch NRW, eine extra Fahrspur für Sportler, Funktionäre und Medien während der Spiele, schüttelt sie den Kopf. „Wir haben hier ja jetzt schon jeden Tag mit einem Verkehrschaos ohnegleichen zu kämpfen.“

Und jetzt?

„Wir sollten die Zeit bis 2017 nutzen und verlässliche Daten sammeln“, sagt Björn Kerbein, der sportpolitische Sprecher der NRW-FDP. Seine Fraktion bedauere die Entscheidung des Sportausschusses, nun erst einmal nichts zu unternehmen. Froh dürfte ihn daher stimmen, dass Michael Mronz nicht für ein Jahr die Füße still halten will. Er spricht von einer „Initiative aus der Mitte der Gesellschaft“, von Sponsoren, die bereit seien in eine „Rhein-Ruhr Olympic City“ und ein erstes Konzept bis 2017 zu investieren.

KStA abonnieren