Premier LeagueWie Mikel Arteta den FC Arsenal zum Spitzenteam formte

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Mikel Arteta

Mikel Arteta und Arsenal kämpfen diese Saison um die Meisterschaft.

Jahrelang galt der FC Arsenal in der Premier League als chancenlos im Meisterrennen – bis der Guardiola-Lehrling die Zügel in die Hand nahm.

Und plötzlich sind sie wieder Weltklasse: Auf die Frage nach ihrer Zufriedenheit mit der Team-Performance auf dem Rasen, Trainer Mikel Arteta sowie der Zusammenstellung des Kaders, würden sich beim FC Arsenal derzeit wohl nur die größten Pessimisten unter den „Gooners“ kritisch äußern.

Zwar ging das Duell gegen den Meisterschaftskonkurrenten Manchester City kürzlich chancenlos mit 1:4 verloren ging, ebenso wie die Tabellenführung. Doch bis zum 32. Spieltag verteidigten die Gunners ihren Spitzenplatz höchst beeindruckend: Nur neun von bislang 35 Spieltagen stand Arsenal nicht auf dem ersten Tabellenplatz.

Der Fußball beim FC Arsenal erinnert vor allem seit dieser Spielzeit an längst vergangene, erfolgreiche Tage. Der erste Meistertitel seit der „Invincible“-Saison 2003/04 - in der die Gunners kein einziges Spiel verloren - ist immer noch zum Greifen nah.

Mikel Arteta auf den Spuren von Arsène Wenger

Eine Tabellenkonstellationen wie die aktuelle – Einen Punkt hinter ManCity bei einem gespielten Spiel mehr – haben Arsenal-Fans lange nicht mehr erlebt. Vor zuletzt sechs Jahren erklang die Champions-League-Hymne im Emirates, seit dem glaubte lange niemand mehr, sich im Kreise der Besten zu befinden, wie es im Gesang der Hymne heißt. Von Chancen auf eine Meisterschaft konnte keine Rede  sein,

In dieser Saison also die Überraschung: Trainer Mikel Arteta ist auf dem besten Weg das zu erreichen, was vor ihm der Große Arsène Wenger letztmals geschafft hat - Arsenal im Spitzenfußball zu etablieren.  

Der Spanier spielt in dem Ensemble eine ganz besondere Rolle: Der 41-Jährige stand bereits als Spieler bei Arsenal unter Vertrag - fünf Jahre lang ordnete er das Mittelfeld eines Teams, das zu dieser Zeit unter anderem mit den deutschen Nationalspielern Lukas Podolski und Mesut Özil gespickt war.

Das englische Spitzenteam erinnerte schon damals nur noch teilweise an den „One-Touch“-Fußball, für den die Gunners lange national und international gefeiert und bewundert wurden. Der große Wurf sollte aber nicht gelingen.

Früher ordnete Arteta auf dem Feld, heute von der Seitenlinie

In seinen letzten beiden Jahren führte Arteta Arsenal als Kapitän aufs Feld, bevor er 2016 seine Spielerkarriere beendete. Nun ist der Spanier wieder da, um das große Ganze zu ordnen. Auch andere Klubikonen versuchten sich nach ihrer aktiven Karriere an der Seitenlinie. Andrea Pirlo, Frank Lampard und Thierry Henry wollten etwa als Trainer durchstarten, zeigten aber, dass es mehr braucht als eine große Karriere auf dem Feld, um ein großes Team zu coachen.

Mikel Arteta als Spieler bei Arsenal.

Arteta spielte 150 Mal für den FC Arsenal.

Arteta scheint es dagegen zu haben. Drei Jahre war er Co-Trainer bei Manchester City, coachte an der Seite von Pep Guardiola und lernte, was es heißt, die Verantwortung für ein Spitzenteam zu übernehmen. Er brachte bei seiner Arsenal-Ankunft nicht nur all die Erfahrungen innerhalb des Vereins sowie Erinnerungen an bessere Zeiten mit, sondern auch eine Spielidee, die an jene seines Lehrmeisters erinnern sollte.

Im Dezember 2019 übernahm der Spanier also Arsenal, das sich Tabellenplatz 11 wiederfand. Sein Vorgänger Unai Emery wurde entlassen, weil die Londoner auf dem besten Weg waren, die Saison außerhalb der „Big Six“ und den internationalen Plätzen zu beenden. Zuletzt war dies in der Saison 1995/96 passiert. Arteta schaffte es zwar, die Mannschaft zu stabilisieren, landete am Ende der Saison dennoch nur auf Platz acht.

„Er ist im positiven Sinne ein Freak“

Es sollte also etwas dauern, bis Arteta es schaffte seine Idee in der Mannschaft zu implementiert, sodass der Schüler sich in der Premier League auf die sportliche Jagd nach seinem Meister machen konnte.

„Dieser Trainer ist ein Genie, ein Fußball Genie“, sagte Arsenal-Linksverteidiger Kieran Tierney 2021 über seinen Cheftrainer Mikel Arteta. Granit Xhaka nannte ihn „im positiven Sinne einen Freak“. „Er sieht Details, die nicht viele andere Trainer sehen“.

Das „Fußball-Genie“, welches Tierney und Xhaka in Arteta sahen, sahen auch die Verantwortlichen. Sie stärkten ihrem Trainer den Rücken, erfüllten ihm Transferwünsche und unterstützten ihn auch bei kontroversen Entscheidungen, wie den Abschieden der ehemaligen Leistungsträger Mesut Özil und Pierre-Emerick Aubameyang.

Und die Umsetzung der Vorstellungen Artetas sollten sich auszahlen. 2021/22 holte der Teammanager Martin Ødegaard in sein Team. Der Norweger war schon mit 16 Jahren zu Real Madrid gewechselt. Nach mehreren Leihstationen in den Niederlanden und Spanien, kehrte er schließlich zu den Los Blancos zurück, setzte sich unter Zinedine Zidane aber nicht durch.

Zusammen mit Arsenal entwickelte er sich nun zum unangefochtenen Stammspieler und Kapitän der Gunners. Ødegaards Qualitäten passen perfekt zum Spielsystem Arsenals: Er ist ballsicher, hat ein tolle Passtechnik und ein unglaubliches Gefühl für Räume.

Martin Ødegaard jubelt nach seinem Treffer.

Martin Ødegaard ist Führungsspieler bei Arsenal.

Zusammen mit den Neuzugängen Gabriel Jesus und Oleksandr Zinchenko von Manchester City entwickelte die Mannschaft einen Ballbesitz-Fußball, hoch in der Hälfte des Gegners, wie er bis dahin an Mannschaften von Pep Guardiola erinnerte.

Hat Mikel Arteta aus Arsenal ein kleines Manchester City gemacht?

Dass Mikel Arteta und Pep Guardiola eine ähnliche Spielidee vom Fußball haben, dürfte dabei keine Überraschung sein: Beide durchliefen die Jugendabteilung von Barcelona - La Masia - und arbeiteten mehrere Jahre zusammen als Trainerteam.

In ihrem Wirken gibt es dennoch auch Unterschiede: Je weiter sich das Spiel Richtung gegnerisches Tor verlagert, desto mehr ändern sich die Konzepte, um zum Torerfolg zu kommen. Während City mit der Verpflichtung von Erling Haaland im Sommer immer öfter Halbfeldflanken auf den Norweger schlägt, versucht sich Arsenal bis in den Strafraum zu kombinieren und über 1-gegen-1 Duelle, Räume zu öffnen.

Welches System in dieser Saison vom Erfolg der Meisterschaft gekrönt sein wird, werden die letzten Spieltage im englischen Saisonfinale zeigen. Klar ist, dass der amtierende Meister von Manchester City es selbst in der Hand hat. Damit die Gunners den Premier League Titel noch bejubeln können, müsste City noch zweimal patzen. Bei nur noch vier verbleibenden Spielen und der aktuellen Form Citys, scheint dies unwahrscheinlich. Und trotzdem ist Arsenal so nah dran wie lange nicht mehr – und im Weltfußball wieder zu einem Spitzenteam geworden.

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