Skispringer auf RekordjagdWie Stefan Kraft den Skisprung-Weltcup dominiert

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Stefan Kraft bei einem seiner Siegflüge, hier segelt er im finnischen Kuusamo vorbei an schneebedeckten Nadelbäumen.

Stefan Kraft bei einem seiner Siegflüge.

Der Österreicher ist beim Skisprung-Weltcup nicht zu stoppen. Hinter ihm positionieren sich DSV-Springer, angeführt von Andreas Wellinger.

Die aktuelle Skispringer-Formel gleicht einem Countdown. Sie lautet: 4-3-2-1. Und so lässt sie sich auflösen: Vier Weltcup-Veranstaltungen gab es in diesem Spätherbst bereits auf drei Schanzen an zwei verschiedenen Orten, wobei es jeweils nur einen Sieger gab. Der heißt Stefan Kraft, ist 29 Jahre alt, kommt aus Schwarzach im österreichischen Pongau und dominiert seine Verfolger mit Sprüngen, die weit hinter der grünen Linie enden, die die Führungsweite per Laserstrahl jenseits des K-Punkts auf den Aufsprunghügeln in den Schnee legt.

Kraft ist keine unbekannte Größe in der Welt der Katapultspringer, doch eine derartige Dominanz ist selbst ihm fremd, dem Team-Olympiasieger von Peking 2022, dem dreimaligen Weltmeister, Tournee-Gewinner und Weltrekord-Halter im Skifliegen – aufgestellt in Vikersund, Norwegen, die Weite: 253,5 Meter. Kraft gewann die beiden Auftaktspringen auf der Großschanze von Ruka im finnischen Kuusamo, dazu den Wettbewerb von der kleinen und großen Anlage von Lillehammer im ebenfalls tief verschneiten Südostnorwegen.

Stefan Kraft euphorisch nach der Siegesserie: „Es ist unbeschreiblich“

Das Gefühl, das die Siege in Serie in ihm auslösen, beschreibt Kraft euphorisch: „Es ist unbeschreiblich, so eine Welle erleben zu dürfen. Dafür kann man eigentlich nur dankbar sein, strahlen, genießen und schauen, dass es so weiter geht.“ Wenn es so weiter geht, könnte Kraft einen Rekord seines einstigen und längst zurückgetretenen österreichischen Kollegen Thomas Morgenstern überbieten, der Ende 2007 gleich die ersten sechs Weltcupspringen in Folge gewann. Kraft betont, dass sein aktueller Lauf ihn sprachlos mache.

Kraft debütierte am 6. Januar 2012 beim Finale der Vierschanzentournee in Bischofshofen im Weltcup, doch es dauerte eine Weile und 50 Springen, bis er erstmals einen Erfolg feiern konnte – das geschah am 29. Dezember 2014 zum Tourneeauftakt in Oberstdorf. Die Serie konnte Kraft in jener Saison sogar gewinnen, sein einziger Triumph in diesem prestigeträchtigen Springerkonvent. Kraft zählt trotz einiger Phasen der Baisse zu den konstantesten Springern seiner Zeit, die aktuelle Serie ist Ausdruck eines stimmigen Systems, das sich mit der bekannten Tendenz zur Fehlerlosigkeit dieses stets lächelnden Athleten mischt.

Stefan Kraft jubelt nach einem weiteren gelungen Sprung.

Stefan Kraft jubelt nach einem weiteren gelungen Sprung.

Auffällig ist die innere Ruhe dieses 1,70 Meter kleinen und 56 Kilogramm leichten Menschen, die seinen Sprungstil, der nicht auf einem horrend kräftigen Absprung basiert, fördert. Kraft gleitet vielmehr gekonnt nach Art eines Segelfliegers in unteren Etagen den Hang entlang, wobei es seine besondere Fähigkeit ist, diese Phase sowohl bei Auf- als auch bei Rückenwind in Weite umzusetzen. Sein finaler Flug von Lillehammer am Sonntag wurde zudem einmal mit der Traumnote 20,0 und zweimal mit einer 19,5 bewertet – Kraft ist also auch in Sachen Ästhetik derzeit führend. Auffällig ist zudem, dass sich hinter Kraft ein deutsch-österreichisches Verfolgergrüppchen etabliert hat.

Vor allem die DSV-Springer fliegen in der Frühphase der Saison konstant und weit, allen voran der Oberbayer Andreas Wellinger, der sich als erster Kraft-Verfolger im Weltcup etabliert hat. Seine bisherigen Positionen: 4-3-2-2, macht 270 Punkte und Platz zwei im Weltcup, 130 Zähler hinter Kraft. Wellinger riss sich in der Sommervorbereitung 2019 das vordere Kreuzband im rechten Knie und brauchte lange, um den Anschluss an die Weltelite wieder zu schaffen, zu der er spätestens seit seinem Olympiasieg von Pyeongchang gehörte.

Andreas Wellinger ist Olympiasieger von 2018

Im Winter 2018 gewann er dort den Wettbewerb von der kleinen Schanze. Aufschwung der DSV-Springer In Lillehammer zeigte Wellinger (28) nach gelungener Sommervorbereitung wieder seine alte Klasse – Absprungstärke gepaart mit großem fliegerischem Feingefühl. Fast unerreicht segelte er am Olympiaort von 1994, Kraft jedoch konnte auch Wellinger nicht gefährden. „Zweiter hinter Stefan Kraft, mehr ist momentan nicht möglich“, sagte Bundestrainer Stefan Horngacher, der gleichwohl schon fünf Podestplätze für seine Springer Wellinger (3), Stephan Leyhe (1) und Pius Paschke (1) verbuchen konnte. Das gelang in der gesamten vergangenen Saison acht Mal.

Paschkes Leistungsaufwind verblüfft, denn er ist ein 33-jähriger Schanzenveteran, der es in Ruka als Zweiter hinter Kraft erstmals in seiner Karriere auf ein Podium schaffte. Karl Geiger aus Oberstdorf, der zuletzt immer zuverlässigste DSV-Springer, zeigt ebenfalls stark aufsteigende Tendenz. In Lillehammer belegte er zweimal Rang vier. Wellinger betont, dass die Stärke des Teams, zu dem derzeit der sechsmalige Weltmeister Markus Eisenbichler wegen Formschwäche zu Beginn der Saison noch nicht zählt, eine besondere Wirkung hat – die Leistung des einen pusht diejenige des anderen.

Andreas Wellinger freut sich über Rang zwei in Lillehammer.

Andreas Wellinger freut sich über Rang zwei in Lillehammer.

Horngacher zeigte sich in Lillehammer darüber erleichtert, dass seine Springer die Tendenz von Kuusamo bestätigen konnten: „Das war schon wichtig. Die Erwartungen steigen natürlich, und die Fehler steigen dann meistens auch. Ich bin sehr zufrieden, die Jungs sind sortiert.“ Am kommenden Wochenende steigen zwei Einzelwettbewerbe in Klingenthal im sächsischen Vogtland.

Dort sprang Eisenbichler als bisher letzter Deutscher unter die besten Drei. Der Bayer hofft nun auf die Rückkehr in den A-Kader. Horngacher hat die freie Auswahl.

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