Interview mit Viktoria-Trainer Olaf Janßen„Die Situation ist zu ernst, um zu träumen“

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Olaf Janßen gibt am Samstag in Ingolstadt sein Drittliga-Debüt bei Viktoria.

Köln – Herr Janßen, vor fast genau drei Jahren wurden Sie schon einmal als Viktoria-Trainer vorgestellt. Was hat sich seither verändert? Der ganze Verein hat sich natürlich weiterentwickelt und enorme Schritte nach vorne gemacht. Die Infrastruktur hat sich stark gewandelt, es ist einiges entstanden in meiner Abwesenheit. Und die Mannschaft spielt nun Dritte Liga. Das war für den FC Viktoria ein entscheidender Meilenstein.

Ihr Abschied im Sommer 2018 erfolgte ziemlich abrupt, als Sie Bruno Labbadia als Co-Trainer zum VfL Wolfsburg begleiteten. Ich habe mit Bruno ja bereits beim 1.FC Köln zusammengespielt und schon immer eine enge Verbindung zu ihm gehabt. Als dann die Anfrage kam, ob ich mit ihm nach Wolfsburg gehen möchte, musste ich mich natürlich mit dem Angebot beschäftigen. Denn die Bundesliga ist ja schon ein reizvolles Feld. Dass die Viktoria damals nicht unbedingt begeistert von meiner Entscheidung war, ist verständlich. Die Gespräche verliefen aber sehr fair, ansonsten wäre ich ja jetzt nicht wieder hier.

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Olaf Janßen war zuletzt als Assistent von Bruno Labbadia in Berlin tätig.

Im April zog es Sie gemeinsam mit Labbadia zu Hertha BSC Berlin. Dort wurden Sie vor knapp zwei Wochen freigestellt. Wie würden Sie die Zeit in Wolfsburg und Berlin zusammenfassen? Wir haben definitiv das ganze Spektrum des Fußballs abgedeckt: Mit dem VfL haben wir die Europa League erreicht, das war natürlich eine unglaubliche Erfahrung. Dann kam Corona, anschließend haben wir Hertha vor dem Abstieg gerettet, vor einigen Tagen wurden wir freigestellt. Es waren alles Erlebnisse, die ich mitnehme und die man in keinem Fußball-Lehrbuch nachschlagen kann.

Nun sind Sie zurück bei der Viktoria. Nach all Ihren Erfahrungen in den vergangenen Jahren: Ist die Dritte Liga nicht ein Rückschritt für Sie? Überhaupt nicht, denn ich stehe hier vor einer Aufgabe, die mich unheimlich reizt. Da ist es mir auch völlig wurscht, ob ich als Jugendleiter, Sportvorstand oder Trainer arbeite. Entscheidend ist doch die Identifikation mit einer Sache und die Menschen, die einen dabei begleiten.

Zur Person

Olaf Janßen (54), geboren in Krefeld, absolvierte von 1985 bis 1996 insgesamt 209 Bundesliga-Spiele für den 1. FC Köln (16 Tore). Weitere Profi-Stationen: Eintracht Frankfurt und AC Bellinzona. Als Assistent von Berti Vogts arbeitete Janßen fünf Jahre für die Nationalmannschaft von Aserbaidschan (2008-2013). Weitere Trainerjobs: Dynamo Dresden, VfB Stuttgart und FC St. Pauli. Zudem war er als Assistent von Bruno Labbadia  beim VfL Wolfsburg und  Hertha BSC Berlin tätig.  (ol)

Anfang 2018 haben Sie die Mannschaft auf Platz eins der Regionalliga übernommen, jetzt als 14. der Dritten Liga. Welche Ziele haben Sie? Das ambitionierteste Ziel wäre es natürlich, mit Viktoria Köln weiter ungeschlagen zu bleiben, immerhin habe ich damals kein einziges Spiel verloren (lacht). Aber Spaß beiseite: Das oberste Ziel ist der Klassenerhalt, und dieses Vorhaben wird brutal schwer in dieser Liga.

Kennen Sie sich in der Liga aus? In den vergangenen Jahren durften Sie sich ja mit anderen Kalibern beschäftigen. Für den ein oder anderen Blick blieb zwischendurch schon Zeit. Am Ende des Tages ist es ja vom Prinzip kaum etwas anderes, als sich auf einen Gegner vorzubereiten und ihn zu analysieren.

Vor der Saison lautete Viktorias Credo, sich sportlich verbessern zu wollen. Warum ist aus diesem Ziel bislang noch nichts geworden? Weil die Qualität einzelner Spieler nicht gleichbedeutend mit einer guten Mannschaft ist. Ich finde, dass dieser starke Kader sein wahres Potenzial nicht immer aufs Feld transportiert hat. Und das Spiel gegen den Ball muss besser werden. Das sind für mich die wesentlichen Aspekte.

Wo sehen Sie Ihr neues Team am Ende der Saison? Ehrlich gesagt mache ich mir um diese Frage aktuell überhaupt keine Gedanken, denn die Situation ist viel zu ernst, um ins Träumen zu geraten. Wichtig ist, dass wir Stabilität rein bekommen.

Ihr Vorgänger Pavel Dotchev war ein Verfechter des offensiven Fußballs. Für welche Philosophie stehen Sie? Mein Motto lautet: Laufe nicht zu viel dem Ball hinterher und behalte ihn lieber selbst. Denn dann kann der Gegner auch kein Tor erzielen. Aggressives Verteidigen halte ich für unerlässlich.

Zuletzt gab es Spannungen, weil sich einige zum Teil namhafte Fußballer auf der Bank wiederfanden. Ist es eine Herausforderung für Sie, sämtliche Spieler des Kaders zufrieden zu stellen? Damit habe ich überhaupt kein Problem, denn bei mir hat jeder die gleiche Chance, sich zu beweisen und seine Qualitäten einzubringen. Aber die Jungs wissen, dass ich wenig Zeit und Spielraum habe, um mich mit möglichen Einzelschicksalen zu befassen. Im Moment habe ich aber das Gefühl, dass die Mannschaft will und prima mitzieht.

Ein Problem der Viktoria war die Instabilität der Defensive. Wie wollen Sie diese Anfälligkeit in den Griff bekommen? Ich habe da schon meine Ideen. Wir werden am Samstag sehen, ob sie auch von Erfolg gekrönt sein werden (lacht).

Sie gastieren beim Tabellenzweiten FC Ingolstadt. Hätten Sie sich einen leichteren Gegner zum Einstand gewünscht? Sie wissen sicher selbst, dass Fußball kein Wunschkonzert ist und sich der Spielplan auch nicht verändern lässt. Entscheidend ist, dass wir die Aufgabe annehmen und erfolgreich sind.

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Sie leben mit Ihrer Familie in Hürth. Wie fühlt es sich an, häufiger zu Hause zu sein? Natürlich herausragend! Man kennt die Menschen hier, alle freuen sich und man muss sich kaum umgewöhnen. Das macht es einem neuen Trainer leichter, sich einzufinden.

Müssen sich Viktorias Anhänger sorgen, dass Bruno Labbadia demnächst wieder einen neuen Job annimmt? Bruno würde ich es sehr gönnen, wobei ich weiß, worauf Ihre Frage abzielt. Gehen Sie einmal davon aus, dass wir alles vernünftig abgesprochen haben. Selbst bei einem noch so tollen Angebot, wird meine Entscheidung pro Viktoria ausfallen.

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