Wigald Boning über ein Jahr Marathonlaufen„Ich habe mich selbst beschimpft“

Wigald Boning lief ein Jahr lang jede Woche einen Marathon.
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Köln – Ein Jahr lang lief Wigald Boning jede Woche einen Marathon. Nun hat der Komiker sein Buch „Lauf, Wigald, Lauf“ veröffentlicht, in dem er aus seinem Leben als rekordverdächtiger Läufer erzählt. Ein Gespräch über gutes Schuhwerk, seine Lieblingsstrecke im Rheinland und den inneren Schweinehund.
Herr Boning, ich scheitere schon daran, mich zum Treppensteigen zu motivieren, wenn es einen Fahrstuhl gibt. Sie sind ein Jahr lang jede Woche einen Marathon gelaufen. Wie zur Hölle haben Sie das geschafft?
Also die erste Hälfte lief auch ohne besondere Motivation. Ich bin relativ problemlos in mein Marathonjahr gestartet, da kam direkt eine Euphorie in mir auf. Hintenraus wurde es härter, da habe ich dann alles Mögliche probiert: Ich habe mich selbst beschimpft, bin mit anderen zusammengelaufen oder habe mir neue Routen ausgedacht. Was ich übrigens uneingeschränkt empfehlen kann, ist die Selbstbelohnung. Am besten mit Speiseeis, gerne auch präventiv am Abend vor dem Marathonlauf.

Mal ohne Läuferdress: Wigald Boning bei einer Preisverleihung in Köln.
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Vor Ihrem Marathonjahr sind Sie schon quer durch den Bodensee geschwommen, fuhren 24 Stunden lang Mountainbike und absolvierten einen 100-Kilometer-Lauf. Was reizt Sie an solchen Herausforderungen?
Dass sehr viel von einem selbst abhängt. Es ist eine Fleißaufgabe, fast wie das Auswendiglernen in der Schule. Das ist ein schöner Ausgleich zu meinem Berufsleben. Als Humorfachkraft denke ich mir ja etwas aus und dann ist es weitgehend Glückssache, ob sich dafür ein Publikum findet. Beim Ausdauersport hab ich’s hingegen selbst in der Hand.
Waren Sie denn schon immer ein Sportass?
Ich war immer sportbegeistert, aber ein Ass war ich nicht. Als Jugendlicher hat mich das auch geärgert. Ich musste mich mit meiner Durchschnittlichkeit erst anfreunden.

Wigald Boning in Aktion.
Copyright: Jörg Koch / Verlag Gräfe und Unzer
Und würden Sie sich heute als Extremsportler bezeichnen?
Extremsport ist immer etwas Subjektives. Für manche sind 50 Meter auf Krücken schon extrem. Andere können Dutzende Kilometer laufen, ohne eine Überlastung zu spüren. Ich weiß gar nicht so recht, ob diese 52 Marathonläufe extrem waren für mich. Ein Grenzgang waren sie jedenfalls.
Wie kamen Sie überhaupt darauf, ein Jahr lang jede Woche einen Marathon zu laufen?
Meinen ersten Marathon bin ich 2001 gelaufen. Schon damals hatte ich den Gedanken, dass man das mal ein ganzes Jahr lang machen sollte. Ich dachte aber, das wäre nur etwas für hochbegabte Titanen. Außerdem fehlte mir die Zeit. Dann kam Corona, ich hatte plötzlich keine Liveauftritte mehr und viel Zeit für andere Dinge. Als die Generalprobe reibungslos funktionierte, habe ich begonnen, die Herausforderung ernst zu nehmen.
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Und Sie begannen, über den Selbstversuch ein Buch zu schreiben, das jetzt erschienen ist – pünktlich zum Beginn der Laufsaison. Ist das auch ein Ratgeber für Menschen, die mit dem Laufen anfangen wollen?
Es ist eher eine Inspirationsquelle. Für einen echten Ratgeber ist das, was ich da ein Jahr lang getrieben habe, schlicht zu ungesund. Laufanfänger sollten sich da eher auf systematischen Trainingsaufbau verlassen, mit festen Zyklen und einem ausgewogenen Verhältnis zwischen Belastung und Erholung.
52 Marathons in einem Jahr würden Sie also keinem empfehlen?
Null. Gar nicht! Zumal das hintenraus nur bedingt Spaß macht.

Das Buchcover
Copyright: Jörg Koch
Auch wenn Ihr Buch kein Ratgeber ist; lassen Sie uns mal ein paar Empfehlungen herausdestillieren. Im Laufe des Experiments wurde Ihre Ausrüstung immer aufwendiger. Wie viel Geld haben Sie für Ihre Marathons ausgegeben?
Ach, das war recht wenig. Ich bin niemand, der zum Beispiel vorschnell Schuhe austauscht. Es gibt Experten, die sagen, man solle nach 500 gelaufenen Kilometern seine Schuhe wegwerfen. Da denke ich mir immer: Wie bescheuert ist das denn?
Wer laufen gehen will, muss also kein Materialsportler sein?
Nein. Ich denke da an den Marathonläufer Abebe Bikila, der seine Goldmedaille bei den Olympischen Spielen 1960 barfuß erlief. Und das in einer Zeit, mit der man heute noch viele Marathons gewinnen würde!
Viele Anfänger vertrauen lieber auf eine professionelle Laufberatung und geben viel Geld für die perfekten Marathonschuhe aus. Haben Sie so etwas auch ausprobiert?
Vor zwanzig Jahren habe ich das mal gemacht, da hatte ich dann für einige Zeit orthopädische Einlagen in den Schuhen. Im vergangenen Jahr wollte ich aber möglichst ohne Stütze laufen. Mein Fuß sollte die Muskeln, die er braucht, gefälligst selbst aufbauen.
Zur Person: Wigald Boning

Wigald Boning
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Wigald Boning, 1967 in Niedersachsen geboren, wurde durch das Comedy-Format „RTL Samstag Nacht“ bekannt. Seit seinem Durchbruch moderierte er verschiedene TV-Shows und tourte mit diversen Bühnenprogrammen durch Deutschland. Zudem ist er begeisterter Ausdauersportler. Über sein Marathon-Experiment hat Boning das Buch „Lauf, Wigald, lauf“ geschrieben. (fex)
Ihr dauerhafter Begleiter durch alle Marathonläufe war dennoch der Schmerz. Wie haben Sie es geschafft, weiter zu laufen?
Es gibt einen Schmerz, den ich als ausgesprochen positiv empfinde. Alles, was in Richtung Muskelkater geht, genieße ich. Dann gab es aber auch Schmerzen, die ich beim Laufen gar nicht gespürt und erst bemerkte, wenn ich mich darauf konzentriert habe. Meine Schulter war so ein Fall. Solange ich mich nicht auf sie konzentriert habe, war alles in Ordnung.
Die Langeweile als schärfste Waffe des Schweinehunds
Was sich ebenfalls eingeschlichen hat, waren Langeweile und der innere Schweinehund. Welches davon ist der schlimmere Gegner?
Die sind miteinander verwandt. Die Langeweile, würde ich sagen, ist eine der schärfsten Waffen des inneren Schweinehunds (lacht).
Der Schweinehund hat sich Ihnen aber erst spät offenbart, oder?
Naja, der ist ja eine Art Beharrungsvermögen, das einem einflüstert: Komm, die Couch ist doch gemütlicher. Ihn zu bekämpfen ist Gewöhnungssache. Irgendwann denkt man gar nicht mehr drüber nach, weil das Marathonlaufen eine Routine geworden ist, fast wie das Zähneputzen. Langeweile ist hingegen ein Problem, das sich mit den langen Strecken erst einstellt.

Auch aufs Mountainbiken versteht sich der sportverrückte Wigald Boning (hier auf einer Messe in München).
Copyright: imago/Future Image
Wie haben Sie die bekämpft?
Ich habe mich beim Laufen auf meine Umwelt konzentriert, da gab es immer viel zu entdecken. Das Wetter, die Klänge, Wolkenbilder. Und dann halfen mir auch meine musikalischen Mantras.
Musikalische Mantras?
Ja! Ich höre beim Laufen keine Musik, das bringt mich nur aus meinem Rhythmus. Stattdessen entsteht aus meinen Atemzügen ein Geschnaufe und Gepfeife. Das sind meine musikalischen Mantras.
Sind das immer neue Melodien?
Das ist bei jedem Lauf anders. Ich hab‘ mit meinen besonderen Melodien auch schon Freunde verstimmt, die irgendwann zu mir sagten: Ach Wigald, jetzt halt doch endlich mal die Klappe (lacht).
Das nächste Ziel: 100 Meilen
Das Jahr Marathonlaufen ist jetzt vorbei. In diesen Tagen sitzen Sie viel im Zug, sind bald auf Tournee und bewerben Ihr Buch. Kribbelt‘s da manchmal in den Fußsohlen?
Total, aber das integriere ich ja in meinen Alltag. Wenn ich aus dem Zug steige, rufe ich kein Taxi, sondern laufe erstmal los. Bis ich an dem Ort bin, an dem ich erwartet werde. Außerdem steht im Juni ein neues sportliches Ziel an. Mein Freund Hannes hat mich zu einem 100-Meilen-Lauf überredet.
Wie bereiten Sie sich darauf vor?
Im Moment laufe ich wieder täglich. Es könnte nur etwas mehr sein. Aber vielleicht lassen sich 100 Meilen auch gar nicht richtig trainieren. Die Frage ist ja: Packe ich eine kleine Luftmatratze mit in den Rucksack? Plane ich mit einer Übernachtung zwischendurch oder nicht? Mit meiner dünnen Trainingsdecke habe ich mich jetzt mal dafür entschieden (lacht).
Zum Schluss noch ein Lauftipp für unsere Leser: Haben Sie eine Lieblingsstrecke im Rheinland?
Meine Traditionsstrecke hier beginnt am Kölner Hauptbahnhof und führt bis nach Düsseldorf an den dortigen Hauptbahnhof. Das sind ziemlich genau 42 Kilometer, also ungefähr ein Marathon.
Von Köln nach Düsseldorf? Da wird sich mancher aber schwer tun…
Ich weiß, ich weiß. Ich stehe da als neutraler Beobachter zwischen den Städten und kann diese Laufstrecke auch als friedensstiftende Tätigkeit nur empfehlen! (lacht)