WM-KommentarDie Leichtathletik hat Glanz, Größe und Bedeutung von einst verloren

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Das Stadion der Leichtathletik-WM von Doha

  • Früher waren die Athleten Stars, die jeder kannte - heute kennt sie kaum einer.
  • Korruption, Dopingskandale und Kurzsichtigkeit haben der Sportart schwer geschadet.
  • Das Massenphänomen Fußball duldet keine anderen Disziplinen neben sich.

Köln – Es gab eine Zeit, in der Leichtathletik eine große Sache war. Man muss, um sie zu finden, nicht einmal zurückgehen in die ganz große Ära, in der deutsche Leichtathleten Volkshelden waren. Sozusagen jedes Kind kannte Herbert Schade, den legendären deutschen Langstreckler, der sich nach dem Zweiten Weltkrieg mit Emil Zatopek maß. Oder Armin Hary, denn blonden 100-Meter-Weltrekordler.  Oder Heide Rosendahl, den Liebling der Spiele von München 1972. Auch Harald Schmid war jedem ein Begriff und Ulrike Nasse-Meyfarth, Heike Henkel, Dieter Baumann, Carlo Thränhardt und so weiter und so weiter. Man kann Zeitungsseiten voll schreiben mit diesen Namen, deren Bedeutung über das Sportliche weit hinausging.

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Armin Hary bei seinem Weltrekordlauf von 10,0 im Jahr 1960

Wir könnten allerdings auch  auf die Kölner Schildergasse gehen und Menschen darum bitten, die Namen von drei aktuell wichtigen deutschen Leichtathleten zu benennen oder von internationalen Stars, die bei der Leichtathletik-WM in Katar von Freitag an im Rampenlicht stehen. Von 100 Befragten würden das vielleicht fünf hinkriegen, vermutlich aber  weniger. Denn die Wahrheit ist: Leichtathletik ist aus dem Bewusstsein einer breiten Öffentlichkeit verschwunden. Und daran werden auch die schönen Bilder nichts ändern, die uns ARD und ZDF zehn Tage lang in stundenlangen Sitzungen  auf die Endgeräte liefern.  Es wird spannende Wettkämpfe geben,  große Siege, dramatische Niederlagen, berührende Geschichten hinter ihnen, von denen auch wir berichten. Und schon einen Tag danach wird alles wieder  keine Rolle spielen.

Die Stars saßen bei Thomas Gottschalk auf der Couch

Früher war das anders. Da lieferte sich der 400-Meter-Hürdenläufer Harald Schmid aus Gelnhausen großartige Duelle mit dem unschlagbaren Edwin Moses aus Dayton/Ohio, und danach pflegten solche Stars dieser Zeit neben Thomas Gottschalk auf dem Sofa von „Wetten, dass...?“ zu sitzen. Mehr als 20 Millionen Menschen schauten zu und  wussten Bescheid.

Im Jahr 2019 gibt es keinen Harald Schmid mehr, keinen Edwin Moses, kein „Wetten, dass...“, die Leichtathletik ist eine im Alltag nur auf Bezahlkanälen zu sehende Leistungsshow, deren Siegerlisten erst Jahre später nach Auswertung der Dopingproben mit den Mitteln der Zukunft feststehen. Sie wurde zerstört durch Funktionäre, die unprofessionell, kurzsichtig, korrupt oder alles gleichzeitig waren. Und natürlich wurde sie, wie alle anderen Sportarten, niedergewalzt vom Massenphänomen Fußball, das Beachtung anderer Sportarten neben sich in unserem Land kaum noch zulässt. Vermutlich ist das einzige, was ein oberflächlich  interessierter Deutscher vom aktiven Sport neben Fußball noch kennt, der Name Roger Federer.

 Aber jetzt freuen wir uns erst einmal auf die Tage von Doha.

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