Wen sollen wir wählen, damit es weitergeht mit inklusiver Bildung? Ein Gastbeitrag des Vereins mittendrin e.V.
mittendrin e.V.Köln kann Inklusion – aber will Köln auch?

Mit fünf Wahlprüfsteinen werden die Parteien in Sachen Inklusion gecheckt.
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Köln rühmt sich gern für seine Offenheit und Vielfalt – doch viele Kinder mit Behinderung erleben aktuell genau das Gegenteil. Sie finden keinen wohnortnahen Platz in einer Regelschule, obwohl das Gemeinsame Lernen laut Schulgesetz Vorrang hat. Statt selbstverständlicher Inklusion erfahren sie oftmals Zurückhaltung und freundliche Wegberatung, und das oft schon beim ersten Informationsgespräch in der Schule. „Das trauen wir uns nicht zu, wahrscheinlich ist die Förderschule besser für das Kind.“, müssen viele hören.
Das verletzt nicht nur ein Grundrecht. Für viele Kinder und Eltern ist diese Ablehnung ein prägendes, oft traumatisches Erlebnis. Sie hinterlässt das Gefühl: Du gehörst nicht dazu. So entsteht der Wunsch nach einem Schutzraum, den eine inklusive Gesellschaft eigentlich überflüssig machen sollte. Kein Wunder, dass viele Eltern sich den Erhalt von Förderschulen wünschen.

Demonstration für Inklusion anlässlich des Welt-Down-Syndrom-Tags am 21.März 2025 in Köln.
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Auch wenn Familien das Glück haben, einen Platz an einer inklusiven Schule zu bekommen, müssen sie oft Abstriche machen: keine Ganztagsbetreuung, keine Therapien und oft sehr lange Schulwege. Weil Köln spart, werden seit 2019 die Anträge auf Schülerbeförderung zur inklusiven Schule sehr streng geprüft und nur selten bewilligt. An Förderschulen dagegen gehören Therapien, Ganztag und organisierte Fahrdienste zum Standard. Das führt dazu, dass sich viele Familien Inklusion schlicht nicht leisten können – und damit wird die Behauptung, es gebe ein Elternwahlrecht, zur Farce.
Köln kann inklusive Bildung – das wissen wir aus Erfahrung
Gerne erinnern wir uns an die Jahre nach 2010, als Inklusion in Köln wirklich gewollt war und Dinge möglich gemacht wurden. Köln war lange Zeit Vorreiter in Sachen inklusiver Bildung. Einige Kölner Schulen zeigen auch heute jeden Tag, wie gut Inklusion funktioniert. Doch allgemein hat in den letzten Jahren das Engagement für inklusive Bildung stark nachgelassen. Es fehlt an Ermutigung der Eltern, für ihre Kinder den inklusiven Weg zu gehen. Es fehlt an Initiative, sie dabei zu unterstützen Und es fehlt an Maßnahmen, die Inklusion an den Kölner Schulen zu fördern und weiterzuentwickeln.
Am 14. September ist Kommunalwahl in Köln
Jetzt ist der Moment, um die Richtung der Kölner Schulpolitik neu zu bestimmen. Köln braucht eine verlässliche, mutige und planvolle Politik, damit inklusive Bildung nicht nur auf dem Papier existiert – sondern für alle Kinder Realität wird.
Fünf Wahlprüfsteine – fünf zentrale Fragen an die Politik
Damit sich Eltern, Bürgerinnen und Bürger ein klares Bild machen können, haben wir allen demokratischen Parteien in Köln fünf Wahlprüfsteine geschickt und ausgewertet: Die Grafik zeigt: Wer steht klar für Inklusion – wer zögert – und wer hält am Sondersystem fest?
Die fünf Wahlprüfsteine des mittendrin e.V.
1. Ausbau inklusiver Bildung
Ich stehe dafür, dass inklusive Bildung in Köln wieder gestärkt und planvoll ausgebaut wird, damit alle Kölner Schüler*innen zu ihrem Recht auf gute inklusive Bildung kommen.
2. Mehr Inklusion statt neue Förderschulen
Ich bin der Meinung, dass 16 Jahre nach Rechtsgültigkeit der UN-Behindertenrechtskonvention der Weg eindeutig in Richtung inklusive Schule gehen muss. Die Eltern haben die Wahl und Anspruch auf gute Schule. Die Erweiterung des Förderschulsystems durch den Bau zusätzlicher Förderschulen ist 16 Jahre nach Rechtsgültigkeit der UN-Behindertenrechtskonvention aber nicht mehr vertretbar
3. Entlastung der Förderschulen durch starke Inklusion
Ich will die Förderschulen Geistige Entwicklung entlasten, indem wir die inklusive Beschulung attraktiver machen. Dafür werde ich die Handlungsempfehlungen des Expert*innenbeirats Inklusion umsetzen.
4. Gerechte Schülerbeförderung
Ich werde eine gerechte Gestaltung der Schülerbeförderung realisieren. Schüler*innen mit Behinderung sollen möglichst wohnortnah in Schulen des Gemeinsamen Lernens beschult werden. Für alle Schüler*innen, die aufgrund ihrer Behinderung den Schulweg nicht alleine bewältigen können, werden wir einen Schulbusverkehr einrichten – egal ob Förderschule oder inklusive Schule.
5. Aktionsplan für inklusive Bildung
Ich werde dafür sorgen, dass die Stadt Köln einen Aktionsplan für den Ausbau der inklusiven Bildung erstellt mit konkreten Zielen, Maßnahmen und Verantwortlichkeiten. Köln soll weiterhin Vorreiter in Sachen inklusiver Bildung sein. Wir wollen an den engagierten Start in den Jahren nach 2010 anknüpfen.
Warum Inklusion wichtig ist – für alle
Inklusive Bildung ist kein Luxus, keine pädagogische Modeerscheinung und keine Ideologie. Sie ist ein Menschenrecht. Und sie ist ein Gewinn für alle – weil sie Vielfalt als Stärke begreift. Inklusive Schulen sind Orte, an denen Kinder gemeinsam lernen, Unterschiede respektieren und ein Miteinander leben, das unsere Gesellschaft dringend braucht. Doch dafür braucht es politische Entschlossenheit, klare Strukturen – und eine Stadt, die bereit ist, Verantwortung zu übernehmen.
Aufruf an alle Kölner Bürgerinnen und Bürger
Gehen Sie am 14. September wählen. Fragen Sie nach. Und setzen Sie ein Zeichen für ein Köln, in dem alle Kinder dazugehören.
Weitere Informationen und ausführliche Antworten der Parteien finden sich auf dieser Website.
Über mittendrin e.V.
Seit 18 Jahren setzen wir uns für das Recht auf Inklusion in Schule und anderen Bereichen des Lebens ein. Weil wir der festen Überzeugung sind, dass jeder Mensch dazugehören sollte. Weil Vielfalt kein Sonderfall ist, sondern Normalität. Und weil wir sehen, dass Inklusion funktioniert – wenn sie gewollt und gut gemacht ist.
Als Eltern behinderter Kinder haben wir uns 2006 zusammengetan, weil wir nicht akzeptieren konnten, dass viele Angebote unseren Kindern verwehrt wurden. Der Kindergarten um die Ecke fühlte sich nicht zuständig. Bei Freizeitangeboten waren unsere Kinder nicht mitgedacht. Die örtliche Grundschule blieb unseren Kindern verschlossen und die Nachbarskinder suchten sich auf dem Schulhof andere Freunde. Wir haben schmerzlich vermisst, dass diese Gesellschaft unsere Kinder an allen ihren Orten einfach aufnimmt und teilhaben lässt – anstatt ihnen zwar umfangreiche Unterstützung anzubieten, aber nur, wenn sie sich aus dem vertrauten Umfeld in Sonderwelten entfernen.
Bis heute setzen wir uns für selbstverständliche Teilhabe in allen Bereichen des Lebens ein und berufen uns dabei auf die UN-Behindertenrechtskonvention, zu deren Umsetzung sich Deutschland 2009 verpflichtet hat.