Bis zu 3.500 Übernachtungen obdachloser junger Menschen registriert die Mülheimer Jugendeinrichtung. Doch es fehlen dringend Fördergelder.
Don-Bosco-Club Mülheim„Unsere Notschlafstelle steht vor dem Aus“

Die Leiterin des Don-Bosco-Clubs in Mülheim Magdalena Keil umarmt eine Pappfigur des Namensgebers der Jugendeinrichtung.
Copyright: Martina Goyert
„In jedem Jugendlichen, auch im unglücklichsten, gibt es einen Punkt, an dem er für das Gute empfänglich ist“ – Don Bosco, der als poppige Pappfigur am Eingang der gleichnamigen Kinder- und Jugendeinrichtung, dem Don-Bosco-Club in Mülheim, steht, war davon überzeugt: Jungen Menschen, vor allem aber den vernachlässigten, sollte man mit Güte statt Strenge begegnen.
Der Geist des heilig gesprochenen italienischen Priesters, Jugendseelsorgers und Ordensgründers weht vom Willkommenslogo „Schön, dass Du da bist“ am Eingang bis in jede Ecke der Mülheimer OT, was im Fachjargon „Einrichtung der offenen Kinder-, Jugend- und Jugendsozialarbeit“ heißt.
Don Bosco macht das Herz größer
„Wir befähigen alle, besonders aber unsere teils entwurzelten jungen Besucherinnen und Besucher, Verantwortung für sich und andere zu übernehmen. Wir bieten ihnen Zugang zu ganzheitlicher Bildung und Ausbildung, denn wir möchten ihnen die Chance geben, ein Leben in Würde zu führen und ihre Zukunft mitzugestalten“, sagt Einrichtungsleiterin Magdalena Keil.
„Don Bosco hat mein Herz größer gemacht“, bestätigt auch Blerim. Der Teenager besucht wie täglich zwischen 14 und 21 Uhr weitere bis zu 160 Kinder und Jugendliche die OT, um von warmen Mahlzeiten, einer Hausaufgabenbetreuung, etlichen kreativen, musikalischen, sportlichen Freizeitangeboten und Ausflügen zu profitieren – oder der Hilfestellung beim Übergang von der Schule in den Beruf. Viele, die kommen, brauchen einfach jemanden, der ihnen zuhört, sie ernst nimmt und sie unterstützt. Alle Angebote sind kostenlos und auch in den Ferien ist ein vielfältiges Programm geboten – Höhepunkt ist das Ferienlager an der Ostsee.

Bis zu 160 Kinder und Jugendliche besuchen pro Tag den Don-Bosco-Club in Mülheim.
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Zu Hause viel Gewalt erfahren
„Ich habe zu Hause viel Gewalt erfahren, bin abgehauen und lebte schon mit 18 Jahren auf der Straße. Unsere damalige Schulsozialarbeiterin hat mich dann an den Don Bosco Club vermittelt. Hier konnte ich geschützt übernachten und das Team hat mir dabei geholfen, wieder Fuß zu fassen, dafür bin ich unendlich dankbar“, sagt Xenia (Name geändert). Die heute 20-Jährige hat inzwischen ein eigenes Zimmer und einen Ausbildungsplatz gefunden.
Xenia ist eine von geschätzten 44.000 Minderjährigen und jungen Volljährigen zwischen 14 und 27 Jahren, die hierzulande pro Jahr wohnungslos sind. Rund 22.000 von ihnen leben in verdeckter Obdachlosigkeit bei mehr oder minder guten Bekannten temporär „auf dem Sofa“, rund 5.800 in völliger Obdachlosigkeit und rund 15.000 in Notunterkünften.
12 Notschlafplätze im Mülheimer Don-Bosco-Club
Auch der Don- Bosco-Club verfügt über 12 Notschlafplätze, die für heranwachsende Obdachlose zwischen 18 und 27 Jahren häufig die letzte Rettung sind. Dort können die jungen Frauen, Männer sowie junge Menschen aller Geschlechtsidentitäten wenn nötig 30 Tage in Folge bleiben, was in Köln für diese Altersgruppe einmalig ist. Rund 3.500 Übernachtungen registriert die Notschlafstelle pro Jahr.

Drei von 12 Notschlafplätzen beheimatet der Don-Bosco-Club bislang, doch das Angebot steht aufgrund fehlender Fördergelder kurz vor dem Aus.
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„Wir haben den Anspruch, unseren Jugendlichen und jungen Heranwachsenden mehr als nur ein Bett und eine warme Mahlzeit zu bieten. Sie müssen nicht bis in die Abendstunden auf der Straße verbringen, können während der Woche tagsüber alle Angebote unserer Einrichtung nutzen, Billard oder Kicker spielen. Außerdem helfen wir ihnen dabei, alle nötigen Anträge zu stellen – etwa beim Sozialamt oder der Krankenkasse – unterstützen bei Wohnungen oder Jobs und begleiten in Ausnahmefällen persönlich zu Ämtern und Ärzten“, sagt Keil.
Zuflucht für junge Obdachlose aus Köln und der Region
Aufgrund dieser umfassenden, mehrsprachigen sozialpädagogischen Erstberatung und Weitervermittlung nennt das Don-Bosco Team diese Form des Angebots auch „Notschlafstelle Plus“. Magdalena Keil und ihr Team legen großen Wert darauf, den jungen Obdachlosen ein Stück Normalität, eine Zuflucht, Sicherheit und Tagesstruktur zu vermitteln.
Wir haben den Anspruch, unseren Jugendlichen und jungen Heranwachsenden mehr als nur ein Bett und eine warme Mahlzeit zu bieten, nämlich ein Stück Normalität und Lebensperspektiven
„Uns ist die Gemeinschaft mit den Kindern und Jugendlichen, die unsere Einrichtung im Rahmen der Offenen Tür und der Notschlafstelle besuchen, wichtig. Und auch das gemeinsame Essen um 18 Uhr dient der Resozialisierung. Wir handeln stets nach dem Motto eine offene Tür, ein offener Kühlschrank und ein offenes Herz“.
Viel zu jung in die Selbstständigkeit entlassen
Die zahlreichen Übernachtungsanfragen, die pro Jahr in der Notschlafstelle auflaufen, stammen aus psychiatrischen Praxen, dem Jugendstrafvollzug, von Jugendämtern, Schulen oder Beratungsstellen, Hilfsorganisationen wie den „Offroad Kids“ oder „Auf Achse“, Angehörigen oder von den Betroffenen selbst. Viele von ihnen waren zuvor der Jugendhilfe unterstellt. Da diese allerdings nur bis zum 18. Lebensjahr zuständig ist, werden Jugendliche häufig viel zu früh und unvorbereitet in die Selbstständigkeit entlassen. Und scheitern.
Ihnen bietet die Notschlafstelle einen Notanker, sicheren Hafen – und die Chance auf ein Weiterkommen. Umso unverständlicher erscheint es, dass die staatlichen Zuwendungen seit Jahren stetig gekürzt – oder komplett gestrichen werden, was auch dem vom Don- Bosco-Club erfolgreich angebotenen „work4you“-Projekt im vergangenen Jahr den Garaus bereitete, nachdem das Jobcenter nach acht Jahren quasi von heute auf morgen die Zuschüsse gestrichen hatte.
Durch alle Raster gefallen und ohne Zukunftsperspektive
Zielgruppe des vom Bundesarbeitsministerium geförderten Projekts waren junge Menschen, die durch sämtliche Raster gefallen sind, die in der Regel keine oder kaum eine familiäre Anbindung hatten, keine Bleibe, keine Ausbildung, keinen Job, kein Geld – und keine Zukunftsperspektive.
Im Rahmen des „work4you“-Projekts erarbeiteten 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verteilt auf 14 Vollzeitstellen an sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr gemeinsam mit diesen jungen Menschen eine Lebensperspektive, unterstützen sie sozialpädagogisch und -psychologisch bei allen anfallenden Erledigungen – bei Ämtergängen, der Leistungsbeantragung oder jeglicher Vermittlung ins Hilfesystem.

Der Don-Bosco-Club bietet Kindern und Jugendlichen viele kostenlose Freizeitangebote und warme Mahlzeiten.
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„Wir hatten eine Werkstatt, einen Friseur- und Kosmetiksalon, wo die Jugendlichen in bestimmte Berufe hineinschnuppern konnten. Daneben gab es Angebote im Bereich Hauswirtschaft oder Haustechnik“, sagt Magdalena Keil und führt sichtlich traurig in die seit Ende letzten Jahres verwaisten Räume auf der ersten Etage der architektonisch attraktiven Jugendeinrichtung, die Gottfried Böhm seinerzeit erbaut hat.
Finanzielle Unterstützung ist dringend vonnöten
„Leere Werkstätten, sieben statt 14 Vollzeitstellen, das ist eine bittere Bilanz.“ Geblieben ist – bislang – nur die eng mit dem „work4You“-Projekt verzahnte Notschlafstelle. Doch auch die steht auf der Kippe. „Um die 12 Notschlaf-Plätze an 365 Tagen rund um die Uhr betreiben zu können, brauchen wir mehr finanzielle Unterstützung – vor allem für Personal. Mit nur drei refinanzierten Vollzeitstellen ist die Arbeit nicht länger zu leisten. Unsere Notschlafstelle steht kurz vor dem Aus“, sagt Keil – und appelliert an die staatlichen Verantwortlichen oder potenzielle Sponsoren:
„Obdachlosigkeit ist ein drängendes Problem. Seit dem vergangenen Jahr sind die Zahlen der Betroffenen um 58 Prozent gestiegen. Junge Menschen, die obdachlos werden, tun dies in der Regel nicht freiwillig. Wir müssen ihnen doch die Chance geben, sich in unsere Gesellschaft zu integrieren“, sagt die engagierte Leiterin, umarmt den poppigen Papp-Pater und fügt entschlossen an: „Unseren Don Bosco Club gibt seit beinahe 60 Jahren, er ist für viele Mülheimer Familien ein Stück Zuhause und ein Rettungsanker. Wer Hilfe braucht, bekommt sie bei uns. Ich werde dafür kämpfen, dass die Offene Tür und die Notschlafstelle auch in Zukunft erhalten bleiben.“ „wir helfen“ jedenfalls wird seinen Teil dazu beitragen.
So können Sie helfen
- Mit unserer Jahresaktion „wir helfen: dass Kinder wieder mutig in die Zukunft gehen“ bitten wir um Spenden für Projekte in Köln und der Region, die benachteiligten Kindern und Jugendlichen zu einer guten Zukunftsperspektive verhelfen und die Kompetenzen, die sie dafür brauchen, fördern und stärken.
- Die Spendenkonten lauten: wir helfen – Der Unterstützungsverein von M. DuMont Schauberg e. V.
- Kreissparkasse Köln, IBAN: DE03 3705 0299 0000 1621 55
- Sparkasse Köln-Bonn, IBAN: DE21 3705 0198 0022 2522 25
- Wünschen Sie eine Spendenbescheinigung, geben Sie bitte +S+ im Verwendungszweck an. Sollten sie regelmäßig spenden, ist auch eine jährliche Bescheinigung möglich. Bitte melden Sie sich hierzu gerne per E-Mail bei uns. Soll Ihre Spende nicht veröffentlicht werden, notieren Sie +A+ im Verwendungszweck. Möchten Sie anonym bleiben und eine Spendenbescheinigung erhalten, kennzeichnen Sie dies bitte mit +AS+.
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- Sollten Sie anlässlich einer Trauerfreier, einer Hochzeit oder eines Geburtstags zu einer Spendenaktion aufzurufen, informieren Sie uns bitte vorab per E-Mail über die Aktion.
- Kontakt: wir helfen e.V.“, Amsterdamer Straße 192, 50735 Köln, Telefon: 0221-224-2789 (Allgemeines, Anträge), 0221-224-2130 (Redaktion) wirhelfen@kstamedien.de
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