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„Home Treatment“ der Uniklinik KölnProbleme dort lösen, wo sie entstehen

Lesezeit 3 Minuten
Die Rückkehr nach Hause ist für viele Patienten besonders schwierig.

Die Rückkehr nach Hause ist für viele Patienten besonders schwierig.

Köln – Zwei Jahre war der Junge nicht in der Schule. Er hatte Angst, ihm wurde übel, wenn er nur an den Ort dachte. Wie führt man einen Jugendlichen langsam wieder an den Alltag heran? Nimmt ihm die Angst davor, jeden Morgen aus dem Haus zu gehen? Mit diesen Fragen beschäftigt sich Psychologin Laura Jäckels. Sie arbeitet in der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Uniklinik Köln und ist dort in einem Modellprojekt tätig, das nicht weniger als einen „Paradigmenwechsel in der psychiatrischen Therapie“ einläuten will. Beim sogenannten „Home Treatment“ begleiten Psychologen aus der Uniklinik junge Patienten nach einem stationären Aufenthalt noch einige Monate zu Hause, anstatt sie an einen ambulanten Psychologen zu verweisen.

„Normalerweise können wir die problematischen Situationen nur besprechen“, sagt Jäckels. „Beim Home Treatment sind wir sozusagen live dabei.“ Im Fall des oben beschriebenen Schulverweigerers heißt das konkret: Jäckels hat seine ersten Schultage begleitet, sie stand morgens bei der Familie vor der Tür, hat das Aufstehen, das Frühstück und den Weg bis zum Schultor mit dem Jungen gemeinsam bewältigt. So konnte sie nicht nur mit ihm an den Problemen arbeiten, sondern die ganze Familie in der belastenden Situation unterstützen. Das ist eine Behandlungsform, mit der natürlich auch die ganze Familie einverstanden sein muss.

Schulverweigerer sind oft über- oder unterfordert

„Es gibt sehr engagierte Eltern, die alles tun, damit es ihrem Kind bessergeht“, erzählt Stephan Bender, Leiter der Klinik und des Projektes. „Und diejenigen, die Gespräche abblocken mit den Worten »Mein Kind ist krank, nicht ich«.“ Doch gerade bei Diagnosen, bei denen Betroffene tendenziell eine hohe Rückfallquote haben, sei es sehr wichtig, auch die Bezugspersonen in die Therapie einzubinden. Schulverweigerer seien so eine Gruppe. „Der Schritt nach Hause ist für sie oft besonders schwer“, sagt Bender. Weil sie sich im Klinikalltag fügen, manchmal auch nur ihre Zeit auf der Station absitzen und dann zu Hause wieder so weitermachen wie bisher.

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Die Ursachen, warum Kinder nicht mehr in die Schule gehen wollen, sind vielfältig. Oft passt die Schulform nicht zum Können des Kindes, es ist über- oder unterfordert, Mobbing kann ein Grund sein, Depressionen, die es morgens unmöglich machen, aufzustehen. Jäckels beobachtet deshalb sehr genau den morgendlichen Ablauf bei ihren „Home Treatment“-Patienten. Wann ist der Jugendliche angespannt? Welche Situationen versetzen ihn in Stress? Die Methode der Behandlung im eigenen Zuhause soll auch bei Essstörungen, Drogensucht oder gestörtem Sozialverhalten zum Tragen kommen.

„Die medizinische Behandlung findet eigentlich im Krankenhaus statt“

Das Projekt führt die Uniklinik gemeinsam mit der Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung Robert-Perthel-Haus in Köln-Riehl durch. Denn auch das ist Teil des Ansatzes: Pädagogik und Psychotherapie verbinden, um die vielfältigen Probleme der Patienten „multidisziplinarisch“ zu lösen. „Pädagogen machen schon lange aufsuchende Arbeit“, erläutert Bender. „Aber die medizinische Behandlung findet eigentlich im Krankenhaus statt.“ Diese Trennung soll das „Home Treatment“ aufbrechen. „In unseren Augen wird die Behandlung der Probleme hier konsequent zu Ende gedacht“, sagt auch Ingo Weinmann vom Robert-Perthel-Haus. Dort leben Jugendliche mit psychischen Problemen in Wohngruppen, deshalb ist die enge Zusammenarbeit mit der Uniklinik auch für Weinmann und seine Mitarbeiter etwas Neues. Das Projekt ist erst Anfang August gestartet, bislang nehmen nur eine Handvoll Patienten teil.

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Es ist spendenfinanziert, auch „wir helfen“ beteiligt sich, weil Krankenkassen die Behandlung nicht bezahlen. Benders Ziel ist es, die neue Methode fest zu etablieren. Erste Erfolge geben ihm recht: Jäckels berichtet, dass ihr Patient es immer öfter schafft, zur Schule zu gehen. Mittlerweile ist sie auch nicht mehr täglich dabei, sondern es reicht ein Telefonat.

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