SpendenzielWie Bilder die Seele heilen können

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Der Mann mit der Zigarette ist eines der Bilder, die im Jahreskalender veröffentlicht wurden.

Der Mann mit der Zigarette ist eines der Bilder, die im Jahreskalender veröffentlicht wurden.

Köln – Dass das Elternhaus in Trümmern lag, hatte bei der 17-jährigen jungen Frau tiefe Spuren hinterlassen. Der leibliche Vater hatte Selbstmord begangen, der Stiefvater trank zu viel Alkohol, die Mutter galt als wenig „erziehungskompetent“. So gelang es der Jugendlichen kaum noch, ihre Gedanken zu ordnen. Wie eine Flut brachen sie über sie herein. Ihre Stimmung schwankte von in sich gekehrt bis zu extrovertiert. Massive Ängste wechselten sich ab mit hoch depressiven Phasen. Bei ihren Mitschülern kam die Jugendliche nicht gut an: In der Schule galt sie als Außenseiterin, wurde gemobbt, und immer seltener ging sie in den Unterricht.

Andreas Seiler-Kesselheim und Ulrike Busse

Andreas Seiler-Kesselheim und Ulrike Busse

Die Rettung für die 17-Jährige war die Kinder- und Jugendpsychiatrie (KJP) der Kölner Uniklinik, wo ihr eine Borderline-Störung diagnostiziert wurde. Im Elternhaus wäre das Mädchen mit Sicherheit nicht mehr zurecht gekommen. Möglicherweise hätte es einen Selbstmordversuch unternommen. Durch die Behandlung in der Klinik, Therapien in dem von „wir helfen“ geförderten Schul- und Therapiehaus Villa Kunterbunt und den Schulbesuch in der Johann-Christoph-Winters-Schule gelang es dem Mädchen schließlich nicht nur, den Schulabschluss zu bewältigen, sondern später auch, einen Job zu finden.

Eigene Klinikschule

Die ist nur ein Beispiel für die Arbeit, die in Klinik, Villa und Schule, deren Arbeit eng verzahnt ist, geleistet wird. Einigen Hundert Kindern und Jugendlichen konnten sie helfen. Jungs, die unter ADHS leiden und hoch aggressiv sind, und Mädchen, die Essstörungen haben. Kinder aus Fluchtregionen mit Traumata, andere, die nicht mehr sprechen, oder welche, die sexuell missbraucht wurden. Die Rahmenbedingungen für die Kinder werden nicht besser, sagt Andreas Seiler-Kesselheim, Leiter der Johann-Christoph-Winters-Schule und stellvertretender Leiter des Fördervereins der Villa Kunterbunt. Familien brächen häufiger als früher auseinander, während der Leistungsdruck auf die Kinder und Jugendlichen wachse.

Kein Wunder also, dass 20 Prozent der Mädchen und Jungen an psychischen Störungen leiden und etwa zehn Prozent einer klinischen Behandlung bedürfen. Von Depressionen sind laut Deutschem Bündnis gegen Depression drei bis zehn Prozent der Zwölf- bis 17-Jährigen betroffen. Zehn Prozent haben Angstzustände (Uniklinik Ulm) während laut Verein Zartbitter vier bis fünf Prozent der Kinder sexuelle Gewalt erlebt haben. Begonnen hat die Geschichte der Villa Kunterbunt mit einer Ausstellung 1994 im studio dumont, in dem Kunstwerke psychisch kranken Kinder gezeigt wurden. „Das Leben ist traurig und schön“ hieß die Schau, benannt nach dem Zitat eines Mädchens, das an Essstörungen litt und seine Bilder im Stehen malte, um mehr Kalorien zu verbrauchen. Statt der erwarteten 50 000 Mark kamen eine Million Mark an Spenden zusammen – Grundstock für das Schul- und Therapiehaus der Villa Kunterbunt auf dem Klinikgelände. Hier finden auch heute noch vormittags Schulunterricht für die Klassen eins bis fünf und später Therapien statt.

Lesungen und Ausstellungen

Die Liste der Aktivitäten in Villa und Schule ist lang: Mal wird Brot gebacken, mal werden Lesungen oder Ausstellungen veranstaltet. 2015 ist bei einem einmaligen Projekt in Kooperation mit der Eckhard-Busch-Stiftung der schöne Kunstkalender „Bilder für die Seele“ entstanden. Malereien in Rot und Schwarz, dahin gestrichen wie von Kandinsky und mit einer roten Feder garniert. Geckos aus Pappe mit glitzernden Fäden, Drahtskulpturen und angemalte Äste. Eine Collage, die ein Mädchen, Schmetterlinge und einen roten Faden zeigt, der das Gesicht des Kindes teilt. „So habe ich mich gefühlt, als es mir schlecht ging. Ich kam mir vor wie ein verletzter, zerrissener Schmetterling“, schrieb die Schülerin darunter.

Die Kunst hilft, das Erlebte zu verarbeiten. Geboten werden den Kindern und Jugendlichen in der Villa zudem Ausflüge, die ihnen tolle Erlebnisse bieten, von den Krankenkassen aber nicht bezahlt werden. Segeltouren oder Schulskifahrten mögen sich auf den ersten Blick überflüssig anhören, sind aber unverzichtbare Teile des Unterrichts und der Therapie. „Wer wegen einer Depression morgens kaum noch aus dem Bett kommt, für den ist es ein Erlebnis, mitten auf einem Berg zu stehen und dann den Hang hinabzufahren“, so Lehrerin Ulrike Busse. Auch der Umgang mit Pferden bei einer Reittherapie ist für psychisch kranke Kinder wertvoll, etwa weil ihnen die Tiere vorurteilsfrei begegnen. Dort, wo die Kassen nicht mehr zahlen, versuchen der Förderverein und die Stiftung der Villa Kunterbunt einzuspringen.

http://www.stiftung-villa-kunterbunt.de

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