100. Geburtstag von HariboGummibärchen verschwinden aus vielen Supermarktregalen

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Goldbären-Produktion im Haribo-Werk. Das Foto stammt aus dem Jahr 2012.

  • In diesem Jahr wird die Marke Haribo 100 Jahre alt. Ausgerechnet zum Geburtstag verschwinden die Goldbären aus den Regalen der Supermärkte.
  • Bei Lidl gibt es die Produkte von Haribo schon nicht mehr zu kaufen. Rewe und Edeka ziehen Berichten zufolge nach.
  • Die Gründe für die Probleme des Branchenprimus: Konflikte im Familienunternehmen, ein harter Preiskampf - und veränderte Essgewohnheiten.

Köln – Der Goldbär genannte Gummibär aus dem Hause Haribo gehörte über Jahrzehnte zum unumgänglichen Markenartikel in nahezu jedem Supermarkt. Zwar gab es auch Gummitiere von der Konkurrenz und eine Fülle an Nachahmer-Artikeln der Discounter, sogenannte Handelsmarken. Doch an das Original kam keiner ran. Die Verbraucher wollten vor allem den echten, wahren Goldbären haben. Doch die Ernährungsgewohnheiten der Menschen verändern sich rasant wie nie zuvor.

Dabei gibt es eine Fülle an Trends. Mal soll es vegetarisch oder gar vegan sein. Dann wieder sollen Süßwaren plötzlich gesund sein und diverse Vitamine oder sonstiges enthalten, um die Alltagskost zu ergänzen. Und dann obsiegen doch wieder die Freunde der Klassiker, zu denen der Goldbär und seine andersfarbigen Freunde zweifelsfrei gehören. Das und ein Streit ums Geld scheint dem einstigen Branchenprimus Haribo nun ernsthaft zuzusetzen. Im August eskalierte die Lage. Aus verschiedenen Medien war zu erfahren: Der Kampf um den Preis mit der mächtigen Discount-Kette Lidl ist für Haribo vorerst verloren. Der Goldbär ist aus den Lidl-Regalen genauso verschwunden wie andere Markenprodukte aus dem Hause.

Preiskämpfe mit härtesten Bandagen

Jetzt berichtet der „Spiegel“, dass auch Edeka den Verkauf von Haribo-Produkten um 40 Prozent heruntergefahren hat. Bei Rewe drohte demnach zwischenzeitlich Ähnliches. Haribo hatte versucht, die Preise anzuheben, und dabei offenbar überzogen. „Früher waren wir auf Haribo angewiesen, heute haben wir Alternativen wie Storck, Katjes oder unsere Eigenmarken wird der Chefeinkäufer eines Handelskonzerns zitiert.

100 Jahre Hans Riegel Bonn

Haribo – das Akronym steht für Johann (Hans) Riegel Bonn. Der gründete am 13. Dezember 1920, also vor bald 100 Jahren, die Firma. Startkapital waren nach Firmenangaben ein Sack Zucker, ein Kupferkessel, eine Marmorplatte, ein Hocker, ein gemauerter Herd und eine Walze.

Der erste Gummibär kam bereits zwei Jahre nach der Firmengründung auf den Markt. Angeblich soll Kaiser Wilhelm II. in seinem niederländischen Exil den Goldbären als „das beste, was die Republik hervorbrachte“ bezeichnet haben, was aber eher seine Sicht auf die Weimarer Republik als den Goldbären zeigen dürfte.

Der Werbeslogan lautet seit 1935 „Haribo macht Kinder froh“, erst 1962 wurde „und Erwachsene ebenso“ ergänzt. Er wurde in mindestens 22 Sprachen übersetzt. Der Export ist eine der wesentlichen Stützen der Firma mit 7000 Mitarbeitern. (tb)

Was war passiert? Wie Insider aus der Süßwarenbranche berichten, sind die Kämpfe um Preise zwischen den großen Handelsketten einerseits und den großen Markenartiklern andererseits solche, die mit härtesten Bandagen gekämpft werden. „Da werden Preise bis zur vierten Nachkomma-Stelle verhandelt“, sagt der Vertriebsmanager eines Haribo-Konkurrenten. In der Tat ist der Markt ein enges Oligopol auf beiden Seiten. Will heißen: Es gibt nur eine Hand voll Handelsketten, und in Deutschland eigentlich nur vier oder fünf wirklich marktmächtige Anbieter von Fruchtgummis.

Neben Haribo sind das unter anderen Katjes Fassin vom Niederrhein (Emmerich), Storck (aus Berlin, bekannt durch Nimm Zwei) und der vor allem in Ostdeutschland produzierende Hersteller Trolli. Insbesondere Storck konnte Branchenverbänden zufolge seinen Anteil seit 2015 massiv ausbauen. Katjes stärkte die eigene Position vor allem mit veganen Produkten und gesunder Anmutung. Trolli bedient vor allem die Wünsche der Discounter nach der Produktion von Eigenmarken.

„Langfristig können Supermärkte nicht auf eine starke Marke wie Goldbären verzichten“

Verschärft wird der Wettbewerb dadurch, dass Süßwaren und insbesondere Fruchtgummis in keinem europäischen Markt so billig sind wie in Deutschland. Dass der Preiskampf zwischen Lidl und Haribo nun eskalierte, kann verschiedene Gründe haben. Neben gestiegenen Rohstoffpreisen könnte auch die erhöhte Nachfrage die Preisvorstellungen der Erzeuger angetrieben haben. Denn in der Corona-Krise entdeckten die Deutschen wieder ihre Liebe zu Süßwaren. Während andere unter der Krise leiden, boomen Bonbons, Gummis und Co. Insgesamt wurden zwischen Januar und August 1,23 Millionen Tonnen Süßwaren verkauft, sechs Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum, wie der Branchendienst IRI jetzt veröffentlichte. Allein auf Fruchtgummis entfielen 166 000 Tonnen, ein Plus von drei Prozent. Insgesamt kauften die Deutschen seit Krisenbeginn Süßwaren im Wert von fast acht Milliarden Euro.

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Ein Branchenkenner aus dem Süßwarenbereich vermutet hinter dem Auslisten von Haribo bei Lidl und Co. einen taktischen Zug, um den Druck zu erhöhen. „Langfristig können Supermärkte nicht auf eine starke Marke wie Goldbären verzichten. Dadurch, dass sie vorübergehend nicht im Sortiment sind, will man dem Verbraucher aufzeigen: ,Seht her, wir kämpfen für euch gegen Haribo um billige Preise’“, sagt der Insider. So werde der Druck durch die Öffentlichkeit multipliziert.

Interne Richtungskämpfe im Familienunternehmen

Offenkundig sind aber auch Probleme im Hause Haribo selbst. Schon vor dem Tod des Firmenpatriarchen Hans Riegel gab es Richtungskämpfe unter den verschiedenen Stämmen der Eigentümer des Familienunternehmens. Ein Neffe übernahm, fiel dann aber in Ungnade bei dem als knallharten Arbeiter und Lenker bekannten Gründersohn. Aktuell führt Hans Guido Riegel die Firma, ein Neffe von Hans junior. Mehrmals wurde unter ihm das Management umstrukturiert. Entsprechend fehlte die Kontinuität, auch um sich auf wandelnden Märkten klar zu positionieren.

Der Umzug der Firma von Bonn ins rheinland-pfälzische Grafschaft lief mit vielen Pannen. Der Familienerbe, seit 2013 an der Spitze des Konzerns, drängt sich nicht gern nach vorn. Das klingt nicht schlecht und ist doch Teil des Problems. Dem Unternehmen fehle die richtungweisende Hand, bemängeln leitende Mitarbeiter. Der aktuelle Riegel-Chef fuhr Autorennen und liebt Sportboote. Als Manager aber fehle ihm die Geschwindigkeit zu Handeln, heißt es.

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