Streit von Lidl und HariboWieso große Marken so oft aus dem Supermarkt verschwinden

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Gummibärchen Haribo dpa

Gummibärchen von Haribo

  • Lidl hat nach einem Preisstreit Haribo aus dem Regal verbannt.
  • Solche Konflikte zwischen Supermärkten und Herstellern führen immer wieder zu Lücken im Regal. Edeka verbannte einst gar mehr als 160 Nestlé-Produkte, Kaufland stritt lange mit Unilever.
  • Ein Überblick über die größten Streits – und die Mechanismen dahinter.

Köln – Manche Marken sind so groß, man kann sich ein Supermarktregal eigentlich nicht ohne sie vorstellen. Seien es die Haribo-Tütchen bei den Süßigkeiten, die Nudeln von Barilla oder Softdrinks von Coca-Cola. Nur: Manchmal verschwinden sie eben doch. So war es zuletzt zum Beispiel bei Haribo. Der Discounter Lidl hat die Goldbären nach Preisstreitigkeiten aus dem Sortiment genommen – ausgerechnet zum 100. Geburtstag der Marke. Edeka zog nach und reduzierte den Verkauf um 40 Prozent.

Dass Händler und Hersteller um Einkaufspreise streiten, gehört zum Geschäft. Kaum irgendwo macht sich ein eskalierter Konflikt für die Kunden aber so deutlich bemerkbar wie in den Supermärkten und Discountern. Eine Übersicht über bekannte Fälle der vergangenen Zeit – und die Mechanismen hinter den Streits.

Wo gab es ähnliche Streits?

In der Corona-Krise fiel es besonders auf: Während ganz Deutschland seine Nudelvorräte aufstockte, fehlten in Rewe-Märkten plötzlich zeitweise viele Produkte des Pasta-Herstellers Barilla. Die Italiener hatten eine Preiserhöhung gefordert, die der Kölner Konzern so nicht akzeptieren wollte. Auf dem Informationsblatt eines Rewe-Markts hieß es damals, man verzichte „auch in Ihrem Interesse an stabilen Preisen vorübergehend auf eine Belieferung mit dem Artikel“.

Edeka dagegen stritt zuletzt zum Beispiel mit Coca Cola, nachdem der Konzern im Herbst vergangenen Jahres Preiserhöhungen für seine Produkte angekündigt hatte. Als der Streit nicht beigelegt werden konnte, stoppte Edeka im Sommer zeitweise Bestellungen für Coca-Cola-Produkte wie Sprite, Fanta oder Cola Light. Im Konflikt mit Nestlé hatte Edeka 2018 zwischenzeitlich sogar mehr als 160 Produkte des Konzerns und damit bekannte Marken wie Nescafé, Thomy oder Maggi aus den Regalen verbannt. Auch der Streit zwischen Edeka und Heinz Ketchup im vergangenen Jahr sorgte für Aufsehen – damals hatte der US-Konzern die Belieferung der Edeka-Märkte eingestellt, woraufhin die eine Eigenmarke namens „Papa Joe’s“ ins Rennen schickten.

Kaum zu übersehen war für Kaufland-Kunden auch ein langer Streit mit Unilever – in dessen Folge Kaufland seine Geschäftsbeziehungen mit dem niederländisch-britischen Konzern einstellte. Das bedeutete: kein Knorr mehr, kein Mondamin, Pfanni, Litpton, Ben& Jerry“s, Langnese und so weiter. Als der Streit Anfang 2020 beigelegt wurde, warb Kaufland mit einem Bild voller Unilever-Produkte und dem Slogan „Wiedersehen macht Freude“.

Wieso sind die Preiskämpfe im Lebensmittelhandel so hart?

„Der Lebensmittelhandel ist ein sehr margenschwaches Geschäft“, sagt Kai Hudetz, Geschäftsführer des Handelsforschungsinstituts IFH Köln. Die Händler seien also darauf angewiesen, ausreichende Mengen zu verkaufen – und kämpfen heftig um die Konsumenten. „Der Wettbewerb ist groß. Händler haben häufig nicht die Möglichkeit, höhere Einkaufspreise an die Kundinnen und Kunden weiterzugeben.“ Verhandlungen würden daher „sehr hart und datengetrieben“ geführt. Anhand von Abverkaufszahlen lasse sich genau verfolgen, welchen Preis die Kunden für ein Produkt auszugeben bereit sind.

Haben die Konflikte zugenommen?

Konflikte gab es schon immer. Aber der ohnehin starke Wettbewerb zwischen den Lebensmittelhändlern ist in den vergangenen Jahren intensiver geworden. In der Branche hat ein starker Konzentrationsprozess stattgefunden. Vier große Namen dominieren den Rest: die Edeka-Gruppe (unter anderem Edeka und Netto), die Rewe-Gruppe (unter anderem Rewe und Penny), Aldi (Nord und Süd) und die Schwarz-Gruppe mit Lidl und Kaufland. „Wir sehen hier sehr finanzstarke Organisationen, die versuchen, ihre Marktanteile auszubauen“, sagt Hudetz. Auf den Wettbewerb wirkt sich dabei auch aus, dass Deutschland über das dichteste Filialnetz an Supermärkten und Discountern weltweit verfügt. Gerade in den Städten liegen oft gleich mehrere Filialen in Reichweite – was Kunden die freie Wahl lässt und den Händlern Druck macht, ihr Angebot zu verbessern.

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Auf die Preiskämpfe wirkt sich dabei auch aus, dass die großen Händler immer mehr auch selbst zu Herstellern werden: Sie bauen ihr Angebot an Eigenmarken aus, bei denen sie wesentlich höhere Margen erzielen können und unabhängiger von anderen Herstellern werden.

Wer hat im Streit bessere Karten – Handel oder Hersteller?

„Das ist eine Frage von Markenstärke und Marktmacht“, sagt Hudetz. Je stärker die Marke desto stärker auch die Verhandlungsposition. Gerade bei den oben genannten Konflikten trafen dabei jeweils zwei sehr starke Parteien aufeinander: im Falle von Edeka und Nestlé gar der größte deutsche Lebensmittelhändler auf den weltweit größten Lebensmittelkonzern. In diesen Fällen haben sowohl Händler als auch Hersteller ein großes Interesse daran, den Streit beizulegen – was sie in der Regel auch früher oder später tun. Der Hersteller braucht das starke Vertriebsnetz, der Händler die Marken, die die Kunden in den Regalen liegen sehen wollen. Lidl-Kunden können also optimistisch sein, dort mittelfristig auch wieder Goldbären zu finden.

Schlechtere Karten haben bei solchen Preisstreitigkeiten kleine und mittelständische Hersteller ohne große Markenstärke: Ihre Produkte sind im Warenkorb der Kunden häufig austauschbar – wenn sie aus dem Regal verschwinden, hat das keine großen Folgen für den Händler. Ein Streit kann für Hersteller endet hier also schneller mit einer endgültigen Auslistung.

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