„Abwarten heißt, stehen zu bleiben“Drei Kölner Start-ups und ihr Weg durch die Krise

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Nomoo Peanut

Seit 2016 stellt das Kölner Unternehmen Nomoo veganes Eis her.

  • Wir haben mit drei Kölner Start-ups über Strategien in der Krise gesprochen: Nomoo, Roamlike und Chronext.
  • Alle drei gehen mit starken Zahlen, neuen Fähigkeiten oder gar einem anderen Geschäftsmodell aus der Corona-Krise hervor.
  • Unser Autor hat sich mit einer Gründerin und zwei Gründern unterhalten und erzählt, wie sie die letzten Monate überstanden haben.

Köln – Junge Unternehmen sind in einer Krise in einer besondere Situation: Oft haben sie noch nicht viele Kunden und nur geringe finanzielle Ressourcen, mit denen sie auf Umsatzeinbrüche reagieren könnten. Gleichzeitig sind sie gerade aufgrund lockerer Strukturen in der Lage, auf veränderte Situationen schneller zu reagieren als Konzerne. Wir haben mit drei Kölner Start-ups über Strategien in der Krise gesprochen:

Chronext: „Im März wurden wir kurzfristig ausgebremst“, sagt Chronext-Chef Philipp Man: „Davon abgesehen liegen wir deutlich über dem Vorjahr“. Der Online-Luxusuhrenhändler mit Standorten in Köln und dem Schweizer Ort Zug machte im vergangenen Jahr mehr als 90 Millionen Euro Umsatz – und geht nach Aussage des Firmengründers gestärkt aus der Krise.

„Die Krise hat den Wandel beschleunigt“

Dabei könnte man meinen, dass die Kunden in diesen unsicheren Zeiten kein Geld für eine teure Armbanduhr haben. „Insgesamt kaufen weniger Leute eine Uhr“, bestätigt Man, „aber ein großer Teil der übergebliebenen Nachfrage läuft bei uns auf. Den Wandel zum Online-Geschäft hat die Krise beschleunigt“, sagt er. Zudem habe Chronext sowohl die Marketing-Kanäle als auch den Einkauf optimiert. Die Kosten für die Kundenakquise seien dadurch halbiert worden.

Seit Mitte April beobachtet Man einen besonderen Effekt: Käufer geben mehr aus – „der Durchschnittskaufpreis ist bei uns um etwa 20 Prozent gestiegen“, sagt Man. Kunden betrachteten Uhren verstärkt als Wertanlage: „Der Aktienmarkt ist vielen zu volatil, also investieren sie lieber in wertbeständige Marken wie Rolex oder Patek Philippe“.

„Das alles ist ins Wasser gefallen“

Nomoo: „Mitte März ist eigentlich der Start der Eissaison“, sagt Rebecca Göckel, Mitgründerin des Start-ups Nomoo, das veganes Eis produziert: „Dann fahren wir in die Märkte und führen Kundengespräche, irgendwo ist immer ein Event, die Gastronomie fragt stärker nach. Das alles ist ins Wasser gefallen.“ Mit seiner Eiscreme ohne tierische Inhaltsstoffe wächst Nomoo seit der Gründung vor vier Jahren stark. Im Einzelhandel machen die Kölner rund 80 Prozent des Umsatzes, unter anderem in den Märkten von Rewe, Edeka und Metro. Rund 15 Prozent werden in der Gastronomie erzielt, der Rest über den Online-Shop.

„Die größte Herausforderung war, Eis am Telefon zu verkaufen, ganz ohne Geschmacksproben und unsere Produkte vor Augen“, sagt Göckel. Sie und ihre Kollegen seien dadurch zu besseren Verkäufern geworden: „Allein im zweiten Quartal haben wir 400 Märkte am Telefon von uns überzeugt.“

Ein viel größeres Problem waren ausbleibende Zahlungen durch die Handelspartner: „Wir haben gemerkt, dass auch unsere Kunden noch mehr auf ihre Liquidität geachtet haben“, sagt Göckel. Es gebe immer eine Summe offener Posten, „aber die hat sich verdreifacht bis vervierfacht“. Dabei habe Nomoo seine Produktion vorfinanzieren müssen: „Das hätten wir nicht stemmen können, hätten unsere Gesellschafter nicht finanziell nachgeholfen.“

„Das war ein gesunder Schlag ins Gesicht“

Roamlike: Vor der Krise sah das Geschäftsmodell von Roamlike so aus: Das Kölner Unternehmen platzierte Markenprodukte in Ferienwohnungen. Die Appartements wurden dadurch zu Showrooms, die Produkte in einer natürlich Umgebung zeigen. Dabei handelt es sich etwa um Möbel, Getränke, Kosmetik oder Küchengeräte. Vermieter werteten ihre Wohnungen mit hochwertigen Produkten auf, für die Unternehmen war es ein Marketing- und Vertriebskanal. Für die Vermittlung erhielt Roamlike eine Provision. Auf seiner Webseite zählt das Start-up auch bekannte Marken wie L’Oreal und Tchibo zu den Werbepartnern.

Von einem auf den anderen Tag brach das Geschäft aber ein: „Wir arbeiten an der Schnittstelle zwischen Marketing und Reisen, da hat uns Corona natürlich sehr stark getroffen“, sagt Jens Büschgens, einer von vier Gründern und bei Roamlike für den Vertrieb verantwortlich. Unternehmen hätten ihre Marketing-Budgets eingefroren, niemand sei mehr gereist.

Aus Gesprächen erfahren Büschgens und seine Mitgründer, dass viele Gastgeber die Zeit jedoch nutzten, um ihre Wohnungen zu renovieren oder Möbel auszutauschen: „Und genau dabei können wir gut unterstützen“, so Büschgens. Schnell setzten die Roamlike-Macher neben dem alten ein neues Geschäftsmodell auf: Jetzt vermitteln sie Möbel, Kunstwerke oder Pflegeprodukte zu Konditionen, wie sie laut Büschgens sonst nur Hotels bekommen, an Vermieter. Die Hersteller hätten dadurch kein Risiko, sondern einen Verkaufskanal und Wohnungsinhaber kämen günstig an eine neue Einrichtung und verdienten mit weiteren Verkäufen Provisionen. „Wir haben uns von einer Plattform für kostenlose Produkte zu einem Shopping-Club entwickelt“, sagt Büschgens. Das sei „phänomenal angelaufen“: „Corona war ein gesunder Schlag ins Gesicht, ohne den wir uns nicht neu orientiert hätten.“

„Abwarten heißt, stehen zu bleiben“

Während Chronext, Nomoo und Roamlike glimpflich durch die Krise gekommen sind, haben viele andere Unternehmen noch immer schwer mit den Auswirkungen der Corona-Pandemie zu kämpfen. Hendrik Lennarz, der als sogenannter „Growth Hacking“-Trainer sowohl jungen Start-ups als auch etablierten Unternehmen hilft, ihre Wachstumsstrategie zu entwickeln und umzusetzen, rät Firmen dazu, die schwierige Zeit zu nutzen, um den Fokus zu schärfen: „Die Bedürfnisse der Kunden haben sich in den letzten Monaten ganz sicher verändert. Nur über persönliche Gespräche oder laserscharfe Datenanalysen lässt sich herausfinden, welche Chancen sich daraus womöglich ergeben können“, sagt Lennarz, der bereits mit Unternehmen wie Axa, T-Systems oder Porsche Digital gearbeitet hat.

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Außerdem eigne sich die Phase der Unsicherheit perfekt zum Experimentieren – auszuprobieren, wofür vorher oft keine Zeit war. Neue Partnerschaften und Kollaborationen auszuloten zum Beispiel oder neue Vertriebs- und Marketingkanäle auszutesten. „Growth Hacking bedeutet auch, in einer unsicheren Situation in kleinen Schritten schnell Anpassungen vorzunehmen und den Erfolg zu überprüfen“, sagt Lennarz. Auf bessere Zeiten zu warten, sei da keine Alternative, so der Trainer: „Denn Abwarten heißt, stehen zu bleiben.“

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