Alle Bänder stehen stillWas passiert in den Betriebsferien im Ford-Werk?

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Ford Werk Urlaub neu

Das Fließband für den Fiesta steht ebenfalls still.

  • Das Kölner Ford-Werk macht Ferien, die Bänder stehen still – in diesem Jahr fünf Wochen.
  • Was passiert im effizientesten Werke der gesamte Automobilbranche in dieser Zeit? Wir haben uns umgeschaut.

Köln – Was am meisten verwundert, ist die Stille. In der Halle Y, der Endmontage der Kölner Ford-Werke in Niehl, wo sonst jeden Tag 1300 Fiesta in zwei Schichten vom Band laufen, hört man nur ein leichtes Hämmern und wenige leise Stimmen. Die Hitze steht zwischen den Montage-Straßen, Roboterarme ragen reglos in die Höhe, halbfertige Fiesta ruhen sorgsam aufgereiht unter Plastikfolien.

Das Werk macht Ferien, die Bänder stehen still – in diesem Jahr fünf Wochen. Nur eine Handvoll Mitarbeiter ist geblieben. Während die restlichen rund 3300 Fordler der Produktion Urlaub machen, beginnt für die Verbliebenen eine der arbeitsreichsten Zeiten des Jahres. Im Sommer werden die Anlagen des Werkes gewartet und instand gesetzt, die Hallen gereinigt, auf dem Boden werden Sicherheitsmarkierungen mit frischer Farbe nachgezogen.

Das große Aufräumen

Aber bevor das große Aufräumen beginnt, müssen die Produktionsanlagen frei vom Produkt sein. „Alle Fiesta, die noch zum Ende der letzten Schicht auf den Bändern standen, werden einzeln heruntergehoben“, erklärt Wolfgang Huth (58), Meister der Instandhaltung. Rund 400 Kilogramm bringt der kleine Fiesta, dem nicht nur die Räder fehlen, in diesem Stadium auf die Waage. Am Ende der Ferien wird jedes Modell wieder genau an die Stelle gesetzt, wo der Produktionsprozess fünf Wochen zuvor unterbrochen wurde.

Damit die Robotor-Arme dann wieder geschmeidig etwa Front- oder Heck-Scheiben einsetzen, werden ihre Gliederketten geölt und sichergestellt, dass es keine Bruchstellen an den Verkabelungen gibt, sagt Huth. Der Tüv überprüft das dann im Anschluss im Rahmen seiner jährlichen Inspektion. Wann er selber Urlaub mache? „Erst irgendwann im September“, sagt Instandhaltungsmeister Huth.

40 Meter hoher Kran ragt in den Sommerhimmel

Einige hundert Meter entfernt, am sogenannten Ford-Turm, ragt ein 40 Meter hoher Kran in den Sommerhimmel. Ein Stück der Außenfassade ist geöffnet. Im Inneren warten außerhalb der Werksferien bis zu 350 lackierte Karosserien darauf, in die Endmontage gebracht zu werden. Insgesamt vier Regalbediengeräte heben die Roh-Fahrzeuge auf ihre Positionen in den zwölf Etagen – angeordnet wie in einem Supermarktregal. „Manchmal wird der Turm viermal am Tag gefüllt und im Anschluss wieder geleert“, sagt Susanne Schüller (27), die derzeit als Projektleiterin dafür verantwortlich ist, dass eines der vier Bediengeräte erneuert wird. Die Kosten liegen im einstelligen Millionenbereich.

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Ein Kran steht vor dem Ford-Werk.

„Wir investieren in den Standort Köln, um die Anlagen und Abläufe kontinuierlich zu optimieren“, sagt Ford-Sprecher Marko Belser. Das neue Groß-Gerät wird am Boden zusammengebaut. In Kürze soll es mit einem 300 Tonnen-Kran in den Turm gehoben werden. Den geruchlich anspruchvollsten Part haben die Mitarbeiter der Instandhaltung in der Lackiererei. Ein beißender Geruch liegt über den drei Becken, wo der feine Lacknebel, der nicht auf dem Auto landet, über eine Verbindung mit Wasser hingeleitet wird. „Bis zu 750 Tonnen Lackschlamm entstehen so im Jahr“, erklärt Daniel Schulz (32), der für die Instandhaltung verantwortlich ist. Im Sommer werden die Becken gereinigt und der Lackschlamm, entsorgt. Die Umweltauflagen seien hoch, so Schulz, nur rund 20 Meter von der Lackiererei entfernt, fließt der Rhein.

16 neue Roboter treten nach den Ferien den Dienst an

Dass die Effizienz in einem der nach Aussagen von Ford effizientesten Werke der gesamte Automobilbranche noch gesteigert werden kann, lässt sich im sogenannten Rohbau beobachten. Hier werden mit dem Ende der Ferien 16 neue Roboter ihren Dienst antreten. Zusammen mit sechs älteren Robotern fügt sich die neue Fertigungszelle besser als bislang in die Produktionslinien ein. Im Moment wird das neue Ensemble erstmal programmiert. Erreicht wird ein „No Touch System“, sagt Uwe Weins (51), Produktionsleiter Rohbau. Das heißt, in diesem Stadium des Fertigungsprozesses braucht es weniger bis keinen menschlichen Kontakt zu den Blechbauteilen mehr. Das sei nicht branchenüblich und in der Menge der Anwendungen einzigartig in Köln.

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Handarbeit gebe es aber immer noch, vor allem in der Endmontage. Für die Fertigung der Seitenwände des Fiesta, die dann an die Rohkarosse geklammert werden, werden künftig weniger Transportwege nötig sein. „Rund ein Jahr und 5000 Arbeitsstunden haben wir für die Vorbereitung gebraucht“, erzählt Michael Koch (42), Automationsingenieur. In Kürze starten die ersten Tests - in der Hoffnung, dass alles glatt läuft.

Am Montag, den 26. August um Punkt sechs Uhr, läuft die Produktion wieder an - das Ende der langen Stille in Niehl.

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