BankexpertenWas die höheren Zinsen für Sparer und Kreditnehmer bedeuten

Lesezeit 5 Minuten
Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), spricht während der Pressekonferenz in der EZB-Zentrale. Sie gestikuliert mit ihrer Hand. Hinter ihr sind die EU-Sterne.

Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), spricht während der Pressekonferenz in der EZB-Zentrale.

In der Eurozone steigen erneut die Zinsen. Aber welche Folgen hat das für Sparer, Verbraucher und Hausbauer? Und wie entwickeln sich die Zinsen weiter? Ein Überblick.

Fast ein Jahrzehnt lang haben sich die Immobilienkäufer an ein traumhaftes Zinsniveau gewöhnt. Wer vor sechs Jahren ein Haus kaufen wollte, konnte durchaus mit etwas mehr als 1,0 Prozent für den Darlehenszins wegkommen. Fast schon hatten sich die Menschen daran gewöhnt, dass der Preis des Geldes nahe null ist. Sparer hingegen schauten in die Röhre und gingen leer aus - oder zahlten gar Strafzinsen. Das Blatt hat sich nun gewendet, mit teilweise fatalen Folgen für Privatkunden und Bauherren.

Was hat die EZB beschlossen?

Christine Lagarde bleibt ihrem Kurs treu: Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) verkündete am Donnerstag den nächsten deutlichen Zinsschritt, um die Inflation einzudämmen. Wie schon im Dezember sollen die Leitzinsen in der Eurozone erneut um 0,5 Prozentpunkte steigen.

Es ist der fünfte Zinsschritt in Folge nach der langen Nullzinsphase bis Juli 2022. Die Leitzinsen der EZB bestimmen, zu welchen Bedingungen sich Geschäftsbanken bei den Noten- und Zentralbanken entweder Geld beschaffen oder als Guthaben anlegen können. Und das wiederum entscheidet darüber, wie hoch die Zinsen für Sparer und Kreditnehmer in der Eurozone ausfallen.

Was bedeutet das für Sparer?

Für Sparer sind steigende Leitzinsen grundsätzlich eine gute Nachricht. Schon seit dem ersten drastischen Zinssprung im September 2022 stiegen die Guthabenzinsen für Erspartes auf breiter Front, Negativzinsen fielen weg. Diese Entwicklung dürfte sich fortsetzen, sind sich Experten einig.

Da Banken und Sparkassen nun noch höhere Zinsen dafür bekommen, dass sie ihr Geld bei der Zentralbank parken, können sie diesen gestiegenen Prozentsatz an ihre Privat- und Geschäftskunden in Form von Sparzinsen weiterreichen. Aber auch der Wettbewerb wird schärfer.

So bekamen klassische Banken zuletzt Druck von ungewohnter Stelle: Neobroker wie Trade Republic und Scalable Capital überboten sich in den vergangenen Wochen mit bis zu 2,3 Prozent Zinsen auf dem Verrechnungskonto. Allerdings sollten Sparer sich die Konditionen genau anschauen. Consors, ING und diverse Autobanken locken mit Konditionen jenseits der 2,0 Prozent. Doch meist gilt das nur für Neu-Kunden und nur für wenige Monate. Danach ist wieder eine Null vor dem Komma.

Und angesichts der aktuellen Inflation von mehr als acht Prozent verlieren Sparer real Geld, ob bei 2,0 oder 0,3 Prozent. Traditionell geben Banken steigende Sparzinsen deutlich langsamer an die Kunden weiter als Kreditzinsen, und nie in voller Höhe. Geschäftsbanken, Sparkassen und Volksbanken halten sich unisono noch zurück.

Was bedeutet das für Kreditnehmer?

Das ist die Kehrseite der Zinserhöhung: Kreditnehmer müssen sich auf steigende Kosten gefasst machen, da sich die Banken das Geld, das sie selbst für ihre Kredite bei der Zentralbank zahlen, von ihren Kunden zurückholen. Bereits in den vergangenen Monaten ist die Finanzierung teurer geworden.

So zeigt die Zinsstatistik der Deutschen Bundesbank, dass die durchschnittlichen Zinssätze von Konsumentenkrediten seit April 2022 kontinuierlich gestiegen sind – auf zuletzt 6,81 Prozent im November. Auch die Bauzinsen sind gestiegen, die Bestwerte bei zehn Jahren Zinsbindung liegen deutlich über drei Prozent, kurzfristig wird es sogar noch teurer. Zur Erinnerung: Das ist eine Verdreifachung der Zinskosten, verglichen mit den Konditionen vor gut einem Jahr.

Was bedeutet es für Anleihen als Geldanlage?

Das kommt darauf an, wann diese aufgelegt wurden. „Die Renditen der Anleihen sind schon im Vorfeld der erwarteten Zinserhöhung der EZB stark angezogen. Die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen haben um zwei Prozentpunkte im Rahmen der fünf Zinsschritte der EZB zugelegt", sagt Martin Hartmann, Chief Investment Officer der Commerzbank und Spezialist für Anlagen und Notenbanken.

Profitieren kann also der, der jetzt welche kauft, wer ältere Anleihen besitzt, hat Pech: „Folglich betrug die Performances, also Kursentwicklung und Rendite, für länger laufende Bundesanleihen vergangenes Jahr minus 18 Prozent“, sagt Hartmann im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Was bedeutet das für Aktien?

Eigentlich fallen die Aktienkurse, wenn die Zinsen steigen. Das liegt daran, dass die Anlage in Sparguthaben oder Anleihen attraktiver wird und Investoren Geld vom Aktienmarkt abziehen. Das ist diesmal aber nicht passiert. Der Dax stieg gegen die alte Börsenregel von 15.200 auf fast 15.500 Punkte.

Wie geht es mit den Zinsen weiter?

„Wir erwarten, dass die EZB die Leitzinsen noch in zwei Schritten im März und Mai weiter anheben wird. Konkret rechnen wir mit einem weiteren Anstieg um insgesamt 0,75 Prozentpunkte. Danach erwarten wir eine Zinspause, also keine weiteren Erhöhungen, da die Inflation ja schon rückläufig ist und ihren Zenit überschritten zu haben scheint", sagt Commerzbanker Hartmann.

Die Inflationsrate im Januar betrug 8,5 Prozent, der Höhepunkt wurde im Oktober bei 10,6 Prozent erreicht. „Die langfristigen Renditen könnten im Jahresverlauf etwas zurückgehen. Sinkende Leitzinsen erwarten wir im Euroraum aber erstmal nicht“, so der Banker weiter.

Reicht die Zinserhöhung, um die Inflation zu drücken?

Das ist die große Frage. Genau weiß es niemand. „Die Zinserhöhung mag auf den ersten Blick vor dem Hintergrund des sich zumindest oberflächlich betrachtet aufhellenden Inflationsbildes überraschen. Doch ein genauerer Blick in die Preisdaten verrät schnell, weshalb die Euroland-Währungshüter von ihrem Leitzinserhöhungspfad noch nicht abgewichen sind.

Zwar sind die Euroland- und die deutsche Inflationsrate von ihren Hochs mittlerweile spürbar abgeschmolzen, doch dies ist im Wesentlichen auf den deutlichen Rückgang der Energiepreise und auf Basiseffekte zurückzuführen. Der unterliegende Preisdruck ist hingegen weiterhin hoch", sagt Carsten Wesselmann, Chefvolkswirt der Kreissparkasse Köln. Dies komme in der unverändert hohen Kerninflationsrate zum Ausdruck.

Dies ist die Teuerungsrate ohne Energie und Nahrungsmittel, und diese ist der entscheidende Indikator zur Beurteilung des unterliegenden Inflationsdrucks. „Denn sie zeigt, wie weit sich die Inflation bereits in die Wirtschaft ‚gefressen‘ hat. Es wird noch einige Zeit dauern, bis die Kerninflationsrate spürbar nach unten dreht“, sagt Wesselmann.

Von den rund 650 Gütern, die im Verbraucherpreisindex enthalten sind, weise die deutliche Mehrheit eine Teuerungsrate von merklich über zwei Prozent und damit über der Zielmarke der EZB aus. „Der Anstieg des Verbraucherpreisindex ist also breit begründet, und für eine Entwarnung aus geldpolitischer Sicht ist es somit noch zu früh. Die EZB steht unter Zugzwang, mit weiteren Zinserhöhungen auf die aktuelle Gemengelage zu reagieren“, sagt Chefvolkswirt Wesselmann.

KStA abonnieren