Wichtiger Tag für BayerEU entscheidet über erneute Glyphosat-Zulassung

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Das Bayer Kreuz, Logo des Unternehmens Bayer, steht zwischen Bäumen am Flughafen Köln/Bonn. Der Agrarchemie- und Pharmakonzern Bayer verkauft seine Tierarzneimittel-Sparte für 7,6 Milliarden US-Dollar (6,85 Mrd Euro) an den US-Konzern Elanco. Das teilte Bayer am Dienstag in Leverkusen mit. +++ dpa-Bildfunk +++

Das Bayer-Kreuz, Logo des Unternehmens Bayer, steht zwischen Bäumen am Flughafen Köln/Bonn.

Die EU berät über den umstrittenen Unkrautvernichter Glyphosat. Für den Leverkusener Bayer-Konzern geht es um Milliarden.

Am Donnerstag stimmt der Berufungsausschuss der EU darüber ab, ob der weltweit am meisten verwendete Herbizid Glyphosat zugelassen bleibt oder verboten wird. Was ist zu erwarten?

Die EU-Kommission hat eine Verlängerung der Zulassung um zehn Jahre empfohlen. Dafür gab es im Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel Mitte Oktober zwar eine deutliche Mehrheit für den Antrag der EU-Kommission (18 von 27 Ländern), aber die notwendige qualifizierte Mehrheit der Mitgliedstaaten für oder gegen den Vorschlag kam nicht zustande.

Mit Nein stimmten Kroatien, Österreich und Luxemburg. Bulgarien, Belgien, Deutschland, Malta, Frankreich und die Niederlande enthielten sich. Nun kommt der Vorschlag vor den Berufungsausschuss. Gibt es erneut keine Mehrheit, kann die Kommission selbst entscheiden. Frankreich plädiert für einen Kompromiss: eine Verlängerung um sieben oder acht Jahre. Mittlerweile gilt es als nicht mehr so wahrscheinlich, dass die Kommission dies aufnimmt.

Wie wird Deutschland abstimmen?

Bundesagrarminister Cem Özdemir und Umweltministerin Steffi Lemke (beide Grüne) plädieren für ein Glyphosat-Verbot. Weil aber die FDP auf eine Zulassungsverlängerung drängt, wird erwartet, dass sich Deutschland auch bei der erneuten Abstimmung enthält – gemäß den Regeln der Koalition, die bei Uneinigkeit Enthaltung vorsehen. Die SPD agiert bislang eher verhalten. Allerdings: Ein Nein Deutschlands zur Zulassungsverlängerung würde noch nicht reichen, um diese zu stoppen. Zu den bisherigen Opponenten müssten elf weitere Länder stoßen.

Im Ampel-Koalitionsvertrag steht: „Wir nehmen Glyphosat bis Ende 2023 vom Markt.“ Bleibt das gültig, wenn die Zulassung verlängert wird?

Das ist eher unwahrscheinlich. „Solange der Wirkstoff auf der europäischen Ebene zugelassen ist, sind den Mitgliedstaaten bei generellen Verboten enge Grenzen gesetzt“, sagt die Grünen-Umweltpolitikerin im Europäischen Parlament, Jutta Paulus. Sie plädiert dafür, die Glyphosatnutzung zumindest stärker einzuschränken. „Den Bedenken ließe sich etwa dadurch Rechnung tragen, dass man für die Anwendung größere Abstände zu Siedlungen oder zu Gewässern festschreibt“, sagt Paulus. Anders als in anderen EU-Ländern ist die Glyphosat-Verwendung kurz vor der Ernte in Deutschland bereits verboten.

Warum wird über das Thema gestritten?

Für viele Bauern ist das unter anderem unter dem Bayer-Namen „Roundup“ verkaufte Glyphosat das zentrale Pflanzengift, mit dem sie Unkraut auf ihren Feldern bekämpfen – auch weil sein Preis deutlich unter dem von anderen Mitteln liegt. Bei einem Verbot müssten sie sich umstellen. Das würde kosten. Agrar- und Umweltministerium verweisen darauf, dass Glyphosat als sogenanntes Totalherbizid bis auf die darauf angepassten Anbaupflanzen alle Pflanzen abtöte. Dadurch fänden Insekten weniger Nahrung – mit Auswirkungen auf den gesamten biologischen Kreislauf: Insekten sorgen über Bestäubung für die Fortpflanzung von Pflanzen und dienen unter anderem Vögeln als Futter. Verwiesen wird auch auf den Verdacht, dass Glyphosat krebserregend sein könnte. Dass Glyphosat tierische Organismen schädigt, galt bislang als unwahrscheinlich. 

Wie gefährlich ist Glyphosat für Menschen?

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat Glyphosat im Juli als unbedenklich eingestuft. Die EU-Kommission stützt ihre Verlängerungsempfehlung auf diese Bewertung. Unter anderem das Bundesagrarministerium weist aber darauf hin, dass die Behörde an vielen Stellen Datenlücken deutlich gemacht hat. Anders gesagt: Eine sichere Aussage könne die EFSA gar nicht treffen. Die Internationale Agentur für Krebsforschung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) stufte Glyphosat 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“ ein. In den USA hat Bayer gerade zum dritten Mal in Folge einen Rechtsstreit verloren. Dem krebskranken Kläger wurde eine Entschädigung in dreistelliger Millionenhöhe zugesprochen. Allerdings hat der Dax-Konzern auch schon mehrere US-Verfahren gewonnen.

Was würde passieren, wenn Glyphosat verboten wird?

Landwirte müssten sich umstellen: Der Einsatz anderer Pflanzengifte wäre vermutlich teurer und nicht unbedingt umwelt- und gesundheitsfreundlicher. Alternativ ließen sich mit häufigerem Pflügen Unkraut-Wurzeln kappen. Die Landwirte müssten dann mehr Geld für Traktor-Treibstoff aufwenden. Glyphosat-Befürworter warnen vor einem Anstieg der CO2-Emissionen durch Dieselverbrauch und Freisetzung aus dem Boden. Paulus sagt, dies falle nicht so ins Gewicht. Traktoren seien für gerade mal drei Prozent der Emissionen aus der Landwirtschaft verantwortlich, weit hinter CO2 aus entwässerten Böden und Düngerherstellung. Ohnehin empfohlen wird vom Agrarministerium, Pflanzenkrankheiten durch Wechsel von Anbau und mehr Mischkulturen zu reduzieren.

Welche Folgen hat das für Bayer und andere Hersteller?

Glyphosat ist ein Milliardengeschäft. Auch für den Leverkusener Bayer-Konzern stehen gewaltige Summen auf dem Spiel. „Was Umsatzzahlen angeht, so trägt der Wirkstoff Glyphosat zum Großteil unserer Umsätze im Bereich Herbizide bei“, sagte ein Sprecher jüngst dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Mit Herbiziden – Pflanzengiften also, Bayer bevorzugt den Fachbegriff Pflanzenschutzmittel – erlöste das Dax-Unternehmen im vergangenen Jahr rund 8,3 Milliarden Euro. Mehr als 16 Prozent des Konzernumsatzes machten sie aus, eine von Bayer nicht näher bezifferte Mehrheit davon entfiel auf Glyphosat-haltige Mittel wie Roundup.

„Das bisherige Abstimmungsergebnis hat gezeigt, dass es möglich ist, in Europa Mehrheiten auf der Grundlage einer soliden wissenschaftlichen Bewertung durch die nationalen und europäischen Behörden zu erreichen,“ heißt es von Bayer.  Man sei daher nach wie vor zuversichtlich, dass Glyphosat erneut genehmigt werde und damit auch in den kommenden Jahren Landwirten für die integrierte Unkrautbekämpfung zur Verfügung stehe.

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