Modifizierte ZellenWie ein Kölner Unternehmen den Krebs besiegen will

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Cellex Köln

Krebstherapie

Köln – Gerhard Ehninger hat sich dem Kampf gegen den Krebs verschrieben. Nach etlichen Behandlungserfolgen bei Brustkrebs und Leukämie, testete er in den 80er-Jahren die Übertragung von Blutstammzellen unverwandter Spender an Patienten – musste aber bald feststellen, dass diese Mangelware sind. Infolgedessen gründete er 1991 gemeinsam mit Peter Half die Deutsche Knochenmarkspenderdatei (DKMS).

An der Universität Dresden baute Ehninger ein Zentrum zur Behandlung von Tumorerkrankungen auf und hat zudem eine neuartige Krebstherapie mitentwickelt. Unter anderem von Köln aus versucht er, auf dieser Weise den Krebs zu besiegen.

Im Labor modifiziert

Car-T-Zell-Therapie heißt der Ansatz, den Ehninger mit seinem Unternehmen Cellex durchführt. Krebspatienten, bei denen bisherige Therapien nicht oder nicht stark genug anschlugen, werden bei dieser Therapie gesunde Zellen entnommen, in Laboren modifiziert und wieder eingesetzt. Im Körper greifen sie dann gezielt Krebszellen an und vermehren sich schneller.

Das T in Car-T steht für T-Zellen, also weiße Blutzellen, die im Körper für die Immunabwehr verantwortlich sind. Car steht für chimäre Antigenrezeptoren – also für Antennen, die auf körperfremde Stoffe reagieren. „Sie erkennen sehr spezifisch bestimmte Zelltypen – man kann ihre Antennen auf bestimmte Merkmale von Leukämie-, Lymphdrüsen oder Knochenmarkkrebszellen ausrichten“, erklärt Ehninger im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Verbesserte Immunantwort erhofft

Doch es gibt zweierlei Schwierigkeiten: Rund ein bis zwei Monate braucht es, die modifizierten Zellen im Labor zu züchten. „Die Zellen können von vorherigen Chemotherapien ermüdet sein und schaffen es trotz Turbos womöglich nicht, sich ausreichend zu vermehren“, erklärt Ehninger. Das brachte ihn auf eine neue Idee: „Stattdessen wollten wir gesunde Zellen von gesunden Spendern nehmen und sie so verändern, dass sie den Patienten nicht als fremd erkennen – dadurch hofften wir auf eine verbesserte Immunantwort.“

Gerhard Ehninger

Gerhard Ehninger

Ein weiterer Vorteil dieser neuen Therapieform sei, dass die Zellen schnell zur Verfügung stünden – schließlich habe man genug Zeit, sie herzustellen. Mit den Zellen von 30 gesunden Spendern könne so rund 50 bis 100 Krebspatienten geholfen werden. „Derzeit kostet eine Car-T-Therapie etwa 300.000 Euro – wir gehen davon aus, dass wir den Preis mit der neuen Therapie deutlich senken können, weil wir von einem Spender zahlreiche Patienten behandeln können.“ Einen finalen Preis will Ehninger aber noch nicht nennen.

Bewusst Köln gewählt

Bei Cellex in Köln-Ossendorf werden die Zelltherapieprodukte hergestellt, erzählt er. „Wir nehmen europaweit Zellen von Patienten an, verändern sie selbst oder bringen sie in Form, um sie eingefroren in die USA zu schicken, wo sie anschließend verändert werden, und reimportieren sie dann nach Europa“, erklärt er. Das mache das Unternehmen auch für akademische Einrichtungen. Der Standort kommt nicht von ungefähr, schließlich sei er logistisch gut angeschlossen. „Köln liegt im am dichtest bevölkerten Teil Europas – mit vielen Universitäten, potenziellen Mitarbeitern und Studenten.“

Offenbar will Ehninger auch hier bleiben: „Wir erweitern gerade um eine weitere Halle. Sollte es dort zu eng werden, überlegen wir, selbst noch zu bauen.“ Im MediaPark habe man zudem den eigenen Angaben nach weltweit größten Standort für Blutstammzellentnahmen. Lediglich in einer Sache habe er hier schon öfter schlechte Erfahrungen gemacht: „Wir warten lange auf Baugenehmigungen, nur weil wir zwei Löcher in die Wand bohren wollen.“

250 Millionen Dollar aus den USA

In Dresden widmet sich ein weiteres Unternehmen von Ehninger dem Kampf gegen den Krebs – und will ein weiteres Problem der Car-T-Therapien beiseite räumen. Denn dabei kann es zu einer Überschussreaktion, dem lebensgefährlichen Zytokinsturm, kommen: „Die Zellen schütten Alarm-Hormone aus, das kann zu Schäden in der Lunge führen“, erklärt Ehninger. Aus dem Grund wird das Verbindungsstück, das die schädlichen Zellen erkennt, separat hinzugegeben und so die Therapie je nach Bedarf an- und ausgeschaltet.

Wie vielversprechend die Therapien und Ehningers Forschungen sind, wird deutlich am 250 Millionen Dollar schweren Investment, das die US-Firma Blackstone getätigt hat und so einige Umstrukturierungen stattfanden. Blackstone und Cellex haben gemeinsam mit dem Genscheren-Unternehmen Intellia eine neue Firma namens AvenCell gegründet – an ihrem Standort in Cambridge, USA, soll ebenfalls an den Therapien geforscht werden. Besagtes Dresdner Unternehmen Gemoab ist seitdem eine AvenCell-Tochter und bleibt erhalten.

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Mit den neuen Partnern will Ehninger auch die teuren klinischen Studien zu den Therapien durchführen. „Wir haben in derzeit laufenden Studien 20 Patienten mit unseren Cars von AvenCell behandelt und ermutigende Ergebnisse bekommen“, sagt er. Offenbar so ermutigend, dass Ehninger die Therapie auch für andere Tumorarten erforschen will. An Begeisterung für sein Fach mangelt es ihm zumindest nicht: „Wenn du Zellspender bist und damit 100 Krebspatienten helfen oder zumindest neue Hoffnung machen kannst, ist das gigantisch“ sagt er und appelliert an alle, sich als Spender zu registrieren.

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