„Die GDL-Spitze hat überzogen“Wie Bahn und Lokführer um den nächsten Streik und die 35-Stunden-Woche ringen

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Ein Regionalzug hält am Berliner Hauptbahnhof.

Bahnstreik ab Mittwoch? Noch versucht die DB, das zu verhindern. (Archivbild)

Die GDL ruft zum Streik über 64 Stunden auf. Die Bahn will den Ausstand noch stoppen. Wie stehen die Chancen?

Der Gang vors Gericht gehört bei Bahnstreiks zum Standard-Repertoire. So auch diesmal. Die Deutsche Bahn und der Regionalanbieter Transdev reichten am Montag beim Arbeitsgericht Frankfurt Eilanträge ein gegen die geplanten Arbeitsniederlegungen der Lokführergewerkschaft GDL, die am Dienstag beginnen sollen. Unterdessen ist beim Knackpunkt des Tarifkonflikts - Einführung der 35-Stunden-Woche bei vollem Lohn - keinerlei Annäherung zu erkennen.

Bis zum Montagnachmittag lagen die Entscheidungen des Gerichts noch nicht vor. GDL-Chef Claus Weselsky zeigte sich am Montagmittag zuversichtlich: „Wir setzen darauf, dass das Recht auf unserer Seite ist. Wir haben rechtmäßig Forderungen erhoben.“ Er fügte hinzu: „Die Durchführung eines dreitägigen Streiks ist bestimmt nicht unverhältnismäßig.“ Weselsky hatte die Verhandlungen mit der DB für gescheitert erklärt, und er hat die GDL-Mitglieder hinter sich. 97 Prozent haben bei einer Urabstimmung für Arbeitskampfmaßnahmen gestimmt, die sogar unbefristet sein können.

Bundesweiter Streik über 64 Stunden

Sollte sich das Arbeitsgericht seiner Argumentation anschließen, müssen sich Fahrgäste bundesweit auf einen Ausstand über 64 Stunden einstellen. Am Mittwoch um 2 Uhr wollen Lokführer und Zugbegleiter die Arbeit niederlegen und sie erst am Freitag um 18 Uhr wieder aufnehmen. Der Güterverkehr würde schon am Dienstag ab 18 Uhr bestreikt. Die Bahn hat bereits einen Notfahrplan auf die Beine gestellt. Insbesondere im Fernverkehr wird ein großer Teil der Züge stehen bleiben.

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Die DB kritisiert die Arbeitskampfmaßnahmen scharf: „Dieser Streik ist nicht nur absolut überflüssig, sondern wir halten ihn auch rechtlich für nicht zulässig“, sagte Personalvorstand Martin Seiler. Die GDL habe ihre Tariffähigkeit durch die Gründung ihrer Leiharbeiter-Genossenschaft verloren. Aus Seilers Sicht ist nun nicht mehr klar, ob die Organisation eine Arbeitnehmervertretung oder ein Arbeitgeber ist. Das führt nach seinen Worten zu massiven Interessenkonflikten für handelnde Personen.

Der DB-Manager erinnert außerdem daran, dass er Ende voriger Woche ein erweitertes Angebot vorgelegt habe, mit dem er der GDL-Kernforderung zur Arbeitszeit einen großen Schritt entgegen komme. „Es ist jetzt an der Zeit, wieder zu verhandeln. Die GDL-Spitze hat überzogen, sie muss sich endlich besinnen“, so Seiler.

Weselsky spricht von Scheinangebot der DB

Weselsky hält dagegen und spricht von einem Scheinangebot: „Die Kernforderung zur Absenkung der Wochenarbeitszeit wird fast ins Lächerliche gezogen, indem die Bahn anbietet, dass Beschäftigte natürlich ihre Arbeitszeit absenken können auf 35 Stunden, allerdings auch bei Reduzierung des jeweiligen Lohnes.“ Das stehe diametral zu dem, was die GDL wolle - die schrittweise Absenkung der Wochenarbeitszeit bei Beibehaltung der derzeitigen Entgelte. Wer Ahnung vom Tarifgeschäft habe, könne aus der neuen Offerte ansonsten herauslesen: Nichts Genaues weiß keiner, so der GDL-Vorsitzende.

Für ihn zieht auch das Argument mit der Genossenschaft, die Fair Train heißt, nicht. Der Deutschen Bahn gehe es nur darum, die Lokführer abzustoppen. Seit der Gründung der Fair Train im Juni 2023 wüssten die DB und alle anderen Arbeitgeber davon. Und: „Auch Gewerkschaftsmitglieder dürfen das. Wir haben die Unabhängigkeit gewahrt, wir haben Tarifverträge mit der Fair Train verhandelt.“

Bahn spricht von „personellen Verknüpfungen“ bei der GDL

Die von der Bahn behauptete personelle Verknüpfung zwischen denjenigen, die der Verhandlungen führen, und denjenigen, die im Vorstand der GDL sind, gebe es nicht, erläutert Weselsky. Ohnehin handele es sich bei dieser gerichtlichen Auseinandersetzung um ein langwieriges Verfahren. Es sei unzulässig, dies nun mit den Anträgen auf einstweilige Verfügungen zu koppeln: „Wir halten das, was die Bahn von sich gibt, für juristisch nicht haltbar.“

Der Staatskonzern hat die Lokführer aufgefordert, am Mittwoch die Tarifgespräche wieder aufzunehmen. Doch die Chancen dafür waren am Montag äußerst gering. Weselsky: „Derzeit sagt Herr Seiler, er will nicht in die Absenkung der Wochenarbeitszeit mit Lohnausgleich. Und wenn er das sagt, gibt es keinen Grund an den Verhandlungstisch zurückzukommen.“ Das deutet darauf hin, dass es weitere Streiks und weitere Anträge auf Streikverbote geben könnte.

Allerdings hatte das Frankfurter Arbeitsgericht Mitte Mai einen Streik der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), die mit der GDL konkurriert, in quasi in letzter Minute abgewendet. Beide Seiten hatten sich seinerzeit auf einen verpflichtenden Vergleich geeinigt und zugesichert „zügig und konstruktiv zu verhandeln, mit dem Ziel eines baldigen Abschlusses“. Die zuständige Richterin hatte damals mehrfach angedeutet, sie habe Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Arbeitskampfmaßnahmen.

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