EnergiekostenDer Gaspreis kennt nur eine Richtung ... abwärts

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Ein Gaszähler hängt in einem Privathaus an einer weißen Wand.

Gaszähler in einem Privathaus.

Die Versorgung mit Erdgas ist in diesem Winter gesichert, selbst wenn es nochmal bitterkalt wird. Ein großes Angebot drückt die Preise.

Von der Energiekrise ist beim Erdgas kaum noch was zu spüren. Die ungewöhnlich hohen Temperaturen im November und Dezember haben für sinkende Notierungen an den Energiebörsen gesorgt. Wir erläutern, was das für die Verbraucher bedeutet.

Wie hat sich die Nachfrage nach Erdgas in den vergangenen Monaten entwickelt?

Die Nachfrage nach dem Brenn- und Rohstoff ist bescheiden. Der für Ende Oktober erwartende stark steigende Bedarf ist weitgehend ausgeblieben. Denn in diesem Jahr waren nicht nur der Oktober, sondern auch der November und der Dezember in Deutschland außergewöhnlich warm. Den Auswertungen des Gasspeicherverbandes Ines zufolge, liegt der Temperaturverlauf in dieser Heizsaison sogar noch über dem Jahr 2020, als die Celsiuswerte schon ungewöhnlich hoch waren.

Welche Auswirkungen hat das warme Wetter auf den Erdgas-Großhandel?

Im Großhandel sinken die Notierungen seit Monaten kontinuierlich. Besonders seit Oktober geht es nach unten. Und die Händler an den europäischen Energiebörsen erwarten auch für die nächsten Wochen weiter niedrige Preise. Gas zur Lieferung im Februar ist zu Wochenbeginn unter die Marke von 30 Euro pro Megawattstunde gefallen. Am Dienstagmorgen waren es sogar nur gut 29 Euro. Dieses Niveau wurde zuletzt im Spätsommer 2021 erreicht.

Welche Rolle spielt dabei das Angebot?

Das ist der zweite wichtige Faktor. Das Angebot ist derzeit größer als vielfach erwartet wurde. Die USA sind im vergangenen Jahr zum weltgrößten Exporteur geworden. Ein Großteil geht nach Europa: Allein im Dezember 2023 wurden nach Berechnungen des Analysehauses Kpler täglich insgesamt 2800 Gigawattstunden in Europa angelandet. Zum Vergleich: Der hiesige Gesamtverbrauch lag in diesem Monat bei durchschnittlich rund 2500 Gigawattstunden pro Tag.

Woher kommt das Erdgas außerdem?

Der wichtigste Versorgungsstrang für Deutschland ist indes Norwegen, das das Methan über Pipelines gen Süden pumpt. Russisches Gas wird zwar nicht mehr direkt nach Deutschland eingeführt. Für den europäischen Markt ist es aber nach wie vor enorm wichtig. Die Importe wurden in den vergangenen Monaten sogar deutlich gesteigert. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Pipeline, die durch die Ukraine führt und Südosteuropa sowie Österreich beliefert.

Ist Russland auch im LNG-Geschäft aktiv?

Ja, der russische Monopolist Gazprom hat auch seine LNG-Ausfuhren massiv gesteigert. Einer der größten Abnehmer ist Spanien, obwohl das Land mit seinen zahlreichen LNG-Terminals und einer Pipeline nach Algerien einige Alternativen hat. Analysten machen aber darauf aufmerksam, dass das russische Gas zu extrem niedrigen Preise angeboten wird.

Müssen wir uns also keine Sorgen mehr um die Gasversorgung machen?

Die Lage hat sich entspannt: Die heimischen Gasspeicher waren am Sonntag noch fast zu 84 Prozent gefüllt. „Solange keine zusätzlichen Risiken eintreten, ist für den verbleibenden Winter eine Gasmangellage selbst bei extremer Kälte nicht mehr zu befürchten. Vor dem nächsten Winter 2024/2025 können die Gasspeicher erneut vollständig befüllt werden“, sagte Ines-Geschäftsführer Sebastian Heinermann am Dienstag. Er geht davon aus, dass die unterirdischen Reservoire im Oktober wieder komplett gefüllt sein werden. Was ein guter Start für den nächsten Winter wäre.

Was bedeutet all dies für die Verbraucher hierzulande?

Erdgas hat sich in den vergangenen Monaten auch für Privathaushalte kontinuierlich verbilligt. Nach Berechnungen des Vergleichsportals Check24 zahlt ein Musterhaushalt mit einem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden (kWh) derzeit im Schnitt knapp 2200 Euro im Jahr. Neukunden können derzeit Verträge mit etwa 8,5 Cent pro kWh abschließen. Dann kommen sogar nur noch etwa 1700 Euro per annum zusammen. Während der Energiekrise waren es bis zu 40 Cent.

Wird es bei diesen Preisen bleiben?

In den nächsten Monaten werden die Tarife belastet durch die Erhöhung der CO2-Abgabe (45 statt 30 Euro pro Tonne) und die geplante Wiedererhöhung der Mehrwertsteuer auf Erdgas von 7 auf 19 Prozent. Laut Check24 resultiert daraus eine rechnerische Mehrbelastung für den Musterhaushalt von etwa 200 Euro im Gesamtjahr.

Was kommt noch hinzu?

Der Wegfall der staatlichen Subventionen für die Netznutzung. Florian Biederbach, Chef des größten deutschen Stadtwerks in München, sagte kürzlich im RND-Interview, dass die Versorger kurzfristig zur Erhöhung der Tarife gezwungen seien. Aufschläge können aber zumindest abgemildert werden, wenn die Großhandelspreise weiter sinken. Verbraucherschützer und auch Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur, empfehlen Privathaushalten, sich nach günstigen Konditionen umzuschauen.

Welche Szenarien sind für die nächsten Monate wahrscheinlich?

Großhändler setzen auf relativ hohe Temperaturen bei einem großzügigen Angebot. Für März und April werden derzeit Lieferverträge für 29 bis 30 Euro pro Megawattstunde abgeschlossen. Ähnlich sieht es für den Beginn der Heizsaison im Herbst 2024 aus. Ein kleiner Schub auf 35 Euro wird für den Januar 2025 erwartet.

Wie groß sind die Unsicherheiten?

Die sind tatsächlich enorm. Unter anderem will die ukrainische Regierung zum Jahresbeginn 2025 die Pipeline, die durch ihr Land verläuft, dichtmachen. Die Auswirkungen auf die Erdgaspreise sind derzeit schwer einzuschätzen. Zudem stellt sich die Frage, wie lange die Gasschwemme noch anhält. Dabei dürfte das Verhalten Russlands maßgeblich sein. Viele Analysten gehen derzeit davon aus, dass Präsident Wladimir Putin einerseits die Einnahmen aus dem Gasgeschäft braucht, um den Ukrainekrieg zu finanzieren und dass er andererseits mit niedrigen Preisen Konkurrenten vom europäischen Markt vertreiben will.

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