Erfolg auf chinesischer PlattformWie Kölner Keksteig einen TikTok-Hype ausgelöst hat

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TikTok-Screenshot

Nutzerinnen wie @xj0line haben mit Videos dabei geholfen, Cookie-Bros bekannt zu machen.

  • Cookie-Bros ist eine Marke des Kölner Unternehmens SD Sugar Daddies. Bei TikTok hat sich seit Anfang des Jahres ein Hype um den Keksteig entwickelt.
  • Geschäftsführer Mark Mühürcüoglu erklärt, wie es dazu gekommen ist und nach welchen Kriterien er die Influencer für die Kampagne ausgewählt hat.
  • Auch andere Firmen probieren sich aktuell auf TikTok, der Erfolg fällt sehr unterschiedlich aus.

Köln – Cookie-Bros, einen Keksteig zum Löffeln der Kölner Firma SD Sugar Daddies, gibt es Anfang des Jahres bundesweit in rund 1500 Supermärkten. Inzwischen, so Mitgründer und Geschäftsführer Mark Mühürcüoglu, seien daraus 8000 geworden. Zwischenzeitlich sei der Run auf die 160-Gramm-Becher so groß gewesen, dass das Unternehmen Schwierigkeiten gehabt habe, Verpackungsmaterial zu besorgen. Die Vorräte für den Rest des Jahres seien innerhalb von sechs Wochen ausverkauft gewesen. Der Schlüssel zu diesem explosiven Wachstum: die Social-Media-Plattform TikTok.

TikTok, ein Produkt des chinesischen Konzerns Bytedance, ist das am stärksten wachsende Netzwerk der Welt: Dem Analyse-Unternehmen „Sensortower“ zufolge wurde die App im Februar fast 113 Millionen Mal runtergeladen, laut den Analytikern von „App Annie“ häufiger als Whatsapp, Facebook und Instagram. TikTok selbst kalkulierte im Oktober noch mit 800 Millionen Nutzern, inzwischen dürfte die Milliardengrenze locker überschritten sein. Datenschützer kritisieren die Plattform immer wieder, manchen reicht, dass sie aus China stammt, andere sagen, sie schütze ihre jungen Nutzer nicht ausreichend vor Belästigung.

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Teenager in den Bann gezogen

Denn TikTok hat vor allem Teenager in seinen Bann gezogen. Süßwaren-Unternehmer Mühürcüoglu beschreibt die Kernnutzer als „zehn- bis 15-jährige Mädels“. So genau lässt sich das nicht festlegen, die Plattform wird gerade älter. In der Corona-Krise hat TikTok massiven Zulauf erhalten, Influencer mit großen Reichweiten auf Instagram und Youtube versuchen sich auf dem Kanal und bringen viele junge Erwachsene mit. Die meisten Nutzer dürften aber weiter Jungen und Mädchen sein, die nicht volljährig sind.

Die Faszination des Netzwerks geht von seiner Kombination von Video und Audio aus: Selbstgedrehte Clips, zwischen 15 und 60 Sekunden lang, werden mit Soundschnipseln hinterlegt und mit Effekten bearbeitet. Die Nutzer drehen unterhaltsame Videos, bewegen die Lippen zu Liedtexten und tanzen. Es entstehen täglich Trends, die sich wie Lauffeuer verbreiten – in Form von Hashtag-Challenges, bei denen Nutzer Tänze oder Lieder auf ihre Weise interpretieren oder Aufgaben erfüllen müssen. TikTok macht es auch Menschen ohne viele Follower leicht, dass ihre Videos mitunter zehntausendfach gesehen werden.

Pakete an Influencer geschickt

Mühürcüoglu und seine Kollegen bei SD haben diese junge Zielgruppe im Blick, als sie Mitte Januar den TikTok-Kanal ihrer Marke einrichten. Gleichzeitig schicken sie Pakete mit Keksteig-Proben an rund zehn mehr oder minder bekannte Nutzer. Diese Influencer, die Mühürcüoglu danach auswählt, dass sie zwar schon eine Fanbasis aufgebaut, aber noch nicht mehr als 500.000 Follower haben, müssen die Produkte nicht in die Kamera halten. Sie dürfen aber natürlich gerne, wenn es ihnen schmeckt, schreibt Mühürcüoglu ihnen.

Unter den Empfängern ist @xj0line, eine blonde Schülerin, die zu diesem Zeitpunkt rund 270.000 Follower auf TikTok angehäuft hat. Schon öfter hat sie sich den Teig selbst gekauft und ihren Fans davon erzählt, Ende Januar öffnet sie nun das Paket und schwärmt von den Produkten. So weit, so üblich in der Social-Media-Werbewelt.

Unüblich ist ein Brief, der dem Paket beiliegt. Die Kölner erklären darin, was zu tun ist, wenn es Cookie-Bros im Markt der Wahl nicht gibt: „Such den Filialleiter deines Wunsch-Supermarktes auf … und sprich ihn darauf an, dass du dir den Cookiebros Keksteig im Sortiment wünschst.“ @xj0line hält den Brief in die Kamera, das Video wird rund 190 000-mal angeschaut.

Die Saat geht auf

Die Saat geht auf: Die Kinder seien „in die Märkte gestürmt“ und hätten nach Cookie-Bros gefragt, so Mühürcüoglu. Bei SD macht sich das durch Anrufe vereinzelter Filialleiter bemerkbar: „Sie wollten wissen, was da los ist.“ Dann hätten die Zentralen der Handelskonzerne Keksteig-Bedarf angemeldet. „Ich hatte keine Vorstellung davon, dass das so durch die Decke geht“, sagt Mühürcüoglu.

Die Produktion sei kaum hinterhergekommen. Die Zahl der ausgegebenen Becher habe sich in kurzer Zeit versechzigfacht, auf dem Höhepunkt seien 200 000 Becher am Tag produziert worden. Der Hype um den Kölner Keksteig hat sich längst verselbstständigt: Inzwischen hätten sich gut 50 weitere reichweitenstarke Nutzer gemeldet und um Proben gebeten. Wer sich beim Cookie-Bros-Kauf filmt, gilt als cool. Videos mit dem Hashtag #cookiebros wurden 12,1 Millionen Mal abgespielt.

Den größten Erfolg haben Nutzervideos, nicht jene auf dem Firmenkanal. Bislang erscheinen dort etwa Aufnahmen von Rezeptvorschlägen oder Hinweise, wo im Supermarkt Cookie-Bros zu finden ist, „nicht besonders kreativ“, gibt Mühürcüoglu zu. Am Anfang sei wichtig gewesen, trendige Lieder auszuwählen und bei ersten Challenges mitzumachen.

Lebensgroßes Becherkostum

Das ist bislang noch schwierig, Mühürcüoglu hat nur die Produkte, aber keine Person vor die Kamera gestellt. Das soll sich ändern: Sie hätten ein Becher-Ganzkörperkostüm bestellt, erzählt der Kölner. Der lebensgroße Becher soll an Challenges teilnehmen und Markenbotschafter werden.

Der große Ansturm der Unternehmen auf TikTok bleibt noch aus: Während Instagram für viele längst ein Muss ist, scheuen sich viele hiesige Firmen, auf der chinesischen Plattform aktiv zu werden. Auf Anfrage nennt das Netzwerk sieben deutsche Unternehmen, die TikTok ausprobiert haben, darunter Ahoj-Brause, Otto, und Zalando.

Aus Köln ist Telekoms Mobilfunk-Tochter Congstar dabei. „Unser Ziel ist es, Congstar als relevante Marke innerhalb der jüngeren Zielgruppe zu etablieren – und die Markenbekanntheit von Congstar über deren bevorzugt genutzte Kanäle zu steigern“, sagt Niklas Breuch, Social-Media-Manager von Congstar. Ein Vertriebskanal sei TikTok nicht. Während für Cookiebros laut Mühürcüoglu wöchentlich rund 50 Euro für die Produktpakete draufgehen, nutzt Congstar gesponserte Hashtag-Challenges, um Reichweite zu generieren.

Eigenen Soundschnipsel entwickelt

Bei diesem Werbeformat, das nach Informationen dieser Zeitung für sechs Tage Laufzeit einen hohen fünfstelligen Betrag kostet, wird eine Teilnahme an der Challenge Nutzern über Banner schmackhaft gemacht, die Videos der Auftraggeber erscheinen an oberster Stelle, für die Kampagne werden beliebte Influencer vermittelt. Bei der Zusammenarbeit sei wichtig, dass ein Influencer „die Markenwerte von Congstar verkörpert“ – „kreativ, smart, zuverlässig und fair“, erklärt Breuch. Außerdem hat Congstar einen Soundschnipsel entwickelt, den alle Nutzer verwenden können und der auch in den TV-Spots von Congstar auftaucht.

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Anders als bei Cookie-Bros lässt sich der Erfolg bei Congstar nicht in Verkaufszahlen messen. Breuch sagt jedoch, das Unternehmen sei mit der bisherigen Entwicklung sehr zufrieden und führt einige Zahlen an: So habe der Kanal mehr als 38.000 Follower, die Inhalte hätten mehr als 700 000 Likes generiert.

Das Düsseldorfer Gewürzunternehmen Just Spices ist ebenfalls seit Anfang April aktiv auf TikTok unterwegs und setzt dort seine Gewürzmischungen in Szene. Die Zahlen sind jedoch noch verhalten: 223 Follower und 963 Likes schlagen Anfang dieser Woche zu Buche. Dabei präsentiert sich Just Spices auch als junges erfolgreiches Unternehmen, hat schon an Challenges teilgenommen und versucht sich an lustigen Aufnahmen.

„Es gab immer nur die gleichen Sachen“

SD-Geschäftsführer Mühürcüoglu hat eine Erklärung für den Erfolg seiner Keksteig-Marke: „Im Dessertspeisenbereich gab es für Kinder immer nur die gleichen Sachen“, sagt er und führt bekannte Pudding- und Eismarken an, „aber nie war etwas wirklich Neues für Kinder dabei. Jetzt schon“, so Mühürcüoglu. Cookie-Bros sei süß, bunt, eine coole Marke, mit 2,99 Euro erschwinglich. Es sei ihm nicht darum gegangen, Follower zu sammeln – es sind inzwischen mehr als 57.000 –, „sondern aktive Kunden, die unser Produkt kaufen“. TikTok sei dafür perfekt gewesen.

Die Erfolgsgeschichte soll nun reproduziert werden, oder wie der Firmenchef sagt: „Wir wollen die nächste Welle mitnehmen, bevor es jemand anderes macht.“ Mit ihrer zweiten Marke O-Mochi – italienisches Eis im Reisteigmantel – will die Kölner Firma bald jene etwas älteren Nutzer in den Fokus nehmen, die gerade in Massen auf die Plattform stürmen.

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