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„Fair Squared“Kölner Firma produziert Halal-Kosmetik für Muslime

Lesezeit 4 Minuten
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Halal-Kosmetik wird auf religiöse Zulässigkeit geprüft.

Köln – Der Islam ist, glaubt man Studien, die derzeit am stärksten wachsende Religion der Welt. Indonesien, das größte muslimische Land, verabschiedete bereits vor fünf Jahren ein Gesetz, wonach alle Produkte bis 2019 eine Halal-Kennzeichnung tragen müssen. Das heißt, dass sie nach islamischem Recht erlaubt sind. Auch Kosmetik muss ohne Zusätze vom Schwein sowie ohne Alkohol produziert werden. Und in Deutschland, wo etwa fünf Millionen Menschen muslimischen Glaubens leben?

„Hier tragen schönheitsbewusste Muslime noch immer häufig Produkte mit Schweinefett im Gesicht auf, weil sie kaum eine Alternative haben“, sagt Oliver Gothe. „Dabei müsste ihnen doch klar sein, dass sie keine Produkte mit Alkohol oder Schweinefett nutzen können.“ Der 49-Jährige ist Geschäftsführer der Naturkosmetik-Firma „Fair Squared“ (deutsch: Fair zum Quadrat) und sieht in dem Bereich eine Nische, die wächst. „Wir haben schnell gemerkt, dass man gute Kosmetik auch fair gehandelt und ohne tierische und alkoholische Zusätze herstellen kann“, sagt Gothe. Glaubt man dem britischen Marktforschungsunternehmen Tech Navio, könnte sich das Marktvolumen mit Halal-Schönheitsprodukten bis zum kommenden Jahr von jetzt 18 Milliarden auf dann mehr als 30 Milliarden Euro fast verdoppeln. Etwa sechs Prozent des globalen Marktes mit Schönheitsprodukten würden dann halal zertifizierte Produkte ausmachen.

Oliver Gothe

Gothe, der es nach eigenen Angaben „nie geschafft hat, länger als sechs Wochen aus Köln weg zu sein“, ist hier kein Unbekannter. 1988 gründete er – noch während des Zivildienstes – gemeinsam mit seinen Freunden Peter Klandt und Peter Ruchartz das erste Fachgeschäft für Kondome in Deutschland: Condomi. 1999 ging das Unternehmen an die Börse, Anfang der 2000er waren Gothes Condomi-Aktien mehr als 30 Millionen Euro wert. Ebenso so schnell, wie Gothe einer der jüngsten Multimillionäre des Landes wurde, kam der tiefe Fall seines Unternehmens.Kondome vertreibt er noch heute. Allerdings auch Kosmetik, Würzsaucen und Produkte, die Plastik ersetzen sollen – fair gehandelt, vegan und „halal“.

Naturkosmetik, die bezahlbar sein soll

Vor acht Jahren kam Gothe und seinem Mitgeschäftsführer Stephan Stavridis die Idee, hochwertige Naturkosmetik zu produzieren, die bezahlbar sein sollte. Sie gründeten die „Fair Squared GmbH“. „Wir wollten aber nicht nur mit fair gehandelten Produkten arbeiten, sie sollten auch bio und vegan sein“, sagt Gothe, „der Weg zu halal war dann nicht mehr so weit“.

Weil das Fairtrade-Siegel dafür in Großbritannien bereits 2011 vergeben wurde, starteten sie mit einer kleinen Produktpalette in Newcastle im englischen Nordosten. Hier vertrieben sie ihre Produkte über die Entwicklungsorganisationen Oxfam.

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Als das Fairtrade-Siegel auf Kosmetik ab 2014 auch in Deutschland vergeben wurde, verlagerte „Fair Squared“ seinen Firmensitz nach Marsdorf. Die Produktion ist in Roetgen in der Eifel. „Hier haben wir deutlich besseres Wasser“, sagt Gothe und betont die Wichtigkeit genauer Reinigungsprozeduren für die Produktion. Alle Rohstoffe seien natürlichen Ursprungs. Das Olivenöl kommt aus dem Nahen Osten, Aprikosenkern- und Mandelöl aus Pakistan.

Seit 2015 verdoppelte sich der Umsatz jährlich. Im vergangenen Jahr lag er bei 1,5 Millionen Euro, wie Gothe sagt. Die Nachfrage von Seiten des Einzelhandels steige zunehmend. Vertrieben wird in ganz Europa und Kanada in ausgewählten Drogerien, Apotheken, Welt-Läden und im eigenen Onlineshop. Allein 80 Mitarbeiter sind mittlerweile in der Produktion der 150 Kosmetik-Artikel im mittleren Preissegment – vom Shampoo bis zur Fußcreme – beschäftigt.

Umkämpfte Klientel

Zwar drängen in Deutschland auch Kosmetikriesen wie der französische Marktführer L'Oréal in den Halal-Sektor, Gothe sagt dennoch selbstbewusst: „Das ist ein Riesenmarkt. Wir sind unseres Wissens momentan die einzigen im deutschen Einzelhandel, die offensiv halal auf ihren Produkten kommunizieren.“

Zielgruppe sind auch die sogenannten „Lohas“, die gesund und nachhaltig leben. Eine auf dem Markt umkämpfte Klientel. „Das Gesundheitsbewusstsein ist gerade in der jüngeren Generation stark gewachsen“, sagt Gothe. „Das Bewusstsein für Halal-Kosmetik beginnt gerade erst“, sagt der 49-Jährige. Europaweit gebe es vermehrt Festivals, die sich dem Thema widmeten. Als Markt hat er nicht nur muslimische Länder wie die Türkei im Blick, auch Entwicklungsstaaten ließen sich dank zunehmender Digitalisierung immer besser erschließen.

Gothe würde auch gerne mit anderen Unternehmen eine gemeinsame Gesellschaft in den USA gründen. Frei von Plastik und Mikroplastik ist seine Kosmetik seit jeher. In zwei Jahren soll auch das gesamte Sortiment plastikfrei verpackt sein.

„Mir ist wichtig, dass wir vorsichtig sind und gesund wachsen“, sagt Gothe. Warum, das hat ihn die Vergangenheit gelehrt.