Finanz-Staatssekretär Gatzer„Staatsschulden müssen wieder zurückgefahren werden“

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Interview mit Staatssekretär Werner Gatzer im Konferenzraum des KSTA in Köln

Interview mit Staatssekretär Werner Gatzer im Konferenzraum des „Kölner Stadt-Anzeiger“ in Köln

Werner Gatzer ist Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Er spricht im Interview über aktuelle Herausforderungen und die Schuldenbremse.

Herr Gatzer, Sie sind seit 2005 Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Länger hat diesen Job noch niemand gemacht. Steinbrück, Schäuble, Scholz, Lindner- wer war Ihr liebster Finanzminister?

Ich habe mit allen früheren Ministern auf unterschiedliche Art und Weise sehr gut zusammengearbeitet, und auch mit Christian Lindner ist es eine sehr angenehme und wie ich finde sehr gute Zusammenarbeit.

Mit wem waren Sie denn per Du?

Da ich seit über 40 Jahren Mitglied der SPD bin, ist es nicht überraschend, dass ich mich mit Peer Steinbrück und Olaf Scholz geduzt habe. Mit Christian Lindner bin ich auch per Du, was mich sehr freut.

Was war die forderndste Aufgabe, die Sie in Ihrer Zeit als Staatssekretär bislang zu lösen hatten?

Es gab einige Herausforderungen in den letzten Jahren, insbesondere die Coronapandemie und natürlich der Angriffskrieg gegen die Ukraine und den damit zusammenhängenden Auswirkungen, insbesondere auf die öffentlichen Haushalte. Ich glaube, dass das allen Menschen einiges abverlangt hat. Ich denke, ich konnte zur Lösung der Herausforderungen einen Beitrag leisten und das freut mich.

Ist durch die Krisenpakete der vergangenen Jahre die Hemmschwelle der Politik gesunken, Schulden aufzunehmen?

Die Bundesregierung musste zur Abfederung der Auswirkungen der Krisen auf unsere Gesellschaft, insbesondere auf unsere Wirtschaft und auf die Privathaushalte mit Maßnahmen reagieren, die viel Geld gekostet haben. Dafür war es notwendig, die Möglichkeiten der Schuldenregel des Grundgesetzes zu nutzen und zusätzliche Schulden aufzunehmen. Da kann bei dem einen oder der anderen schon der Eindruck entstehen, dass das immer so weiter gehen könnte. Mit der Vorlage des Haushalts für 2024 hat die Bundesregierung aber ganz klar aufgezeigt, dass jetzt wieder die Normallage eingetreten ist und die Verschuldung wieder deutlich zurückgeführt werden muss. Ich bin sicher, dass dies nicht nur von einer breiten Öffentlichkeit unterstützt wird, sondern auch im politischen Raum.

Wie starke Bauchschmerzen hat Ihnen das 100 Milliarden – Rüstungspaket für die Bundeswehr bereitet?

Die hohen aber notwendigen Ausgaben in den letzten Jahren und auch das Sondervermögen für die Bundeswehr waren und sind weiterhin notwendig. Ich habe dadurch keine schlaflosen Nächte, denn die Bundesregierung hat im letzten Jahrzehnt sehr solide gewirtschaftet und Überschüsse erwirtschaftet. Die Verschuldungsquote des Staates war Ende 2019 seit langer Zeit wieder unter 60 Prozent im Verhältnis zur Stärke unserer Volkswirtschaft. Aktuell sind wir wegen der zusätzlichen Schulden in den letzten Jahren zwar wieder bei 67 Prozent, aber das ist kein Grund zur Sorge, zumal der Trend für die nächsten Jahre wieder Richtung 60 Prozent geht. Es gibt viele europäische Länder, die uns um diese Situation beneiden.

Seit dem Sondervermögen für die Bundeswehr fordern nun auch andere unterfinanzierte Ressorts ähnliche Pakete- zum Beispiel für die Pflege oder Bildung. Machen Sie sich Sorgen, dass das die Schuldenbremse, die Sie ja selbst einst mit implementiert haben, untergraben könnte?

Ich nehme schon zur Kenntnis, dass einige die Lösung der Probleme in der Gründung von Sondervermögen sehen. Dabei wird aber verkannt, dass in der Regel diese Sondervermögen über Schulden finanziert werden. Bei der Bundeswehr haben wir einen enormen Nachholbedarf und seit Ende Februar des letzten Jahres eine neue Zeit. Daher haben wir das Sondervermögen auch im Grundgesetz geregelt. Ebenso halte ich den Klima- und Transformationsfonds, der sogar über eigene Einnahmen verfügt, für das richtige Instrument zur Bewältigung des Transformationsprozesses und zur Bekämpfung des Klimawandels für sinnvoll. Die Bundesregierung hat aber auch beschlossen, bestimmte Sondervermögen auslaufen zu lassen. Unabhängig davon muss man wissen, dass Schulden eines Sondervermögens auch auf die Schuldenregel angerechnet werden und dadurch keine weiteren Spielräume eröffnet werden.

Ist es Ihre Aufgabe als Staatssekretär, im Finanzministerium für Kontinuität zu sorgen?

Als Haushaltsstaatssekretär sehe ich meine Aufgabe darin, der Politik Vorschläge zu unterbreiten, wie mit den vorhandenen finanziellen Ressourcen die Prioritäten so gesetzt werden können, dass die Herausforderungen gelöst, die Lebensbedingungen für die Menschen verbessert und gleichzeitig die finanzielle Handlungsfähigkeit des Staates auch für kommende Generationen gesichert werden können. Meine langjährige Erfahrung ist dabei mit Sicherheit von Vorteil.

Aber haben wir in der Vergangenheit nicht eine historische Chance verpasst, mehr in Infrastruktur und andere Zukunftsthemen zu investieren? Die Zinsen lagen bei null, für Staatsanleihen waren sie sogar negativ- das war doch eine Phase, in der man mit Schulden sogar Geld verdienen konnte.

Unser Problem in der Vergangenheit war nicht der Mangel an Geld, sondern dass wir es nicht geschafft haben, im Infrastrukturbereich das vorhandene Geld auszugeben. Die Prozesse waren zu langsam. Das wird sich hoffentlich nach den nunmehr ergriffenen Maßnahmen zur Planungsbeschleunigung ändern.

Nun hat sich die Situation verändert. Werden die hohen Ausgaben, die wir zuletzt hatten, die Investitionen der Bundesrepublik einschränken?

Mit der Vorlage des Haushalts für 2024 und die folgenden Jahre haben wir im Bundeshaushalt Investitionen in einer bisher nicht dagewesenen Höhe veranschlagt. Ferner haben wir auch zusätzliche Investitionen in den Sondervermögen. Die Investitionsquote ist gegenüber früher deutlich gestiegen.

Das Argument, die Schuldenbremse verhindere Investitionen, lassen Sie also nicht gelten.

Die Schuldenbremse sagt nichts zu Investitionen, sondern legt eine Obergrenze für die Neuverschuldung fest. Die Schuldenbremse erfordert die Setzung von Prioritäten. Und das ist Aufgabe der Politik.

Wie hat sich der Blick der Politik auf das Thema Haushalt und Schulden in Ihrer Zeit als Staatssekretär verändert?

Mit der Finanzkrise 2008/2009 und 2010 hat ein Umdenken stattgefunden. Wir haben gesehen, was passieren kann, wenn ein Staat nicht mehr in der Lage ist, sich am Finanzmarkt die notwendigen Mittel zur Aufgabenerfüllung zu beschaffen und welche Auswirkungen das auf Menschen und in der Folge auf eine Gesellschaft haben kann. Das Ergebnis ist die Schuldenregel des Grundgesetzes, die neu konzipiert wurde und eine nachhaltige Finanzpolitik sicherstellen soll. Ich glaube, dass in der Politik niemand nachhaltige Finanzpolitik infrage stellen möchte.

Gibt es Ministerien, bei denen man besonders auf die Ausgaben achten muss?

Der Bundeshaushalt ist weitgehend durch rechtliche Verpflichtungen, insbesondere im Bereich der sozialen Sicherheit, gebunden. Wenn man die Gesetze nicht ändert, dann entwickeln diese Ausgaben eine besondere Dynamik, wie wir in den letzten Jahren gerade beim Elterngeld feststellen. Das kann man hinnehmen, was aber zu Lasten von Investitionen geht. Wir haben seit einigen Jahren ein Projekt, das sich verstärkt damit beschäftigt, ob die mit einer Maßnahme oder einem Gesetz verfolgten Ziele auch eingetreten sind. Auf diese Art und Weise wollen wir dann bei der Haushaltsaufstellung noch schlagkräftiger werden und den Ministerien argumentativ entgegentreten.

Hat die Tatsache, dass Sie SPD-Mitglied sind, bei Ihrer Rolle im Finanzministerium eigentlich eine Rolle gespielt?

Immer nach einer Wahl kam die Frage in den Medien auf, ob der neue Minister an mir festhält. Ansonsten spielte das keine Rolle, beziehungsweise habe ich das nicht wahrgenommen.

Sie sind seit Herbst letzten Jahres Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Bahn. Was muss passieren, damit sie pünktlicher wird?

Ich halte die Bahn für ein sehr erfolgreiches und interessantes Unternehmen. Die Probleme möchte ich dabei nicht schönreden. Ich bin jedoch davon überzeugt, dass die Bahn sowohl im Personenverkehr als auch im Güterverkehr einen wichtigen Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels leisten kann. Dafür müssen wir jedoch noch mehr investieren und das Schienennetz verbessern. Die Digitalisierung wird hierzu ebenfalls beitragen. Verbesserungen, auch bei der Pünktlichkeit, werden aber nicht mit einem Fingerschnippen eintreten. Da kann ich nur bei den Menschen um Verständnis bitten. Ich bin aber sicher, dass die Bahn Ende des Jahrzehnts deutlich zuverlässiger sein wird.

Sie werden im November 65 Jahre alt. Zuletzt war zu lesen, dass dies Ihr letzter Haushalt gewesen sein könnte Stimmt das?

Mir macht die Aufgabe und insbesondere die Zusammenarbeit mit Christian Lindner weiterhin viel Freude. Mein Pensionsalter erreiche ich Ende 2024. Alles andere beschäftigt mich nicht.

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