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Alles hat ein Ende, auch die FleischwurstRügenwalder stellt „Schinkenspicker“ ein und setzt auf vegane Produkte

Lesezeit 3 Minuten
Wurstproduktion in einer Fleischerei (Archivbild)

Der Hersteller Rügenwalder aus Bad Zwischenahn opfert die Produktionsstrecke der klassischen Fleischwurst. (Archivbild)

Hersteller Rügenwalder hat angekündigt, Teile der Wurstproduktion zu schließen, stattdessen soll mehr veganer Aufschnitt hergestellt werden.

Fleischwurst „mit der Mühle“ bekommen Kundinnen und Kunden im Supermarkt künftig nicht mehr: Der Hersteller Rügenwalder aus Bad Zwischenahn hat angekündigt, die Produktion des sogenannten Schinkenspickers einzustellen – zugunsten von veganen Produkten, die für das Unternehmen eine immer größere Rolle spielen. „Diesen Kurs wollen wir weiter aktiv fortsetzen“, bekannte Geschäftsführer Michael Hähnel am Mittwoch.

Eigentlich hatten Untersuchungen den pflanzlichen Alternativen zu Wurst und Steak nach starken Jahren zuletzt eher mittelmäßige Wachstumsaussichten attestiert: Die Umsätze seien erstmals kaum noch gewachsen, die Mengenentwicklung gar leicht negativ gewesen, stellten etwa die Marktforschenden von GfK im vergangenen Sommer fest. Prompt beschwor unter anderem die „Bild“-Zeitung das Ende des Veggiebooms.

Nur der vegane Schinkenspicker bleibt

Bei Rügenwalder gab man sich davon indes unbeeindruckt, im vergangenen Jahr führte das Unternehmen zahlreiche neue Fleischersatzprodukte von der veganen Weißwurst bis zu hauchdünnem, Putenschinken ähnelnden, Aufschnitt ein. Letzterer verkauft sich nach Unternehmensangaben so gut, dass nun zu seinen Gunsten die Produktionsstrecke für die klassische Fleischwurst geopfert wird. Die vegane Variante des Schinkenspickers soll es allerdings weiterhin geben.

Geschäftsführer Hähnel will die Ankündigung auf keinen Fall als Werbegag im von guten Vorsätzen geprägten Januar verstanden wissen. „Diese Verschiebung im Sortiment ist kein Effekt, den wir nur jetzt im laufenden Veganuary sehen, sondern eine langfristige Entwicklung“, betonte er. Einer Rügenwalder-Sprecherin zufolge machen Fleischersatzprodukte aktuell 40 Prozent des Umsatzes beim einstigen Wursthersteller aus.

Der Anteil könnte weiter steigen, denn die Bad Zwischenahner erweitern sowohl die Kapazitäten als auch die Produktpalette: Nahe Vechta kauften sie zuletzt ein ganzes Werk für Veggieprodukte zu, die Umbauarbeiten laufen derzeit noch. Mit Start‑ups wie KoRo brachte Rügenwalder unlängst getrocknete und deshalb haltbare Fleischersatzprodukte auf den Markt. Veganes Trendfood, das Pulled Pork ähnelt, bringt Rügenwalder neuerdings mithilfe von Influencern unter die Leute.

Geht der Veggieboom weiter?

„Das oft beschworenen Ende des Veggiebooms können wir in dieser Form pauschal nicht bestätigen“, erklärte am Donnerstag außerdem Tamara Kessler von Splendid Research gegenüber dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. Die Unternehmensberater haben gerade den Markt für Fleischersatzprodukte in Deutschland neu vermessen. „Unsere Daten zeigen, dass es seit 2011 einen deutlichen und kontinuierlichen Anstieg gab bei Ernährungsweisen, die mindestens gelegentlich, wenn nicht sogar gänzlich auf Fleisch oder tierische Produkte verzichten“, meint Kessler.

Ähnlich sieht es auch Godo Roeben: Er hat das Fleischersatzgeschäft bei Rügenwalder mit aufgebaut, ist heute für den noch jungen Verband für alternative Proteinquellen (BALPro) tätig. Als es bei Rügenwalder losging, lag das Marktsegment bei 20–30 Millionen Umsatz im Jahr. „Jetzt ist eine Milliarde Euro in Sicht“, erzählt Roeben. Und: „Viele Untersuchungen gehen davon aus, dass alternative Proteinquellen bis 2040 30 bis 40 Prozent Anteil am Markt für Fleisch- und Wurstwaren haben, aktuell sind es 4 Prozent.“

Rügenwalder ist bekanntester Veggiehersteller in Deutschland

Zudem zeigen die Daten von Splendid Research, dass etwa zwei Drittel aller Käuferinnen und Käufer dem Fleischersatz treu bleiben, wenn sie ihn einmal gekauft haben – obgleich das nicht für alle Altersgruppen gleichermaßen gilt, wie Kesslers Kollege Niklas Knack betont: „Der typische Fleischersatzkonsument ist jünger als 40 Jahre, verfügt über ein mittleres bis höheres Einkommen“, sagt der Studienkoordinator bei Splendid Research.

Dort hat man außerdem etwas herausgefunden, was die Herzen in Bad Zwischenahn höher schlagen lassen dürfte: Zehn Jahre, nachdem Rügenwalder als erster großer Hersteller in Deutschland in den Fleischersatzmarkt eingestiegen war, ist die Marke dort zur mit Abstand bekanntesten avanciert. (rnd)