Gewerkschaften werden nervösRechte wollen Vertreter in Betriebsräten platzieren

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Produktion bei Daimler. Hat die AfD hier nach den Betriebsratswahlen im März einen Fuß in der Tür – oder sogar mehr?

Produktion bei Daimler. Hat die AfD hier nach den Betriebsratswahlen im März einen Fuß in der Tür – oder sogar mehr?

Köln – Sie werden zunehmend nervöser in den Führungsetagen der DGB-Gewerkschaften. Zwar bemühen sie sich, gelassen zu wirken, wenn man Fragen stellt zum Thema Gewerkschaften und AfD. Doch hinter den Kulissen sorgt die Suche nach dem richtigen Umgang mit Rechtspopulisten und Vertretern der rechtsextremen Szene für Unsicherheiten. Die am 1. März beginnenden Betriebsratswahlen werfen ihre Schatten voraus.

Schulterschluss mit AfD

Mehrere rechte, auch rechtsextreme Grüppchen bereiten sich darauf vor, Platzhirschen wie der IG Metall Mandate abzujagen. Manche suchen dabei den Schulterschluss mit der AfD. Deren Bundestagsabgeordneter Jürgen Pohl sagte dieser Zeitung: „Wir werden uns an den Betriebsratswahlen beteiligen.“ Zwar nicht direkt als AfD, wohl aber über Gruppierungen, die sich als Arbeitnehmerflügel der rechtspopulistischen Partei verstehen.

Pohl selbst hat eine dieser Gruppen gegründet. Er nennt sie „Gewerkschaft: Alternativer Arbeitnehmerverband Mitteldeutschland“ (Alarm). Außerdem gibt es AVA (Alternative Vereinigung der Arbeitnehmer) – mit Schwerpunkt in NRW – und AidA (Arbeitnehmer in der AfD). Gemeinsam ist ihnen die Kritik an den DGB-Gewerkschaften – diese würden nicht mehr die Interessen der Arbeitnehmer vertreten. Zudem bedient man die Abstiegsängste der Mittelschicht. Pohl: „Wir machen soziale Politik ohne rot zu werden. Wir wollen den alten Filz beseitigen.“

Der IG-Metall-Chef versucht, den Ball flach zu halten. In einigen Firmen sein man „auch in der Vergangenheit mit Betriebsratslisten am rechten Rand konfrontiert“ gewesen, sagt Jörg Hofmann. Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann räumt immerhin ein: „Wir beobachten die Entwicklung sehr genau.“ In vertraulichen Gesprächen verlieren einflussreiche Gewerkschafter schnell ihre scheinbare Gelassenheit. Denn es geht um mehr als nur ein paar Betriebsrats-Mandate, die vielleicht rechte Gruppen erobern werden.

Warum wählen so viele Arbeitnehmer AfD?

Es geht im Kern um die Frage, warum so viele Arbeitnehmer AfD wählen (20 Prozent bei der Bundestagswahl)? Warum überdurchschnittlich viele Gewerkschaftsmitglieder (15 Prozent) ihre Stimme der AfD gegeben haben? In Ostdeutschland sogar 22 Prozent. Das kratzt am Selbstverständnis der DGB-Gewerkschaften.

Im Zentrum der Versuche von Rechts, in Betrieben stärker Fuß zu fassen, steht das „Zentrum Automobil“ (ZA). Oliver Hilburger (48) hat es 2009 mit Beschäftigten des Daimler-Konzerns gegründet. Im Stammwerk Untertürkheim bekam ZA 2014 zehn Prozent der Stimmen und stellt vier Betriebsräte. Das ZA versteht sich als „unabhängige Gewerkschaft“, wendet sich gegen „Co-Management“ der IG Metall und „faule Kompromisse“. Man sieht sich als „alternative Arbeitnehmervertretung“ zu den „Staatsgewerkschaften“.

Kandidaten bei Daimler, Opel, VW und Audi

Ein ZA-Sprecher teilte dieser Zeitung mit, man sei „gemäß Satzung zu parteipolitischer Neutralität verpflichtet“. Es gebe „keine direkten Verbindungen“, aber trotzdem „überschneiden sich Zentrum und AfD inhaltlich und thematisch in ihrer Globalisierungs- und Kapitalismuskritik“.

Im Frühjahr tritt Hilburgers Verein auch bei Daimler in Rastatt an. Bei Opel, VW und Audi schickt das ZA ebenfalls Kandidaten ins Rennen, teilweise unter anderen Listen-Namen. Widersprüchlich ist die Lage bei Ford. Bei BMW in Leipzig ist Frank Neufert das Aushängeschild einer alternativen Liste. Er arbeitet mit Hilburger zusammen.

Neufert ist Bundes-Vize von AidA, dem Arbeitnehmergrüppchen der AfD, und sitzt für diese Partei im Zwickauer Kreistag. Fremdenfeindliches oder anderes rechtes Gedankengut findet sich zwar nicht direkt in einem aktuellen ZA-Wahl-Video. Aber mehrere ZA-Führungsmitglieder kommen aus der rechtsextremen Szene oder haben eine klar rechte Vergangenheit. Hilburger beispielsweise war früher Gittarist der Neonazi-Band „Noie Werte“. Der ZA-Schatzmeister war früher aktiv in der „Wiking-Jugend“, die wegen ihrer Nähe zum Nationalsozialismus verboten wurde. Die Kandidaten-Liste in Rastatt wird angeführt von einem ehemaligen Mitglied der badischen Neonazi-Szene. Die Liste ist damit noch nicht zu Ende.

Treffen mit Höcke, Bachmann und Elsässer

Im November hat Hilburger in Leipzig an einem Treffen teilgenommen, bei dem Vertreter rechtsextremistischer Zirkel versucht haben, ihre Streitigkeiten zu überwinden und sich für die Betriebsratswahlen zu rüsten. Auch AfD-Rechtsaußen Björn Höcke und Pegida-Gründer Lutz Bachmann waren anwesend. Als Hauptstrippenzieher der Runde gilt Jürgen Elsässer (60).

Der aus Pforzheim stammende Chef der rechten Postille „Compact“ meint: „Die Einwanderer der letzten Jahre sind Lumpenpack, das nur schmarotzen und unsere Frauen anmachen will.“ In Elsässers Dunstkreis bewegen sich noch andere rechtsradikale Organisationen, die ausdrücklich die Betriebsratswahlen nutzen wollen für Stimmenfang. In Leipzig verkündete Elsässer: „Wir eröffnen eine neue Front zur nationalen und sozialen Befreiung des Volkes.“ Dazu wandelt er den Spruch internationalen Gewerkschaftsbewegung um: „Alle Räder stehen still, wenn mein blauer Arm es will.“ Blau ist die Farbe der AfD. Auch Aida wirbt in Anspielung auf die Traditions-Farbe der Linken: „Das neue Rot ist Blau.“

Erschreckend ist die Erkenntnis des Gewerkschaftsforschers und Sozilogen Klaus Dörre: „Es gibt schon lange ein ernst zu nehmendes rechtspopulistisches Potenzial unter den Gewerkschaftsmitgliedern.“ In den Vorstandsetagen der Gewerkschaften herrsche „eine Mischung aus Ratlosigkeit und Problemverdrängung“, urteilt der Wissenschaftler aus Jena.

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