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US-GesundheitsministerRobert F. Kennedy Jr. fährt Bayer in die Parade

Lesezeit 4 Minuten
Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. trifft vor der Rede von US-Präsident Trump vor einer gemeinsamen Sitzung des Kongresses im Kapitol in Washington ein. (zu dpa: «US-Gesundheitsminister planscht trotz Badeverbots in Bach») +++ dpa-Bildfunk +++

US-Gesundheitsminister Robert F. Kennedy Jr. nimmt Glyphosat ins Visier.

Der Neffe des Ex-Präsidenten John F. Kennedy ist für Verschwörungstheorien bekannt. Jetzt ließ er den Aktienkurs der Leverkusener einbrechen.

Bayer und Robert F. Kennedy Jr. – diese Beziehung ist mindestens kompliziert. Bevor Präsident Donald Trump ihn zum Gesundheitsminister der USA ernannte, war Robert F. Kennedy Jr. unter anderem Umweltaktivist und Rechtsanwalt. Und als solcher Teil des Anwaltteams, das dem ehemaligen Hausmeister Dewayne Johnson 2018 half, die Bayer-Tochter Monsanto zu verklagen. Johnson machte seinen jahrelangen Umgang mit dem Monsanto-Pflanzengift Glyphosat für seine Krebserkrankung verantwortlich, und er bekam Recht. Eine kalifornische Jury sprach Johnson eine Entschädigungssumme von 289 Millionen Dollar zu, weil Bayer nicht vor Gesundheitsrisiken gewarnt habe, woraufhin Kennedy Jr. befand: „Die Geschworenen haben der Chefetage von Monsanto eine Botschaft gesandt, dass die Geschäfte nun geändert werden müssen.“

Bayer gewann viele der 26 Glyphosat-Prozesse

Der Fall Johnson – in zwei Folgeinstanzen wurde der Schadenersatz später auf 20,5 Millionen Dollar gesenkt – war der erste Glyphosat-Prozess in den USA, 25 weitere folgten bislang mindestens erstinstanzlich. Bayer hat elf Verfahren verloren, 15 aber auch gewonnen. Erst im März verurteilten Geschworene Bayer zur Zahlung von 2,1 Milliarden Dollar an einen Kläger, die Leverkusener gehen gegen das Urteil vor, vermutlich wird auch diese Summe deutlich reduziert.

181.000 Glyphosat-Klagen hat Bayer seit der 63-Milliarden-Dollar-Übernahme von Monsanto im Jahr 2018 bislang gezählt, fast zwei Drittel davon wurden beigelegt, 67.000 sind nach neuesten Zahlen noch anhängig. Elf Milliarden Dollar hat Bayer für Vergleiche mit Klägern bereits gezahlt, weitere 5,9 Milliarden Dollar sind dafür noch zurückgestellt.

Bayers größtes Problem

Bayer kann unter Berufung auf viele hundert Studien noch so sehr davon überzeugt sein, dass Glyphosat nicht gesundheitsgefährdend ist – am Ende ist und bleibt das Mittel Bayers größtes Problem. Der Konzern hofft auf den Obersten Gerichtshof der USA: Die Verfassungsrichter sollen final klären, ob Bayer wegen fehlender Warnhinweise immer wieder zu Schadenersatz verurteilt werden darf oder nicht – weil eben diese Warnhinweise nach Auffassung der Leverkusener gegen US-Bundesrecht verstoßen. Bekäme Bayer recht, wären entsprechende Klagen mit einem Mal passé.

In diesem Sinne betätigt sich Bayer-Chef Bill Anderson derzeit als oberster Lobbyist seines Unternehmens. „Ich habe zuletzt ziemlich viel Zeit in den USA verbracht“, sagte Anderson in dieser Woche bei Vorlage des Finanzberichts zum ersten Quartal. Sowohl in der Hauptstadt Washington D.C. als auch in den Bundesstaaten habe er mit Politikern gesprochen, auch mit solchen der neuen Regierung. „Es ist wichtig, dass sie verstehen, welchen Wert unser Unternehmen hat“, sagte der US-Amerikaner, Bayer tue „ganz schön viel Gutes.“ Es sei wichtig, dass die Menschen richtig informiert würden, denn: „Es gibt viele Fehlinformationen über Pestizide.“

Es ist unwahrscheinlich, dass er damit auf Robert F. Kennedy Jr. anspielte. Gepasst hätte es aber: Der US-Gesundheitsminister ist erklärter Impfgegner und verbreitete immer wieder Fehlinformationen und Verschwörungstheorien über das Coronavirus. Und nur einen Tag nach der Bayer-Pressekonferenz verhagelte der US-Gesundheitsminister Bill Anderson jetzt die Glyphosat-Tour. So berichtete das „Wall Street Journal“, Kennedy Jr. plane, Glyphosat als potenziell gesundheitsgefährdend einzustufen. Das soll in einem Bericht stehen, mit dem der Politiker am 22. Mai Zusammenhänge zwischen Pestiziden und chronischen Krankheiten herstellen will.

Der Zeitungsbericht ließ Bayers Aktienkurs einstürzen. Zehn Prozent rauschte das Wertpapier am Mittwoch nach unten. Dabei gab es am Tag zuvor einen kleinen Höhenflug: Die Quartalszahlen von Bayer waren zwar schlecht, aber nicht ganz so schlecht wie erwartet. Das bewegte Anleger, bei der in den letzten Jahren arg gebeutelten Bayer-Aktie zuzugreifen. Zeitweise ging es um zehn Prozent hoch, am Ende des Tages stand noch ein kleines Plus. Aber dann rauschte Kennedy Jr. Bayer in die Parade.

Anderson stellte Glyphosat infrage

„An Spekulationen über mögliche Äußerungen der US-Regierung beteiligen wir uns nicht“, sagte ein Bayer-Sprecher dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ auf Anfrage. „Dass Glyphosat sicher und nicht krebserregend ist, ist wissenschaftlicher Konsens und wurde von allen führenden Aufsichtsbehörden immer wieder bestätigt. Zuletzt auch von der EU, genauso wie von der Umweltbehörde EPA in den USA, die ja die zuständige Behörde ist und ihre Bewertungen auf wissenschaftlicher Basis trifft.“ Sprich: Robert F. Kennedy Jr. mag Gesundheitsminister sein, er entscheidet aber nicht über die Zulassung.

Bayers Sache schadet der Vorgang dennoch. Erst Ende April stellte Bayer-Chef Anderson den Verkauf von Glyphosat in den USA erstmals öffentlich infrage: „Wir kommen (..) langsam an einen Punkt, an dem uns die Klageindustrie zwingen könnte, die Vermarktung dieses systemkritischen Produktes einzustellen“, sagte er während der Hauptversammlung. „Das wollen wir nicht, aber wir müssen uns auf alle möglichen Entwicklungen vorbereiten“.

Am Donnerstag erholte sich das Papier leicht, doch die zwischenzeitlich Gewinne dieser Woche sind futsch. Seit ihrem Höchststand vor zehn Jahren hat die Bayer-Aktie fast 85 Prozent verloren.