„Unvernunft einiger Leute“Wie Supermärkte auf Hamsterkäufe reagieren

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Hamsterkauf Toilettenpapier

Ein Mann trägt im nordrhein-westfälischen Siegen eingekauftes Toilettenpapier und Küchenrollen aus einem Supermarkt.

  • Immer wieder sind in den letzten Tage leere Regale in Supermärkten in Köln und NRW zu sehen. Insbesondere der Absatz von Toilettenpapier hat sich mindestens verdoppelt.
  • Aber gibt es wirklich Engpässe? Brauchen wir bald Zuteilungskarten wie nach dem Krieg, oder müssen sich die Verbraucher einfach disziplinieren?
  • Hier finden Sie alle wichtigen Fragen und Antworten.

Köln – Die Sorge vor einer Knappheit an bestimmten Waren macht weiter die Runde. Anfangs als Kuriosum belächelt, sind nun regelmäßig bestimmte Regale in den Supermärkten leer.

Insbesondere Toilettenpapier scheint im März 2020 der Mega-Kassenschlager zu sein. Der Absatz hat sich je nach Quelle verdoppelt bis verdreifacht. Aber gibt es wirklich Engpässe? Brauchen wir bald Zuteilungskarten wie nach dem Krieg, oder müssen sich die Verbraucher einfach disziplinieren? Hier finden Sie alle wichtigen Fragen und Antworten:

Werden bestimmte Lebensmittel oder Hygieneartikel knapp?

Die Antwort ist beruhigend: „Es ist unverändert genügend für alle da. Die Warenversorgung ist stabil. Es besteht keinerlei Grund zur Sorge oder gar zur Hysterie“, sagt Andreas Krämer, Sprecher der Rewe-Konzernzentrale in Köln. Auch bei Real versucht man die Kunden zu beruhigen. „Unsere Märkte können weiterhin täglich mit Frischeprodukten neu beliefert werden. Auch Konserven und andere Grundnahrungsmittel wie Nudeln, Reis sowie Hygieneartikel wie zum Beispiel Toilettenpapier werden mehrmals pro Woche angeliefert“, sagt Real-Sprecher Markus Jablonski. Hier habe die Kette mit Sitz in Düsseldorf seit Anfang März die Warenlogistik so angepasst, dass „wir auf die höhere Nachfrage unmittelbar reagieren können“.

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Lücken im Supermarktregal

Obwohl es gerade in einzelnen Filialen eine höhere Nachfrage nach länger haltbaren Produkten wie beispielsweise Konserven gebe, sei „die Versorgungslage in unserem Verkaufsgebiet hinsichtlich unserer Produkte und der Logistik nach wie vor gesichert“, sagt auch eine Aldi-Sprecherin. Edeka beobachtet ebenfalls eine gestiegene Nachfrage, etwa bei Hygieneprodukten oder haltbaren Lebensmitteln, aber es gelinge weiterhin gut, die Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen.

Warum gibt es dann oft leere Regale in den Supermärkten?

Viele Verbraucher, da sind sich alle Händler weitgehend einig, kaufen offenbar aus Furcht – teils deutlich – über den eigentlichen Bedarf ein. Peter Richrath, der in der Region zusammen mit seinem Bruder 15 Rewe-Märkte betreibt, beschreibt das Verhalten der Hamsterkäufer als „einen neuen Volkssport, bei dem gewinnt, wer am meisten Klopapier im Keller stehen hat“.

Durch dieses Verhalten entstünden „Lücken im Regal, die wir nicht so schnell wie gewünscht gestopft bekommen“, sagt Richrath. Es seien aber nicht Lieferschwierigkeiten, sondern „die Unvernunft einiger Leute“, die zu Engpässen in den Regalen führen: „Sehen die Leute eine Palette Klopapier, stürzen sie sich darauf.“ Auch wichtige Abstandsregelungen spielten dann plötzlich keine Rolle mehr. „Das ist ein unsolidarisches und unsoziales Verhalten“, lautet Richraths Fazit.

Auch Aldi bittet auf Anfrage um gegenseitige Rücksichtnahme und Solidarität: „Es soll nur das gelagert werden, was auch normalerweise im Alltag genutzt und verbraucht wird. Für »Hamsterkäufe« gibt es keinen Anlass.“

Übrigens ist dieses Hamster-Verhalten nicht nur bei Privathaushalten zu beobachten. Auch der ausschließlich für gewerbliche Kunden zugängliche Großhändler Metro kennt das Problem. „Aufgrund der hohen Nachfrage bestimmter Artikel kann es vorkommen, dass bestimmte Marken oder Artikel – beispielsweise Konserven, Mehl oder Nudeln im Regal etwas reduziert sind oder fehlen. Aber auch hier wird immer wieder nachgefüllt“, so eine Sprecherin der Metro.

Auch bei Hygieneartikeln könne es sein, dass aufgrund der aktuellen Situation derzeit nicht immer jeder Artikel innerhalb kürzester Zeit wieder verfügbar ist. Hier handele es sich auch um ein temporäres Problem, die Regale würden immer wieder aufgefüllt. Bei Rewe gibt es schon Zeichen von Entwarnung. „Wir sehen seit den vergangenen Tagen, dass sich die Lage in unseren Märkten ein Stück weit normalisiert. Das gibt uns die Gelegenheit, den Warenbestand in den Lagern und Märkten wieder aufzufüllen“, sagt der Rewe-Sprecher.

Wie und gegenüber wem rationieren die Einzelhändler?

Dazu heißt es von Rewe: „Es gibt für unsere Märkte keine generelle Weisung, die die Abgabe von Lebensmitteln neu regelt. Unsere Marktverantwortlichen haben grundsätzlich – wie auch schon vor Corona üblich – die Möglichkeit, den mengenmäßigen Verkauf eines Artikels temporär und individuell zu steuern. Einfluss darauf hätten die jeweilige Disposition, die Verfügbarkeit oder Zuteilungsmenge, die Prognose der erwarteten Nachfrage oder auch der verfügbare Platz im Regal. „Zur Abgabe dieser so genannten »haushaltsüblichen Mengen« gibt es keine zentralseitige Mengenvorgabe – dies liegt im Ermessen des Marktverantwortlichen.“

Rewe-Kaufmann Peter Richrath sagt, in seinen Märkten gebe es bei den stark nachgefragten Produkten nur noch eine Packung pro Person, „auch wenn das immer wieder zu Diskussionen führt“. Es gebe immer wieder Personen, die den Laden mit fünf Packungen verlassen wollten, aber mit den meisten könne man vernünftig diskutieren. Weil jedoch immer wieder Kassiererinnen bedroht würden, weil sie den Hamsterkäufern Einhalt gebieten, stehe seit Montag dieser Woche vor jedem Markt ein Sicherheitsdienst. Einen geeigneten Weg, Großfamilien mit höherem Bedarf auch größere Einkäufe zu ermöglichen, hat Richrath noch nicht gefunden.

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Damit steht er nicht alleine. Auch von Aldi heißt es, Großfamilien würden nicht gesondert behandelt. Artikel, die besonders häufig „gehamstert“ würden, werden bei dem Discounter mitunter nur in einer bestimmten Anzahl ausgegeben. Durchgängige Regeln gibt es aber nicht.

Edeka macht seinen Kaufleuten keine Vorgaben zur Rationierung. Diese entschieden „selbst, ob und in welchem Umfang sie Abgabemengen festlegen und wie sie den Begriff »handelsübliche« Mengen definieren“, so eine Sprecherin.

Beim Großhändler Metro gibt es keine Beschränkungen. Auch bei Real entscheiden die einzelnen Märkte. Dies betrifft vor allem haltbare und besonders nachgefragte Sortimente wie Kartoffel- und Nudelprodukte, H-Milch sowie Hygieneprodukte wie etwa Toiletten- und Küchenpapier. „Wir appellieren an unsere Kunden, fair zu bleiben und nicht mehr als eine haushaltsübliche Menge pro Artikel zu kaufen, so dass eine möglichst hohe Anzahl von Kunden mit Waren versorgt werden kann“, so der Real-Sprecher.

Peter Richrath appelliert an die Kunden: „Die Leute können cool bleiben, und das sollten sie auch.“

Wer bietet Alternativen an?

Immer wieder bieten branchenfremde Firmen Hilfe an. Als kürzlich etwa Mehl im Handel zur Mangelware wurde, entschloss sich der Düsseldorfer Handwerksbäcker Hinkel, neben Brot und Brötchen für seine Kunden auch direkt Mehl zu verkaufen. „Das ist sonst nicht in meinem Sortiment, ich sehe das als Kundenhilfe“, sagt Inhaber Josef Hinkel. Es gebe bei ihm keinerlei Engpässe, weder beim Einkauf von Mehl und Getreide, noch beim Verkauf von Brot. Auch in Kölner Bäckereien ist der Verkauf von Mehl inzwischen vermehrt zu beobachten.

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