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Hidden ChampionVon der Kaffeekapsel bis zur Wurstpelle

Lesezeit 4 Minuten

In dieser haushohen Maschine werden aus Molekülen Folien für Wurstpellen

Sankt Augustin – Der bunte Ballon an der Bürodecke machte Firmenchef Peter Kuhne über Monate hinweg gute Laune: Die Folie ließ das Helium nicht entweichen - ein Beweis für die hervorragenden Barriere-Eigenschaften des Kunststoffs made in Sankt Augustin. Das patentierte Material hält auch Leberwurst und Joghurt frisch - und Kaffee. Bei den Dolce-Gusto-Kapseln ist der Mittelständler Weltmarktführer. Die ganz neue Variante für Tee lässt die Betrachter schmunzeln: Die Hütchen in Rot und Orange erinnern an Pappnasen. "Passt zum Rheinland", sagt der 63-jährige Kuhne.

Volle Auftragsbücher

Angesichts voller Auftragsbücher herrscht auch aktuell beste Stimmung bei Kuhne und seinen Geschäftsführern Gerhard Brock, studierter Maschinenbauer und Jürgen Schiffmann, der Anlagenbau studierte. Wer verstehen will, was Kuhne macht, sollte zur Kunststoff-Kaffee-Kapsel greifen. Sie ist das Konkurrenzprodukt zum Metallhütchen, für das US-Schauspieler George Clooney wirbt. Und das laut Kuhne die wesentlich schlechtere Umweltbilanz hat: "Man will vom Aluminium weg. Es ist praktisch nicht recycelbar und muss verbrannt werden." Die Herstellung verbrauche zudem extrem viel Wasser, die Abwässer enthielten Giftstoffe wie Bauxit. Wenn schon Verpackung, dann möglichst wiederverwertbar, was für das Produkt spricht, das die Kuhne-Maschinen täglich millionenfach ausstoßen, in vielen Ländern. 22 gibt es, 16 hat ein Großkunde gekauft, sechs der zweite. Ein Jahr im Schnitt dauere es von der Idee bis zur fertigen Anlage, rund 50 Mitarbeiter sind damit beschäftigt. Die größten Fertigungsstraßen haben 45 Metern Länge, 18 Metern Breite und 26 Metern Höhe die Ausmaße eines Mehrfamilienhauses und werden in 40 Containern oder auf 40 Sattelschleppern transportiert - Kaufpreis etwa zehn Millionen Euro. Die kleinsten Extruder sind nur so groß wie ein Tisch. Die Rezeptur für die Barriere-Folie, die das Aroma drinnen und Luft und Feuchtigkeit draußen lässt, liefert Kuhne in der Regel gleich mit. Die sollte fein und gleichmäßig sein, eine Kunst, vergleichbar damit, ein Sandwich zu belegen, veranschaulicht Gerhard Brock. Mehrere, hauchdünne Kunststoffschichten mit verschiedenen Eigenschaften werden mit Kleber zu einer Folie verbunden, "da darf nichts verrutschen bei der Produktion", so Brock. Der Fortschritt zeigt sich in der Anzahl der Schichten, aus denen das Material besteht. Die modernsten Entwicklungen schaffen bis zu 17, so Kuhne. Das "Tiefziehen" - wenn aus der recht starren, dunklen Folie eine Kapsel wird, sei hingegen technisch ein Klacks. Das Prinzip ist nicht neu und wurde zunächst für Joghurtbecher entwickelt, die Molkerei Müller füllte als erste das empfindliche Milcherzeugnis in die Leichtverpackung, die die Kuhne-Maschinen ausspucken.

Von rechts: Gerhard Brock, Peter Kuhne, Jürgen Schiffmann

Konkurrenz, zum Beispiel von fernöstlichen Billiganbietern, fürchten die Spezialisten aus Sankt Augustin nicht. Für die deutsche Qualität spreche der geringere Materialverbrauch, der bei den wertvollen Rohstoffen eine jährliche Ersparnis von 1,5 Millionen Euro bedeuten könne.

Spionage im Unternehmen

Ganz vorn hat Kuhne auch die Nase bei der Wurstpellen-Produktion, "es gibt kaum eine auf der Welt, die nicht auf unseren Maschinen hergestellt wird", so Jürgen Schiffmann, Geschäftsführer der Sparte Anlagen. Sie sollen nicht nur das Austrocknen verhindern und für lange Haltbarkeit sorgen, sondern müssen auch mehr aushalten als ein Autoreifen: Sie werden mit einem Druck von vier Bar gefüllt. Bei der Salami hingegen muss die Hülle atmen. Und der Schrumpfbeutel, der sich wie eine zweite Haut ums Steak schmiegt, ermöglicht den Transport des Frischfleisches aus Argentinien, das Wochen unterwegs sein kann.

So viel Expertise weckt Begehrlichkeiten. Einen Fall von Industriespionage deckte Peter Kuhne mit Hilfe eines Detektivs auf. Der Verdächtige konnte bei einer fingierten Geldübergabe geschnappt werden. "Ich saß mit der Kriminalpolizei im Nebenzimmer. Es war wie im Film", sagt Kuhne.

Zahlreiche Patente

Der Maschinenbauer hat 240 Mitarbeiter und zahlreiche Patente. Die Anfänge liegen in Siegburg: 1934 gründete Heinrich Koch in einer ehemaligen Geschossfabrik sein Unternehmen. Ab 1956 übernahm Werner Battenfeld aus Meinerzhagen das Werk und übertrug dessen Leitung 1959 an Walter Kuhne, den Vater des heutigen Firmenchefs Peter Kuhne. 1975 zog die Firma ins Gewerbegebiet Sankt Augustin. Peter Kuhne gründete zwei weitere Gesellschaften: Kuhne-Anlagenbau und Kuhne Tools. (coh)