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„Vereinbarkeit ist Partnersache“Kölner Unternehmer-Paar hat vier Kinder und arbeitet in Vollzeit – Wie kann das gelingen?

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Das Ehepaar Ines Imdahl und Jens Lönneker sitzt auf einer Couch

Das Ehepaar Ines Imdahl und Jens Lönneker führt das Unternehmen Rheingold Salon.

22 Jahre lang hat das Ehepaar nicht über sein Vereinbarkeitsmodell gesprochen. Heute erzählt es mit Stolz davon.

Jens Lönneker öffnet seiner Ehefrau die Tür zum gemeinsamen Büro. Sie ist bereits ein paar Minuten zu spät für das Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Unsere Tochter hat gleich mündliche Abiturprüfung und war sehr aufgeregt“, sagt Ines Imdahl. Keine zwei Minuten später hat sie ihre Straßen-Sneaker gegen elegante Pumps eingetauscht und setzt sich neben ihren Mann an den großen Bürotisch.

Imdahl und Lönneker sind selbstständige Unternehmer. Beide haben immer Vollzeit gearbeitet und gleichzeitig vier Kinder großgezogen, der Jüngste ist heute 15 Jahre alt. Für viele Eltern mag das nach einer Sache der Unmöglichkeit klingen, Imdahl und Lönneker haben es durchgezogen.

Ines Imdahl und Jens Lönneker führen gemeinsam den Rheingold-Salon in der Kölner Innenstadt, eine Agentur für psychologische Markt- und Medienforschung. Sie beraten Unternehmen aus tiefenpsychologischer Sicht, forschen aber auch selbst, aktuell zum Beispiel zur Zuversicht in Deutschland. Es klingelt, ein Postbote stellt mit der Sackkarre ein Paket neben der Eingangstür zum Büro ab. Darin seien kiloweise Käse, sagt Lönneker und lacht. In den kommenden Tagen werden sie analysieren, wie die Käseverpackung ihres Kunden auf potenzielle Käufer im Supermarkt wirkt. Das Unternehmer-Paar und ihre neun Mitarbeiter generieren nach eigenen Angaben jährlich über 1,5 Millionen Euro Umsatz.

Kürzerzutreten stand für das Kölner Paar nicht zur Debatte

Imdahl und Lönneker brennen für ihre Arbeit. Lönneker erzählt, wie sehr ihm das „Projekt Zuversicht“ am Herzen liegt und wie spannend einige Ergebnisse der Studie für ihn sind. Imdahl kann ihn kaum stoppen: „Das gehört doch gar nicht zum Thema!“ Als das Paar im Jahr 2000 seinen ersten gemeinsamen Sohn bekam, stand deshalb überhaupt nicht zur Debatte, dass einer von beiden kürzertritt. Imdahl kehrte nach acht Wochen Mutterschutz ins Büro zurück, auch als in den Jahren darauf zwei weitere Söhne und eine Tochter das Licht der Welt erblickten.

Also schufen sie ihr „Vereinbarkeitsmodell“, wie sie es später taufen würden. Und dann beginnt das Paar, die Hände auf den Tisch gestützt, dieses Vereinbarkeitsmodell zu erklären.

11.06.2025, Köln: Fas Ehepaar Ines Imdahl und Jens Lönneker führen das Unternehmen Rheingold Salon.Foto:Dirk Borm

Ines Imdahl ist Mutter und Unternehmerin.

Imdahl und Lönneker teilen sich die Woche abwechselnd in kurze und lange Arbeitstage auf. Ein langer Arbeitstag dauert zehn Stunden, dann folgt ein kurzer sechsstündiger Tag. Wer den kurzen Tag hat, verbringt ab 14 Uhr den Nachmittag mit den Kindern und ist für Hausaufgaben, Spielen und Haushalt zuständig. Arbeitet Imdahl lang, hat Lönneker einen kurzen Tag. Am folgenden Tag tauschen sie. Der Freitag ist abwechselnd kurz und lang, mal hat die Woche so 38 und mal 42 Arbeitsstunden. Manchmal komme es vor, dass eine mehrtägige Dienstreise oder ein wichtiger Termin ansteht, der aber auf einen eigentlich kurzen Tag fällt. In solchen Fällen sprechen Imdahl und Lönneker sich ab, ob sie Tage tauschen können.

Bei dieser Kölner Familie brachte Papa den Jungs das Kochen bei

Die Arbeitszeiten im Kalender der Ehepartner sind immer ausgeglichen, ebenso die Kindernachmittage. Ohne Ausnahme. Ist ein Kind krank, bleibt die Person zu Hause, die den kurzen Tag hat. Keine Diskussion. Dadurch bleibe auch der „Mental Load“, also die mentale Last rund um Krankheit, Einkäufe oder Geburtstage, nicht nur an der Mutter hängen, sagt Lönneker. Für den 67-Jährigen ist das eine Selbstverständlichkeit, in vielen anderen Familien ist es bis heute keine Realität.

„Häufig fehlen bis ins späte Schulalter männliche Vorbilder für Jungs“, sagt Imdahl. Das sei bei ihnen anders gewesen. Lönneker habe den Kindern beispielsweise beigebracht zu kochen. Bei den Hausaufgaben sei Imdahl wiederum strukturierter als er, sagt Lönneker. Seine Frau besorge beispielsweise auch zusätzliche Übungshefte. Er vermittle eher den „Mut zur Lücke“ oder arbeite sich tief mit den Kindern in ein Thema ein, tiefer als das Schulbuch es verlangt.

„Ich habe oft erlebt, dass ich ganze Tage mit den Kindern als anstrengender empfunden habe als den Job“, sagt Imdahl. „Ich glaube, meine Stärke ist ein Stück weit daraus erwachsen, dass ich die Abwechslung hatte.“ Sie sei froh gewesen, bei der Arbeit ihren Kopf anstrengen zu können und dann wieder Zeit mit den Kindern zu verbringen.

„Meine Frau bleibt zu Hause, ich habe eine liebe Frau“

Schon seit 25 Jahren lebt die Familie Lönneker-Imdahl nach dem Vereinbarkeitsmodell. Anfang der 2000er Jahre war es ungewöhnlich, dass Mütter voll arbeiteten. Laut Familienministerium (BMFSFJ) waren zu dieser Zeit lediglich 40 Prozent der Mütter mit minderjährigen Kindern in Vollzeit oder vollzeitnah erwerbstätig, bis 2006 sank der Anteil sogar auf 30 Prozent.

11.06.2025, Köln: Fas Ehepaar Ines Imdahl und Jens Lönneker führen das Unternehmen Rheingold Salon.Foto:Dirk Borm

Kann kochen, forschen und Papa sein: Jens Lönneker.

Viel hat sich seitdem nicht getan. Laut Daten des Statistischen Bundesamtes lag die Erwerbstätigkeit deutscher Frauen 2024 zwar bei 74 Prozent – eine der höchsten Quoten in Europa. Fast die Hälfte dieser Frauen arbeitete jedoch nur in Teilzeit. „Wir sind der Meinung, dass hier ein großes Potenzial schlummert“, sagte Andrea Nahles, Chefin der Bundesagentur für Arbeit, kürzlich bei der Vorstellung der Juni-Statistik für den deutschen Arbeitsmarkt. Mütter arbeiteten dem Statistischen Bundesamt zufolge besonders häufig in Teilzeit: 68 Prozent traten im Job kürzer, nicht so die Väter.

Imdahl erzählt von Sprüchen anderer Mütter auf dem Schulhof. „Das war so nach dem Motto: Erst bekommen wir Kinder und dann sehen wir sie nicht“, sagt sie. „Dabei sehen wir sie ja, wir haben ein sehr gutes Verhältnis zueinander.“ Bei der Arbeit im Rheingold-Salon sahen die Reaktionen kaum anders aus. Lönneker zitiert frühere Geschäftspartner. „Meine Frau bleibt zu Hause, ich habe eine liebe Frau“, soll einer gesagt haben. „Meine Frau ist auch klug und bleibt trotzdem zu Hause“ ein anderer. Imdahl verdreht die Augen.

Ein Mann kann Vater und Forscher gleichzeitig sein

Doch auch Jens Lönneker habe seinen Geschäftspartnern in vielen Fällen erst beweisen müssen, dass er Vater und Forscher gleichzeitig sein kann. Seinen Kindern eine hohe Priorität einzuräumen, passe in der Welt der Wirtschaft nicht ins stereotypische Bild eines erfolgreichen und kompetenten Geschäftsmannes, sagt er. Einmal habe er einen Kunden verloren, als er einen Termin ausfallen ließ, um sich um seine erkrankte Familie zu kümmern.

22 Jahre lang verschwieg das Paar ihr Vereinbarkeitsmodell. Hatten sie einen Kindernachmittag, nannten sie es vor ihren Kunden einen „Termin“. Das wurde akzeptiert.

Als Ines Imdahl vor drei Jahren erstmals von ihrem Vereinbarkeitsmodell auf der Jobplattform Linkedin erzählte, war das Paar überrascht, wie ungewöhnlich es auch über 20 Jahre später noch zu sein schien. Fast 5000 Reaktionen, über 500 Kommentare. „Anscheinend ist unser Modell inspirierend für viele Familien und Paare, die einen Kinderwunsch haben“, sagt Imdahl. „Vereinbarkeit ist keine Frauensache.“ Lönneker nickt zustimmend. „Vereinbarkeit ist Partnersache.“