„Hunger der Wirtschaft ist groß“In nahezu allen Branchen fehlt es in Köln an Fachkräften

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An der Tür eines geschlossenen und mit Zeitungspapier verhängten Ladenbüros eines Reisebüros hängt ein Plakat mit der Aufschrift „Liebe Kunden, wegen des Fachkräftemangels müssen wir schweren Herzens unser Ladenbüro zum 30.09.22 schließen“.

Das Ladenbüro eines Reisebüros schließt wegen des Fachkräftemangels

Wegen des demographischen Wandels fehlen am Arbeitsmarkt immer mehr Fachkräfte. Helfen sollen zum Beispiel bezahlte Weiterbildungen.

Der Mangel an Fachkräften hat sich im vergangenen Jahr in Köln weiter verschärft. „Der Hunger der Wirtschaft nach Fachkräften ist groß“, sagte Johannes Klapper, Geschäftsführer der Kölner Agentur für Arbeit, bei der Vorstellung der Arbeitsmarktbilanz 2022 in Köln. „Das gilt nicht nur für einzelne Branchen, sondern nahezu überall.“ Der demographische Wandel sei nun voll am Arbeitsmarkt angeboten: Es gehen mehr Beschäftigte in Rente, ihre Stellen können oft nicht mit ausreichend qualifiziertem Personal nachbesetzt werden.

„Der Bedarf an Arbeitskräften hat trotz Automatisierung und Digitalisierung weiter zugenommen“, so Klapper. 2022 stieg die Zahl der Erwerbstätigen auf immer neue Höchststände, zuletzt gab es in Köln 606.633 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Parallel dazu sank die Arbeitslosigkeit Ende des Jahres auf 50.745 Menschen.

Arbeitsagentur trägt Kosten für Weiterbildungen

„Ich kenne keine Praxis, die derzeit kein Personal sucht“, sagte Jordan Übach, Inhaber zweier Physiotherapie-Praxen mit dem Namen „Die Beweglichmacher“, auf der Pressekonferenz.

Ein Problem für die Branche sei außerdem der hohe Weiterbildungsbedarf. Er bekommt daher Unterstützung von der Agentur für Arbeit, die über das sogenannte „Qualifizierungschancengesetz“ Fortbildungen anteilig bezahlt. Die Qualifizierung von Arbeitskräften gilt als Schlüssel bei der Bekämpfung des Fachkräftemangels.

Der Arbeitsmarkt hat sich zuletzt von der wirtschaftlichen Lage entkoppelt. „Die Krisen kommen, gehen aber nicht mehr“, beschrieb Klapper die Situation im vergangenen Jahr, die von Pandemie, Energiekrise und Inflation geprägt war. Der Arbeitsmarkt blieb in dieser Situation jedoch stabil.

Weiter hohe Energiepreise und Materialengpässe

Jobmotor seien die Verwaltung, Dienstleistungen, Handel, Energietechnik, Sicherheitsbranche und die Zeitarbeit gewesen. Deutliche Verluste gab es unter anderem bei Finanz- und Versicherungsdienstleistungen, hier sank die Zahl der Beschäftigten.

Wir müssen versuchen alle vorhandenen Potenziale nutzen und ausbauen, das fängt an bei den Auszubildenden, geht weiter über die Erwerbsbeteiligung von Frauen, Chancen für Langzeitarbeitslose und Schwerbehinderte und reicht bis zur Zuwanderung.
Johannes Klapper, Geschäftsführer der Kölner Agentur für Arbeit

Die Kölner Arbeitsagentur rechnet damit, dass die wirtschaftliche Entwicklung auch 2023 von hohen Energiepreisen, Materialengpässen und Preissteigerungen beeinträchtigt sein wird. Aufgrund des hohen Arbeits- und Fachkräftebedarfs sei aber weiterhin kein Einbruch auf dem Arbeitsmarkt zu erwarten. „Deshalb müssen wir versuchen, alle vorhandenen Potenziale zu nutzen und auszubauen“, sagt Klapper. „das fängt an bei den Auszubildenden, geht weiter über die Erwerbsbeteiligung von Frauen, Chancen für Langzeitarbeitslose und Schwerbehinderte und reicht bis zur Zuwanderung.“

Frauen spielen bei Stiller Reserve wichtige Rolle

Frauen spielen zum Beispiel bei der sogenannten Stillen Reserve eine entscheidende Rolle: Als Stille Reserve bezeichnet man die Menschen, die nicht in der Arbeitsmarktstatistik auftauchen, weil sie sich nicht arbeitslos melden. Sie sind aber grundsätzlich erwerbsfähig und könnten für den Arbeitsmarkt gewonnen werden.

Schwerbehinderte verfügten laut Klapper dagegen häufig über gute Qualifikationen, hätten aber häufig mit Vorurteilen von Arbeitgebern zu kämpfen. Außerdem brauche es deutlich mehr gezielte Einwanderung für den Arbeitsmarkt. Auch diejenigen, die zum Beispiel als Geflüchtete nach Köln kommen, könne man aktivieren.

Derzeit empfangen laut Kölner Agentur für Arbeit 5000 überwiegend weibliche Ukrainerinnen und Ukrainer in der Stadt Leistungen. Rund 200 seien bereits in Arbeit vermittelt worden. „Wir müssen sie aber auch erst einmal ankommen lassen“, sagte Klapper. Die Betroffenen seien schließlich aus dem Krieg geflüchtet und müssten das Geschehene noch verarbeiten.

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