Inflation, Industrie- und ZinspolitikDiesen Herausforderungen sieht Deutschland 2023 entgegen

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Geldscheine liegen in der Einkaufskasse eines Einzelhandelsgeschäfts.

Das IMK hat seine jährliche Analyse zur wirtschaftspolitischen Lage vorgelegt. (Symbolbild)

Das IMK der Hans-Böckler-Stiftung hat seine jährliche Analyse zur wirtschaftspolitischen Lage vorgelegt. Demnach steht Deutschland 2023  vor vier großen Herausforderungen.

Als der Ukraine-Krieg ausgebrochen ist, hatte Deutschland sich noch nicht von den wirtschaftspolitischen Auswirkungen der Coronakrise erholt. Trotzdem habe die Bundesregierung den Druck vorerst reduziert und durch „das Zusammenspiel von staatlichen, tariflichen und betrieblichen Maßnahmen“ einen härteren Wirtschaftseinbruch abgewendet, sagt Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des Institutes für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung. Auf dieser Entwicklung müsse der Bund 2023 aufbauen, um auf die Herausforderungen des Jahres zu reagieren. 

Diese Herausforderungen hat das IMK in ihrer Studie zur wirtschaftspolitischen Situation in Deutschland zum Jahresbeginn vorgelegt. Während die Ökonominnen und Ökonomen eine „relativ gute Ausgangsposition“ sehen, gebe es Verbesserungsbedarf bei den Themen Zins- und Industriepolitik sowie Inflationsentlastung und Qualifizierungsstrategie. 

IMK-Analyse: Industriepolitik muss aktiver werden

Insgesamt solle Deutschland an einer europäischen Perspektive festhalten - nicht zuletzt, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Eine entschlossene europäische Industriepolitik zu verfolgen, sei laut Dullien demnach von großer Bedeutung. Der „Inflation Reduction Act“ (IRA) der USA sei laut IMK zurecht in der Kritik, dagegen vorzugehen sieht das Institut jedoch nicht als sinnvoll. Stattdessen solle die EU ihn zum Anlass nehmen, selbst aktivere Industriepolitik zu betreiben. Die Initiative von Robert Habeck und Bruno Le Maire gehe deshalb in die richtige Richtung

Konkret sieht Dullien die Aufgabe, zukunft bringende Leitmärkte auszumachen und diese zu unterstützen. Dies sei nicht nur durch Subventionen möglich, sondern auch mit anderen Instrumenten. Als Beispiel nennt er die Pharmaindustrie: Dass Deutschland eine Knappheit bei Medikamenten hat, weil die EU auf Importe anderer Staaten angewiesen ist, sei inakzeptabel. Auf Produkte aus der EU zu legen, würde dem entgegenwirken und zudem könne besser kontrolliert werden, unter welchen Bedingungen produziert wird, um beispielsweise CO₂-Emissionen zu verringern.

Potenzial Verbesserungsbedarf in Bürgergeld und Energiepreisbremsen

Als weitere Herausforderung nennt das IMK die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Deren schnelle Zinserhöhung sei überzogen. „Eine Geldpolitik, die die Zügel zu straff anzieht, könnte die Erfolge des bisherigen Krisenmanagements infrage stellen, ohne ihr Ziel zu erreichen“, warnt Dullien deshalb. Gegen den Hauptgrund der hohen Inflation, stark erhöhte Energiepreise, sei die Notenbank mit Zinserhöhungen machtlos. Stattdessen könnte die Konjunktur durch zinspolitischen Aktionismus noch stärker ausgebremst werden, wordurch die Stabilität auf dem Arbeitsmarkt verloren gehe.

Sinnvoller sei aus Sicht des IMK daher, bei Bedarf weitere Entlastungen konzentriert an stark bedürftige Haushalte zu leisten. Generell fordert das Institut eine gerechtere soziale Verteilungswirkung der Entlastungspolitik. Mit den Energiepreisbremsen würden Reiche reicher werden und Arme armer werden, weil eine Überentlastung bei Mehrverdienenden stattfände. Als Lösung schlägt das IMK deshalb einen vorübergehenden „Energiesoli“ für Haushalte mit hohem Einkommen vor. So würden sie bei der Deckung von höheren Kosten helfen. 

Zuletzt verlange die sozial-ökologische Transformation in den kommenden Jahren Anstrengung. Eine Qualifizierungsstrategie müsse her, bei der es verstärkt auch darum gehe, bisher ungenutzte Potenziale zu heben. Arbeitslose Menschen sollen dabei vor allem in den Blick genommen werden. Dass „der bislang im Arbeitslosengeld II geltende sogenannte Vermittlungsvorrang beim neuen Bürgergeld abgeschafft wurde und die Förderung von Qualifizierung und Weiterbildung in den Vordergrund rücken“, begrüße das IMK deshalb.

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