Anfang der 2000er scheiterte die weltberühmte Fotosparte von Agfa spektakulär. Jetzt sind einige Produkte zurück – dank eines unerwarteten Hypes.
Starke MarkenComeback eines Retroprodukts – Was aus dem Fotopionier Agfa wurde

Filme und Fotopapier: Was für Fotografen früher dazugehörte, ist in Zeiten digitaler Fotografie in Vergessenheit geraten. An der Entwicklung scheiterte auch der Leverkusener Foto-Pionier Agfa.
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Die Digicams sind zurück. Während die kompakten Kameras noch vor 15 Jahren der immer leistungsfähiger werdenden Smartphone-Technologie zum Opfer fielen, feiern die kleinen Fotoapparate seit etwa einem Jahr ihr Comeback. Insbesondere die Generation Z setzt auf den Retro-Look. In den sozialen Medien lassen sich millionenfach geklickte Fotogalerien mit nostalgischem 2000er-Touch finden.
„Wir hätten nicht damit gerechnet“, sagt Julien Lelarge, Marketing Direktor von GT Company. Seit 2018 ist das Pariser Unternehmen Lizenznehmer der Agfa Photo Holding GmbH und verkauft neben Einweg-, Analog- und Videokameras von Agfa Photo sowie portablen Fotodruckern besagte Digicams. „Seit wir vor sieben Jahren angefangen haben, mit Agfa Photo zusammenzuarbeiten, ist der Markt stark gewachsen“, so Lelarge. Inzwischen verkauft die Firma die Produkte von Agfa Photo weltweit, der Umsatz dieser Produkte liegt dem Franzosen zufolge bei 20 bis 25 Millionen Euro.
Agfa Photo: Umsatz von 20 bis 25 Millionen Euro
Dass als „Agfa Photo“ gebrandete Geräte noch einmal vom Digitalkamera-Hype profitieren würden, hätte vor rund 20 Jahren wohl niemand vermutet. Damals scheiterte der weltberühmte Leverkusener Fotopionier an der Entwicklung von der analogen hin zur digitalen Fotografie. Denn Kameras mit Film konnten Anfang der Nullerjahre die Wenigsten noch gebrauchen.

Agfa und der weltberühmte Rhombus galten über Jahrzehnte als Markenzeichen des Wirtschaftsstandorts Leverkusen.
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Die Fotosparte der belgischen Muttergesellschaft Agfa Gevaert schien den Absprung in die Digitalisierung verpasst zu haben – am 1. November 2004 trennte sich das über viele Jahrzehnte zu Bayer gehörende Unternehmen von seinem einstigen Aushängeschild und verkaufte die Foto- und Filmabteilung an ein Konsortium rund um den früheren Mc-Kinsey-Berater Hartmut Emans.
Doch kaum war das neue, selbstständige Unternehmen mit Sitz in Leverkusen gegründet, ging es auch schon Pleite. Am 29. Mai 2005 war Agfa Photo, so der neue Name, zahlungsunfähig. Etwa 1700 Agfarianer, darunter Kölner und Leverkusener, verloren ihre Jobs. Über die Gründe für die schnelle Insolvenz wird bis heute gestritten. Wie konnte ein Weltunternehmen so schnell vor die Wand fahren? Der Fall liegt noch immer beim Internationalen Schiedsgericht, es gibt Ungereimtheiten, Verfahrensfehler, Vorwürfe gegen die Muttergesellschaft, genauso wie die Verantwortlichen von Agfa Photo.
2005 meldete Agfa Photo Insolvenz an, die Holding bliebt davon geschont
Der Kölner Insolvenzverwalter Andreas Ringstmeier etwa verdächtigt Agfa Gevaert, dem Käufer falsche Angaben über den Wert der Foto-Sparte gemacht und so die Pleite verursacht zu haben. Hartmut Hilden hingegen, ehemaliger Pressesprecher von Agfa, wirft Emans vor, dass dieser mit dem Kauf von Agfa Photo nicht etwa die kränkelnde Fotosparte sanieren wollte. Ihm sei es lediglich um die Marke gegangen, so eine der Mutmaßungen. Emans hat diesem Verdacht stets widersprochen.
Klar ist nur, dass das Kerngeschäft – die Produktion von Foto-, Film- und Laborausrüstung – in der Region ruhmlos den Bach hinunter gegangen ist. Die jüngere Generation dürfte mit dem Namen Agfa wohl kaum noch etwas anfangen können. Trotzdem werden unter dem Label bis heute unterschiedlichste Produkte verkauft, darunter die Digitalkameras, die GT Company im Namen der nicht insolventen Agfa Photo Holding vertreibt. Denn die war 2005 nicht von der Pleite betroffen. Besser noch: Das zwischenzeitlich in Köln ansässige und seit 2015 im bayerischen Grünwald sitzende Unternehmen sicherte sich vor Gericht einige der wertvollen Markenrechte an Agfa – und hält sie bis heute.
Neues Logo: Sensorpunkt statt Agfa-Rhombus
Wer nun in nostalgischen Erinnerungen die Online-Stores nach neuen Kameras mit dem weltberühmten Rhombus samt leicht gekritzeltem Agfa-Schriftzug Ausschau hält, der dürfte jedoch enttäuscht werden. Eines der Markenzeichen der Region, fast gleichzusetzen mit dem Bayer-Kreuz, so ist es zumindest in einem Artikel des „Kölner Stadt-Anzeiger“ aus dem Jahr 2005 zu lesen, wurde von einem roten Punkt als Logo abgelöst. Der Rhombus fiel nach der Abkapselung in den Besitz der Muttergesellschaft zurück. Das neue Design zeigt den ebenfalls bekannten Sensor-Auslöser, mit dem die frühere Agfa Gevaert Ende der 1960er Jahre die Fotowelt revolutionierte.
Von diesen glorreichen Jahren der als „Aktien-Gesellschaft für Anilin-Fabrikation“ 1867 gegründeten Firma profitiere Agfa Photo bis heute, erzählt Marketing Direktor Julien Lelarge. Das Image ziehe insbesondere bei den Über-40-Jährigen. „Die erinnern sich an ihre Kindheit oder ihre Eltern, die mit Agfa fotografierten oder ihre Filme entwickelten. Hinter den Bildern stecken schöne Geschichten und sie freuen sich, dass die Marke zurück ist.“
Agfa Photo Holding: Geschäft mit Lizenzen
Etwas schwieriger habe sich da der Markteinstieg in der Zielgruppe der Unter-40-Jährigen gestaltet. „Das war, als würden wir eine neue Brand launchen, niemand kannte uns.“ Die Lizenznehmer starteten mit zwei Einsteiger-Kameras zu günstigen Preisen. Jetzt, sieben Jahre später, werden rund 60 Agfa-Produkte im Fotosektor verkauft. Inzwischen, da die Marke auch dank Social Media wieder bekannter sei, wage sich das Unternehmen auch an High-End-Produkte heran, erklärt Lelarge.
Die Preisspanne zwischen rund 40 und 400 Euro. Gekauft werden die Agfa-Digicams weltweit, vor allem aber in Europa, aufgrund der Bekanntheit besonders in Deutschland, Frankreich, Belgien und Italien. Auch an den amerikanischen Markt traut sich das Unternehmen heran. „Da ist es aber etwas schwieriger, weil Kodak dort einen großen Namen hat.“ Die Idee sei es, im Bereich der mittleren Preisklassen zu konkurrieren. Mit den ganz großen Nummern – Fuji, Canon, Sony – wolle man es nicht aufnehmen.
Trotzdem, das Geschäft mit der neu produzierten Retro-Ware scheint zu laufen, selbst in Zeiten von Smartphone-Kameras, KI-Fototechnik und einfach bedienbarer Bildoptimierung, vielleicht aber auch gerade als Gegenentwurf zu nach Perfektion strebenden Fototrends.
Diesmal zumindest sieht es so aus, als ob Agfa Photo auf das richtige Pferd gesetzt hat. Während die Holding nun doch noch am einstigen Endgegner, der Digitalisierung, kassiert, scheinen die Verbindungen ins Rheinland allerdings ein für alle Mal gekappt.