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600 Jobs werden gestrichenKölner Insider zu RTL-Sparplan: „Das war längst überfällig“

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Der Kölner Messe Turm, davor bunte Fahnen mit dem RTL Logo in Deutz am Picassoplatz

3750 Stellen entfallen bei RTL auf den Standort Köln.

Der schwächelnde Werbemarkt macht dem Kölner Medienkonzern, der den Kampf mit Netflix & Co. aufnehmen will, zu schaffen. 600 Arbeitsplätze sollen wegfallen.

Einst war RTL der Inbegriff des werbefinanzierten Privatfernsehens in Deutschland – jetzt will der Sender seine Ursprünge mit dem Wandel zum Streaming-Giganten hinter sich lassen. Eine ganz freie Entscheidung ist es nicht: Das Medienhaus sieht sich dazu gezwungen, die Strategie zu ändern, um langfristig zu überleben.

Einträglich wie einst ist das lineare TV-Geschäft nicht mehr, die Werbeumsätze sind seit 2019 um 20 Prozent gesunken. Die konjunkturelle Krise im Land und gestiegene Produktionskosten drücken zusätzlich auf das Geschäft des Kölner Fernsehriesen, dessen Vorstandschef Stephan Schmitter jetzt die Konsequenzen zieht und RTL einen Umbau verordnet: „Der Medienmarkt befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel. Um langfristig erfolgreich und wettbewerbsfähig zu bleiben, richten wir RTL Deutschland noch konsequenter auf das Streaming-Geschäft aus.“

Abbau von 600 Vollzeitstellen – wo ist noch unklar

6,6 Millionen zahlende Abonnenten hat der Streamer RTL+ derzeit, einen Gewinn wirft er noch nicht ab. 2026 soll er endlich profitabel sein. Doch um die weggebrochenen Werbeumsätze irgendwie aufzufangen, muss jetzt erst einmal gespart werden. 600 Vollzeitstellen, so verkündet es das Unternehmen am Dienstag, sollen im Zuge der Umstrukturierung abgebaut werden. Aktuell gibt es bei RTL deutschlandweit noch 6000 Vollzeitstellen, von denen 3750 auf Köln entfallen. Die Belegschaft wird im Unklaren gehalten, welche Abteilungen Stellen verlieren. RTL verkündet, abgebaut werde an allen Standorten. Es geht also nicht nur um den Sender RTL, sondern auch Tochterunternehmen wie Vox und ntv oder das Magazingeschäft mit Capital, Geo und Stern.

Nach Möglichkeit sollen betriebsbedingte Kündigungen vermieden werden, Unternehmensführung und Betriebsräte haben einen Sozialplan ausgehandelt, der Abfindungen für RTL-Mitarbeitende vorsieht. Der Deutsche Journalisten-Verband spricht von einem Abschiedsbonus von bis zu 50.000 Euro, abhängig von der Dauer der Betriebszugehörigkeit. Außerdem sei der Wechsel in eine aktive Transfergesellschaft für bis zu einem Jahr möglich. Für Beschäftigte über 55 Jahren soll es eine sogenannte Rentenbrücke geben.

Sparplan erwartbar

Thomas Lückerath, Chefredakteur des Branchenfachportals DWDL.de und langjähriger RTL-Beobachter, nennt den Sparplan im Gespräch mit dieser Zeitung „erwartbar“. Schon zuletzt habe RTL das lineare Fernsehen schleifen lassen, Budget für das Programm gestrichen und immer mehr Wiederholungen statt neuer Produktionen im Fernsehen gezeigt. Das mache sich beim Jahresmarktanteil in der Zielgruppe der 14- bis 59-Jährigen bemerkbar: 2024 habe dieser 9,6 Prozent betragen, im laufenden Jahr werden es nur noch 8,8 oder 8,7 Prozent. Was damals anders war? „Letztes Jahr gab es bei RTL noch Hoffnung und Elan.“

Ein Kölner Brancheninsider, der anonym bleiben möchte, ist in seiner Bewertung des angekündigten Stellenabbaus noch deutlicher: „Das war längst überfällig“, sagt der gut informierte Kenner. Nicht zuletzt durch den Zusammenschluss mit Gruner + Jahr sei RTL Deutschland beim Personal deutlich gewachsen. „Der Laden ist über die Jahre viel zu groß geworden. Dass das nicht lange gut geht in Zeiten wie diesen, versteht sich von selbst.“ Er rechnet damit, dass im Frühjahr die nächste Sparrunde ansteht. Auch in Reihen der Belegschaft wird davon ausgegangen, dass weiter Personal abgebaut wird, wenn die Übernahme von Sky Deutschland durch RTL erst einmal von den Kartellbehörden genehmigt wurde – und die Kölner das angestrebte Synergiepotenzial von 250 Millionen Euro jährlich zu heben versuchen.

Durch die Maßnahmen werden wir einen hohen, zweistelligen Millionenbetrag in den Personalkosten einsparen
Stephan Schmitter, Vorstandschef RTL

Als der Deal im Juni verkündet wurde, machte RTL eine Kampfansage an die US-Streamingdienste: Die Kölner rechnen nach der Übernahme des Sky-Geschäfts mit insgesamt 11,5 Millionen zahlenden Abonnenten. Mit einigem Abstand zu Branchenprimus Netflix und Prime Video wäre RTL als drittgrößter Anbieter in Deutschland ein echtes Schwergewicht. „Durch die Maßnahmen werden wir einen hohen, zweistelligen Millionenbetrag in den Personalkosten einsparen“, sagte Schmitter. „Aber viel wichtiger wird es sein, die Organisation konsequent auf die großen Veränderungen im Medienmarkt auszurichten und auf den Wettbewerb mit den US-amerikanischen Streamingdiensten zu fokussieren.“ Dazu gehört, weniger Geld ins klassische Fernsehen zu stecken. „Wir planen, weiter jedes Jahr über eine Milliarde in unsere Inhalte zu investieren, die Budgets aber zu Gunsten hochwertiger Streaming-Inhalte umzuverteilen.“

Auch ProSieben streicht hunderte Jobs

Es sei durchaus möglich, dass erfolgreiche Sendungen wie „Der Bachelor“ künftig zunächst vollständig auf RTL+ zu sehen sind – und erst nachgelagert im RTL-Fernsehen laufen. Auch Prosieben-Sat.1 verkündete vor einigen Monaten den Abbau von 450 Jobs, jetzt folgt also RTL. Die gesamte Branche investiert bereits weniger in neue Inhalte – und es wird künftig noch weniger sein.

Bei den Produktionsfirmen in Deutschland macht sich das bemerkbar. 700 gebe es in Deutschland, sagt der Brancheninsider, in Köln vor allem im Bereich Unterhaltung. „Ein Viertel der deutschen Bewegtbildproduzenten wird Ende des nächsten Jahres in die Knie gehen“, tippt der Experte. Am Medienstandort Köln werde man das an jeder Ecke spüren.