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Immer mehr Kölner FälleWelche Fehler Mieter bei Eigenbedarfskündigungen machen

Lesezeit 4 Minuten
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Wohnungen in der Kölner Südstadt

Köln – Vor einigen Jahren lag die Zahl der Eigenbedarfskündigungen, die auf den Schreibtischen in der Kanzlei Over und Odenthal landeten, noch bei etwa zehn Stück im Jahr. Mittlerweile ist sie auf 60 bis 80 Fälle jährlich gestiegen. Auch der Kölner Mieterverein berichtete 2020, die Zahl der Eigenbedarfskündigungen sei zuletzt um 20 Prozent gestiegen.

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„Die Möglichkeit, ein Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs zu kündigen, wird in der Praxis definitiv auch missbräuchlich genutzt“, sagt Rechtsanwalt Heinz Over, der unter anderem auf Wohnraummietrecht spezialisiert ist. Denn in Deutschland gibt es eigentlich einen sehr restriktiven Kündigungsschutz: Sofern Mieter kein Fehlverhalten an den Tag legen, haben Vermieter kaum eine Möglichkeit, sie loszuwerden – außer eben, sie geben an, die Immobilie selbst zu benötigen. Gerade deshalb drängt sich angesichts des angespannten Wohnungsmarktes und der steigenden Fallzahlen teils der Eindruck eines vorgeschobenen Eigenbedarfs auf. Ein Überblick darüber, wie betroffene Mieterinnen und Mieter sich verhalten sollten.

Wann darf mir wegen Eigenbedarfs gekündigt werden?

„Eigenbedarf kann ein Vermieter geltend machen, wenn er die Immobilie für sich, seine Angehörigen oder Menschen im selben Hausstand zu Wohnzwecken benötigt“, sagt Over. In der Praxis bedeutet das zum Beispiel: eine Wohnung für die Kinder, die wegen des Studiums umziehen. Eine barrierefreie Wohnung für beeinträchtigte Familienmitglieder. Oder auch einfach eine gewünschte räumliche Vergrößerung.

Die Art der Gründe, die bei einer Eigenbedarfskündigung vorgetragen werden, wird allerdings zunehmend kreativer. In Einzelfällen seien sie regelrecht „abstrus“, so Over. Er verweist auf einen Fall, bei dem ein Ehepaar Eigenbedarf anmeldete, um von einem Einfamilienhaus in ein Gartenhäuschen mit 30 Quadratmetern Wohnfläche zu ziehen. Ein anderer Vermieter erklärte, er brauche eine Wohnung, um Akten zu lagern, die er in seiner Kanzlei nicht unterbringen könne. Beide bekamen vor Gericht Recht. Der Spielraum ist also groß. Nicht zulässig ist allerdings eine Kündigung, um die Wohnung über ein Portal wie Airbnb zu vermieten.

Wie sollten Mieter vorgehen, denen gekündigt wird?

Der erste Tipp klingt zunächst kontraintuitiv: Auf keinen Fall sollte die Mietpartei der Kündigung sofort widersprechen. Denn die gesetzliche Regelung sieht vor, dass die Betroffenen dafür bis zwei Monate vor Ablauf der Kündigungsfrist Zeit haben. Gerade bei langjährigen Mietverhältnissen, bei denen die Frist bis zu neun Monate betragen kann, sollte diese Möglichkeit voll ausgeschöpft werden. Ansonsten kann der Vermieter nämlich direkt eine Räumungsklage in die Wege leiten. „Der Mieter sollte also tunlichst nicht sofort der Kündigung widersprechen, sondern diese erstmal prüfen lassen“, so Over.

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Der Rechtsanwalt empfiehlt, dafür in jedem Fall Experten heranzuziehen: zum Beispiel den Mieterverein, die Verbraucherzentrale oder einen Rechtsanwalt. „Nicht jede Eigenbedarfskündigung ist wirksam. Es gibt formale Anforderungen, die erfüllt sein müssen.“ So reiche es zum Beispiel nicht, einfach zu schreiben, man kündige, weil der Sohn die Wohnung benötige. „Die Begründung muss so ausgestaltet sein, dass der Mieter prüfen kann, ob sie nachvollziehbar ist.“

Angenommen, die Kündigung selbst ist wirksam und der Fall landet später vor Gericht. Was dann?

Der Vermieter muss vor Gericht nachweisen, dass er die Wohnung wirklich benötigt. In den meisten Fällen dürfte ihm das allerdings gelingen. Denn wenn er zum Beispiel sagt, dass sein Sohn die Wohnung für sein Studium benötigt, kann er diesen vor Gericht als Zeugen benennen. Wenn er seinen Bedarf bekräftigt, „kann der Mieter nicht mehr viel machen“, so Over.

Eine Möglichkeit wäre, Indizien aufzuführen, die für einen vorgeschobenen Eigenbedarf sprechen: Wenn beide Parteien sich zum Beispiel seit Jahren über Betriebskosten streiten und der Vermieter deshalb möglicherweise ein Interesse hat, den Mieter loszuwerden, wird sich das Gericht die Situation zumindest genauer anschauen.

Welche Optionen gibt es noch?

Wenn der Grund des Vermieters nachvollziehbar ist, bleibt Mietern noch eine Option: Sie können einen Sozialwiderspruch einlegen. Das geht zum Beispiel, wenn sie krank sind, als Studierende gerade vor einer wichtigen Prüfung stehen, unter psychischen Problemen leiden. Zwar wird in den meisten Fällen grundsätzlich zugunsten des Vermieters entschieden und der Mieter zur Räumung verurteilt – das dann aber möglicherweise mit einer großzügigen Räumungsfrist, die ihm mehr Zeit einräumt.

Was, wenn sich rückblickend rausstellt, dass der Eigenbedarf vorgetäuscht war?

Wenn der Vermieter oder seine Angehörigen letztlich gar nicht in die betreffende Wohnung einziehen, ist das zumindest ein Indiz für vorgetäuschten Eigenbedarf. „Aber es ist noch kein Beweis“, sagt Over. Der Vermieter muss sich in diesem Fall erklären. Für den Mieter ist die Wohnung im Regelfall dann aber schon verloren. Er hat nun theoretisch noch die Möglichkeit, eine Schadenersatzklage in die Wege zu leiten. Hier muss dann allerdings der Mieter beweisen, dass Anspruch besteht – und die Anforderungen sind hoch. „Das kommt vor, ist aber die Ausnahme.“  

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