Markus Steilemann im InterviewCovestro kann Gas nur teilweise ersetzen

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Covestro-Chef Markus Steilemann

Leverkusen – Der Leverkusener Spezialchemie-Konzern Covestro blickt mit Sorge auf einen möglichen Mangel an Gas im Zuge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine. Wie die gesamte Chemiebranche bereitet sich auch der Kunststoffkonzern auf einen Erdgasmangel in Deutschland vor. Zur kurzfristigen Senkung des Gasbedarfs seien verschiedene Maßnahmen wie etwa die Umstellung auf ölbasierte Generatoren zur Dampferzeugung getroffen worden, sagte Covestro-Chef Markus Steilemann am Dienstag im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

„Wir haben einen Bedarf von sieben Terrawattstunden Erdgas pro Jahr“, sagte der Vorstandsvorsitzende. Zwei bis drei Terrawattstunden entfielen dabei auf elektrische Energie, etwa die Hälfte davon würde als Wärme oder per Kraft-Wärme-Kopplung genutzt. Zwei Terrawattstunden entfielen auf die Gewinnung von Dampf, zwei weitere würden als Rohstoff für die Herstellung von Kunststoff gebraucht.

Diesel-Aggregate sollen Gas ersetzen

„Im Werk in Brunsbüttel setzen wir nun mit Diesel betriebene Aggregate ein, um Erdgas zu ersetzen. Allerdings ist das nur temporär eine Lösung“, sagte Steilemann. Dazu soll auch eine Pipeline wieder in Betrieb genommen werden.

Für den denkbaren Fall eines vollständigen Lieferstopps bei russischem Gas wagt Steilemann keine konkrete Prognose. Allerdings: „Wir beziehen unsere Gasmengen durch Pipelines aus dem Norden und Westen. Sollte aus dem Osten kein Gas mehr kommen, ist es dennoch physikalisch nur begrenzt möglich, dieses Gas auf den Rest des Netzes zu verteilen“, sagte Markus Steilemann. So könnte es dem Manager zufolge auch bei einer Gasmangellage sinnvoll sein, Covestro trotzdem mit Gas zu versorgen, dass ohnehin technisch nicht an Private weitergeleitet werden könnte. „Wir sind durch unsere Standorte da in einer etwas privilegierten Position. So könnte zumindest der wirtschaftliche Schaden minimiert werden“, sagte Steilemann.

Gewinnprognose deutlich gesenkt

Wegen der aktuellen Lage am Gasmarkt hatte Covestro erst am Freitag vor allem wegen des starken Anstiegs der Gaspreise die Gewinnprognosen für 2022 deutlich gesenkt. „Pro einem Prozent gesenkter Produktion würde sich ein Gewinnrückgang (Ebitda) in niedriger bis mittlerer zweistelliger Millionenhöhe ergeben“, so Steilemann. Der Absatz ging im zweiten Quartal des laufenden Geschäftsjahres zurück. Der Überschuss hat sich mit 199 Millionen Euro mehr als halbiert.

Umsatz ist gestiegen wegen höherer Preise

Laut Steilemann stieg der Umsatz im zweiten Quartal um fast ein Fünftel auf 4,7 Milliarden Euro, was allerdings an höheren Verkaufspreisen und dem schwachen Euro lag. Die Preise seien um fast ein Fünftel gestiegen. Auf einen Preisanstieg bei Endprodukten habe das aber einen geringen Einfluss, da Materialeinsatz für entsprechende Kunststoffteile gemessen am Preis des Gesamtproduktes gering sei. Covestros Rohstoffe benötigt man etwa beim Bau von Autoscheinwerfern oder Dämmstoffen im Häuserbau.

Bislang konnte Covestro etwa drei Viertel der steigenden Preise an seine Kunden weitergeben. Dies gestalte sich laut Markus Steilemann aber zunehmend schwieriger. Steilemann wirbt dafür, die aktuelle Krise auch als Chance zu sehen. Covestro hat das Ziel, den Anteil fossiler Rohstoff wie Kohle, Öl und Gas sukzessive zu ersetzen, zum Beispiel durch Recyclingmaterialien. „Die aktuelle Mangellage verstärkt diesen Prozess, auch weil es wirtschaftlich immer mehr Sinn macht.“

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Covestro ist im Dax notiert und hat viele Standorte in NRW, darunter Leverkusen, Krefeld-Uerdingen und Dormagen. Allein in NRW werden fast 7000 Mitarbeiter beschäftigt.

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