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Drei Millionen Arbeitslose bundesweitKölner Arbeitsagentur-Chef Klapper spürt „leichte Beunruhigung“

4 min
Außenaufnahme der Agentur für Arbeit in Köln

Auch in Köln gehen die Arbeitslosenzahlen seit 2022 stetig nach oben.

Die Zahl der Arbeitslosen war lange nicht mehr so hoch wie in diesem Sommer. Auch NRW meldet Rekordzahlen. 

Es ist ein symbolischer Schwellenwert für die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt: Erstmals seit über zehn Jahren sind mehr als drei Millionen Menschen in Deutschland arbeitslos gemeldet. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) stieg die Zahl der Arbeitslosen zum Stichtag 13.8. auf 3,025 Millionen – 46.000 mehr als im Vormonat und 153.000 mehr als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote erhöhte sich im Vergleich zum Juli um 0,1 Prozentpunkte auf 6,4 Prozent. Für einen August liegt die Arbeitslosigkeit damit sogar so hoch wie seit 15 Jahren nicht mehr.

Gleiches gilt für Nordrhein-Westfalen: Mehr als 800.000 Menschen waren hier zuletzt arbeitslos gemeldet, das gab es zuletzt im April 2010. Die Arbeitslosenquote betrug wie im Juli 8,0 Prozent, wie die Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit am Freitag in Düsseldorf mitteilte. Vor einem Jahr lag die Quote bei 7,7 Prozent. Auch die Kölner Arbeitsagentur zählt in diesem August etwa 58.000 Menschen, die keinen Job haben.

Schwache Konjunktur belastet Arbeitsmarkt

Dass die Arbeitslosenzahlen über den Sommer hochgehen, ist üblich, weil Unternehmen vor den Ferien weniger einstellen und Ausbildungsverhältnisse enden, zudem verzögern sich Neueinstellungen sehr häufig wegen der Urlaubszeit. In den vergangenen Jahren sei der Anstieg aber kräftiger gewesen, sodass die Zahl in diesem Jahr sogar saisonbereinigt zum Vormonat um 9000 gesunken sei, hieß es von BA-Chefin Andrea Nahles.

In diesem Jahr sind die Unternehmen noch zusätzlich zurückhaltend, weil die konjunkturelle Entwicklung immer noch unsicher ist. „Der Arbeitsmarkt ist nach wie vor von der wirtschaftlichen Flaute der vergangenen Jahre geprägt“, erläuterte Nahles. Die Arbeitslosigkeit in Deutschland wachse seit Ende 2022 stetig. Läuft es wirtschaftlich nicht rund, zögern Unternehmen, neue Mitarbeiter einzustellen.

Portraitbild von Johannes Klapper

Johannes Klapper leitet die Kölner Arbeitsagentur.

In Köln ist der Trend ähnlich. „Seit der Coronazeit haben wir ein deutlich höheres Niveau an Arbeitslosigkeit. Zwischenzeitlich hat sich der Kölner Arbeitsmarkt dann vorübergehend wieder stabilisiert. Seit 2022 beobachten wir einen langsamen, aber stetigen Anstieg der Arbeitslosigkeit“, sagt Johannes Klapper, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Köln. 

„Die nächsten Monate werden zeigen, ob der Arbeitsmarkt wieder anzieht“, sagt Klapper. „Zurzeit beobachten wir eine Zurückhaltung der Unternehmen, Personal einzustellen. Dies hängt unmittelbar mit der Gesamtunsicherheit zusammen, wie sich die konjunkturelle Lage in Deutschland in den kommenden Wochen und Monaten entwickeln wird.“ 

Offene Stellen, aber nicht genügend geeignete Bewerber

Und dann gibt es noch die Fälle wie den Kölner Dachdecker-Meister Bastian Dunkelmann. Er möchte gerne einstellen, tut sich aber schwer, geeignetes Personal zu finden. Neun Angestellte arbeiten derzeit in seinem Betrieb, er hätte gerne mehr: einen Meister und einen Vorarbeiter. Die Auftragslage gebe es her, neue Leute anzustellen: „Wir haben bislang keine Veränderungen gespürt, da wir sowohl im Privatkunden- als auch im Bauträgerbereich gut aufgestellt sind“, sagt er. Auch, wenn man meinen könnte, dass die Zahl der Bewerbungen bei hohen Arbeitslosenquoten steigen würde – „bei uns in der Branche ist das nicht der Fall“, so Dunkelmann. „Im Handwerk ist das Problem, dass es kaum Fachpersonal auf dem Markt gibt.“

Bastian Dunkelmann beschäftigt neun Angestellte in seinem Dachdecker-Betrieb in Köln.

Bastian Dunkelmann beschäftigt neun Angestellte in seinem Dachdecker-Betrieb in Köln.

Die Schere zwischen offenen Stellen und geeigneten Bewerbern geht auch in der Ausbildung weit auf. Zum August haben viele Jugendliche und junge Erwachsene eine Ausbildung begonnen, dennoch gibt es allein in Köln noch mehr als 1800  Bewerber, die bislang keinen Vertrag unterschrieben haben. Demgegenüber sind noch knapp 1200 Lehrstellen nicht besetzt. Auch Dachdecker-Meister Dunkelmann hätte gerne zum 1. September junge Menschen ausgebildet, muss aber in diesem Jahr verzichten. Die Bewerberlage sprach dagegen, einen Azubi neu anzustellen. „Es hat nicht gepasst. Die Menge an Bewerbungen war nicht da. Und das Thema Zuverlässigkeit hat nicht gestimmt. Beim Probearbeiten ist schon aufgefallen, dass die Bereitschaft zu arbeiten nicht wirklich da ist“, sagt Dunkelmann.

In Wirtschaft und Politik werden die Rufe nach Reformen lauter. Der Kölner Arbeitsagenturchef Klapper will versuchen, mit eigenen Mitteln gegenzusteuern: „Eine leichte Beunruhigung spüre ich schon, deshalb bleiben wir intensiv dran, in die Menschen, die jetzt arbeitslos werden, mit Weiterbildungen zu investieren.“

Im September dürfte die Arbeitslosigkeit wieder zurückgehen, wenn viele junge Leute nach dem Ende der Ausbildung eine neue Stelle antreten und in vielen Personalabteilungen wieder Auswahlgespräche führen. Doch ob die Zahl der Arbeitslosen bundesweit langfristig unter drei Millionen bleibt, hängt von der konjunkturellen Entwicklung in den kommenden Monaten ab. „Es kann durchaus sein, dass wir die Marke von drei Millionen im Winter dann noch mal überschreiten werden“, sagt BA-Chefin Nahles. (mit dpa)