MindestlohnVoll auf Teilzeit gesetzt

Kassiererin Walli Josephs mit Rewe-Chef Alain Caparros und Andrea Nahles.
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Köln – An der Auswahl in Kühltruhen mit den frischen Nudeln könne man erkennen, dass man in Köln und nicht auf dem Land einkauft, sagt Andrea Nahles bei ihrem Rundgang durch den Rewe-Supermarkt im Kölner Stadtteil Lövenich. „Die sind relativ teuer. Diese Produktpalette gibt es in der Eifel nicht.“ Rewe-Vorstand Alain Caparros kann ihr da nur beipflichten: 100 Gramm für 2,49 Euro – das sei ein Hochpreis-Produkt.
Es ist Montag, acht Uhr in der Früh. Fünf Monate nach der Einführung des Mindestlohns will sich die Bundesarbeitsministerin über die Folgen für den Einzelhandel informieren. Die Lebensmittelbranche ist besonders hart umkämpft und dass sich Politiker für Supermärkte interessieren eher die Ausnahme. Entsprechend groß ist der Bahnhof für Nahles und der Rewe-Markt an der Kölner Straße in Lövenich in jeder Hinsicht ein Vorzeigeobjekt. Das fängt bei der Inhaberin an. Andrea Flammuth hat zwölf Jahre im Management des Konzerns gearbeitet, bevor sie im November 2013 den Sprung in die Selbstständigkeit wagte. „Als ich 40 geworden bin, habe ich mir gesagt, da muss noch was kommen.“ Dass sie 18 Monate später an der Bäckerei-Theke stehen und mit Unterstützung durch Personalchef Berndfried Dornseifer mit der Arbeitsministerin bei Croissant und Kaffee über den Mindestlohn diskutieren würde, hat sie damals bestimmt nicht geahnt.
„Wir konnten das relativ schnell umsetzen“, sagt Dornseifer. Auch die Dokumentationspflicht sei kein Problem. Doch ganz ohne Kritik kommt die SPD-Politikerin nicht davon. „Etwas mehr Vertrauen und Flexibilität bei der Führung der Arbeitszeitkonten hätten wir uns gewünscht.“ In der Lebensmittelbranche sei der Anteil der Teilzeitarbeit sehr hoch. Im Rewe-Konzern liege er bei 70 Prozent.
Das gilt auch für den Markt in Lövenich. „Ich habe 42 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“, sagt Flammuth und zeigt der Ministerin ihren „Wunschkalender“, in denen alle ihre Arbeitszeit-Wünsche eintragen können. „Je weniger die Mitarbeiter haben, desto größer sind ihre Wünsche an die Arbeitszeit.“ In einem Supermarkt, der an sechs Tagen in der Woche zwischen sieben und 22 Uhr geöffnet habe, müsse man extrem flexibel sein. Der Mai mit den vielen Feiertagen sei besonders schwierig, weil auch sehr nachfragestark. „Da brauchen wir viel Personal, können das aber in den Sommerferien ausgleichen.“
Minijobber auf 480 Euro-Basis sind die Ausnahme, bei Rewe setzt man voll auf Teilzeit. Das habe mit der Einführung der Mindestlohns nur am Rande zu tun. „Teilzeitkräfte haben eine andere Beziehung zu ihrer Arbeit. Für sie ist nicht irgendein Job neben dem Studium. Die Kunden spüren da. Sie erwarten einen guten Service und die persönliche Ansprache.“
Erfolgsgeschichte Mindestlohn
Andrea Flammuth weiß genau, wovon sie spricht. Wie an jedem Montag steht die Inhaberin seit fünf Uhr in ihrem Supermarkt, um frisches Obst und Gemüse in die Regale zu räumen. Gerade weil sie Vegetarierin ist, mache ihr das besonders viel Freude, aber: „Ich bin hier nur eine von 42. Wenn ich keine motivierten Mitarbeiter hätte, wäre das nicht zu schaffen.“
Zufriedene Kunden, ein zufriedener Rewe-Boss und eine Ministerin, die nach einer Stunde zwischen den Weinregalen eine positive Bilanz zieht. Der Mindestlohn in Deutschland sei eine Erfolgsgeschichte, sagt Nahles. „Von den Horrormeldungen, es würden bis zu 900 000 Arbeitsplätze verloren gehen, ist nichts eingetreten. Dass es Verbesserungswünsche bei den Arbeitszeitkonten geht, habe ich registriert. Das müssen wir passgenau ausgestalten.“ Gerade im Handel gebe es viel Billigkonkurrenz und sicherlich laufe es nicht überall optimal. „Wir wollten verhindern, dass der Wettbewerb auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen wird. Das hat auch mit der Bezahlung zu tun.“ Sollte sich der Trend bestätigen, dass durch den Mindestlohn mehr Teilzeitstellen entstünden, sei das ein positiver Nebeneffekt.
Bei so viel Harmonie muss Rewe-Boss Carparros doch daran erinnern, dass „der Preis der entscheidende Punkt bleibt“. 100 Gramm frische Nudeln für 2,49 Euro dürften in mancher Supermarkt-Kühltruhe ihr Haltbarkeitsdatum erreichen.